HSV gegen Bremen:Ein Meilenstein Richtung zweite Liga 

Fußball 1 Bundesliga Saison 2017 2018 24 Spieltag SV Werder Bremen Hamburger SV am 24 02 201

Im Durcheinander vor der Torlinie schubst der Hamburger Rick van Drongelen den Ball ins eigene Tor und kullert selbst gleich hinterher.

(Foto: Kirchner/imago)
  • Der Hamburger SV verliert durch ein Eigentor 0:1 in Bremen.
  • "Was sind das für Leute, die da in Köln sitzen?", empört sich die HSV-Führung danach über die Schiedsrichter.
  • Auf den Rängen sorgen einige Chaoten für Ärger.

Von Frank Hellmann, Bremen

Normalerweise wären Christian Mathenia, Kyriakos Papadopoulos und Filip Kostic hinterher schnurstracks in die Gästekabine gegangen. Doch dann erspähte das Hamburger Trio noch den an einem Pfeiler montierten Flachbildfernseher im Weserstadion - und alle drei Profis blieben mit enttäuschten Gesichtern stehen, um die entscheidende Szene des gerade mit 0:1 verlorenen Nordderbys beim SV Werder zu beobachten: War der glückliche Bremer Siegtreffer in der 86. Minute irregulär, nachdem Rick van Drongelen beim Klärungsversuch auf der Linie die Kugel unter Bedrängnis ins eigene Tor gelenkt hatte?

"Abseits war das!", schimpfte der Grieche Papadopoulos aufgebracht - und schickte noch einen Fluch in Richtung Schiedsrichter Felix Zwayer hinterher. Warum Videoassistent Günter Perl aus Köln nicht wenigstens eine ausführlich Überprüfung der Szene in der Review Arena anregte, war zumindest diskussionswürdig. So blieb der Eindruck haften, dass beim Schuss des eingewechselten Aaron Johansson der in der Mitte lauernde Ishak Belfodil im Abseits stand.

Zwayer allerdings verteidigte nach Spielschluss seine Entscheidung. Belfodil sei im Moment des Abspiels nach den vorliegenden Bildern auf Höhe des Balles gewesen. "Am Ende ist eine korrekte Entscheidung getroffen worden und das Tor ist korrekt erzielt worden", erklärte der Referee. Vermutlich hätten die kalibrierten Linien helfen können, deren technische Umsetzung noch auf sich warten lässt.

"Es reicht im Moment nicht", sagt Bruchhagen

HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen hatte trotzdem größte Mühe, seinen Zorn zu zügeln. "Ich will das nicht mehr hören. Was sind das für Leute, die da in Köln sitzen? Jeder, der ein bisschen Fußball gespielt hat, der sieht, dass es Abseits ist. Dann haben die eben nicht Fußball gespielt und sind bewusst Schiedsrichter geworden, weil sie dort besser aufgehoben sind. Da kannst du tausend Linien ziehen, das ist Abseits." Erstaunlicherweise sprach aber sein Trainer Bernd Hollerbach von "gleicher Höhe" - und dennoch im selben Atemzug von einer Fehlentscheidung. "Belfodil hat unserem Rick ins Standbein getreten. Das war ein klares Foul."

Bruchhagen gab immerhin unumwunden zu, dass der am Abgrund taumelnde HSV in einem lange ziemlich erbärmlichen Nordduell wieder einmal "nicht zwingend genug" gespielt habe. "Es reicht im Moment nicht." Er wolle aber keinerlei Resignation verbreiten, "wir haben noch eine Restchance." Gleichwohl könnte das vom Bremer Anhang frenetisch bejubelte 1:0 - dem die üblichen Hohngesänge auf die herbeigesehnte Hamburger Zweitklassigkeit folgten - fast schon so etwas wie ein weiterer Meilenstein für den ersten Bundesliga-Abstieg des Traditionsvereins gewesen sein. Speziell, wenn dem HSV im nächsten Heimspiel gegen den Drittletzten FSV Mainz 05 kein Sieg gelingt.

Und Werder? Steht zwar besser dar, ist nach dieser Darbietung aber auch noch nicht aus dem Gröbsten raus. "Vollkommen unverdient war der Sieg nicht. Von uns darf man keine Wunderdinge erwarten", resümierte Trainer Florian Kohfeldt, der die Schwächen seiner Mannschaft nicht verschwieg. Zur strittigen Entscheidung wollte der 35-Jährige nichts sagen: "Das habe ich auch die letzten Wochen so gehalten - wir haben drei, vier Schiedsrichter im Stadion und zwei in Köln."

Zum spielerisch schwachen Niveau passte es, dass Fans aus dem Hamburger Block darin wetteiferten, wer das größere Feuerwerk im Oberrang der Westkurve zünden würde. Da brannten Fackeln, da flogen Raketen, da explodierten Böller. So intensiv, dass Zwayer die Partie gleich zweimal unterbrechen musste. Wie so viele gefährliche Utensilien überhaupt ins Stadion gelangen konnten, muss noch geklärt werden. Der Referee drohte damit, die Begegnung abzubrechen.

Bremen fehlt jedes Überraschungsmoment

Auf dem Platz passierte hingegen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt herzlich wenig. Der ständige Existenzkampf schien die Hausherren mehr zu lähmen als die Gäste. Werder zeigte im ersten Durchgang wenig bis gar nichts von dem, was das Team unter Kohfeldt so stark macht. Merkwürdig verkrampft trugen die Bremer ihre wenigen Angriffe vor, Max Kruse verlor bei den Rochaden zwischen Sturm und Mittelfeld an Wirkung. Und so fehlte jedes Überraschungsmoment.

Den Hamburgern war anfangs die Verunsicherung von zehn sieglosen Spielen nicht unbedingt anzusehen. Dennoch legte der HSV wieder einmal Zeugnis ab, warum ihm erst 18 Tore gelangen. Die Angriffe endeten im Abschluss nach dem Prinzip Zufall. Nicht einmal als Werder-Torwart Jiri Pavlenka eine harmlose Flanke fallen ließ, konnten Gideon Jung oder André Hahn daraus Kapital schlagen (25.). Ansonsten war auch der HSV desto ratloser, je näher der gegnerische Strafraum kam.

Hollerbach hatte überraschend Bakery Jatta in der Startelf aufgeboten. Der gambische Offensivspieler kam einst als Flüchtling nach Deutschland und kickte schon für die A-Junioren des SV Werder, ehe im Januar 2016, nach einem Probetraining beim HSV, ein heftiges Ringen um ihn begann - und Jatta in Hamburg schließlich einen Profivertrag bekam. Bei seinem zweiten Startelfeinsatz hatte der 19-Jährige eine gute Chance, den HSV in Führung zu bringen, doch geriet sein Schuss zu schwach (17.). Lange sah es deshalb so aus, als sollte die Begegnung wie im Hinspiel mit einer trostlosen Nullnummer enden. Doch dann ereignete sich noch jene Szene, die später in Endlosschleife über die Fernseher lief.

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