Süddeutsche Zeitung

Towers in der BBL:Auch Nowitzki gratuliert Hamburgs Basketballern

  • Mit den Hamburg Towers spielt kommende Saison ein besonderer Klub in der Basketball-Bundesliga.
  • Gestartet war er einst als Projekt, um im sozial schwachen Viertel Wilhelmsburg die Menschen zusammenzubringen.
  • Marvin Willoughby hat der Klub einen Sportchef, den auch Dirk Nowitzki gut kennt.

Von Jörg Marwedel

Der Karli stand etwas verzweifelt daneben, als die Hamburger Profis ihren Trainer Mike Taylor im Überschwang mit Getränken übergossen. Karli ist das Maskottchen der Niners Chemnitz, dem vor den Playoffs als Favorit für den Aufstieg in die Basketball-Bundesliga gehandelten Klub. Er ähnelt dem berühmten Sozialisten Karl Marx, der der Stadt zu DDR-Zeiten ihren Namen gab. Aber nun waren die Chemnitzer an ihrer Favoritenbürde gescheitert: 78:72 hatten die Hamburg Towers gewonnen, zum ersten Mal in dieser Saison in der Chemnitzer Halle. Fünf Tage zuvor hatten sie noch eine 63:84-Abreibung von den Sachsen bekommen, diesmal waren sie das bessere Team.

Mit dem 3:2-Gesamtsieg in der Best-of-five-Serie haben "die Jungs Geschichte geschrieben", fand der Amerikaner Taylor, der seit 2002 auch eine Chemnitzer Größe ist, weil er die Niners damals in die zweite Liga führte. Als er im vergangenen Sommer seinen Job in Hamburg antrat, sagte er, dass keiner einen Aufstieg garantieren könne. Nun hat er ihn doch garantiert, weil seine Mannschaft mit einem guten Rebounding und den besseren Nerven im letzten Spiel die beste Leistung abrief. Neben den Nürnberg Falcons rücken sie erstmals in die Bundesliga auf. Die beiden Spiele gegen die Franken am Donnerstag in Nürnberg und am Samstag in Hamburg um die Meisterschaft der zweiten Bundesliga sind nur noch Zugaben für die Feiern.

In Wilhelmsburg ist Basketball beides: Sport und sozialer Kitt

Es ist schon eine aufregende Geschichte mit den Towers, die im fünften Jahr nach ihrer Gründung nun zu den besten 18 Teams in Deutschland gehören. Neben den Hockeyklubs sind sie vorerst der einzige Erstligist in der Hansestadt. Im Fußball musste der HSV im vergangenen Jahr erstmals Liga eins verlassen, die Handballer kämpfen nach dem wirtschaftlichen Kollaps 2016 vorerst in Liga zwei um den Klassenverbleib; das Eishockey-Team der Freezers wurde vom Besitzer AEG 2016 aufgelöst.

Und das alles, obwohl Hamburg sich ein bisschen hochmütig das Image einer Sportstadt gab. Auch deshalb war Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) am Dienstag mitgereist und glücklich, Teil dieses "legendären Abends" gewesen zu sein.

Selbst aus den USA kamen Glückwünsche - von Dirk Nowitzki an seinen Freund Marvin Willoughby, mit dem er einst für Würzburg und im Nationalteam gespielt hatte. Willoughby, inzwischen 41 Jahre alt, hat den Klub 2014 gegründet im Stadtteil Wilhelmsburg, einer Elbinsel. Dort, wo er aufgewachsen ist und gemeinsam mit seinem Kumpel Jan Fischer seit 2006 den Verein "Sport ohne Grenzen" aufbaute.

Dessen Aufgabe ist es vor allem, sportliche Sozialarbeit zu leisten in problematischem Umfeld. Basketball ist noch immer sozialer Kitt in Wilhelmsburg, wo viele Nationen zusammenkommen. Jetzt aber werden die Towers zunehmend auch zum Leistungssport-Faktor, obwohl sie an ihren sozialpolitischen Aufgaben festhalten wollen - was ja ein durchaus schwieriger Spagat ist.

Die Arena in Wilhelmsburg, die umgebaute ehemalige Blumenhalle der internationalen Gartenschau, war mit ihren 3400 Plätzen fast immer ausverkauft. Zudem gelang es, den Etat auf fast drei Millionen Euro zu schrauben. Das ist für die zweite Liga okay, nicht aber für die Bundesliga, wo etwa der FC Bayern pro Jahr 20 Millionen Euro einsetzen kann und Klubs wie Alba Berlin oder Bamberg ebenfalls über zweistellige Millionen-Budgets verfügen. Im ersten Bundesliga-Jahr werden die Towers, die eben nicht für Sport-Kapitalismus stehen, nach jetzigem Stand gerade mal vier Millionen Euro zur Hand haben.

Doch die wachsende Zahl von Sponsoren hat es auch möglich gemacht, während der Saison noch zwei Spieler zu verpflichten, die wesentlich zum Erreichen des großen Ziels beitrugen. Point Guard Carlton Guyton kam aus Braunschweig und leistete beim entscheidenden Spiel mit 28 Punkten den größten Beitrag. Auch der Forward Max Montana aus Gießen, der am Dienstag sechs Zähler beisteuerte, trug zum Aufstieg fast so viel bei wie Beau Beech, Malik Müller oder Justus Hollatz, das gerade 18 Jahre alte Spielmachertalent aus den eigenen Reihen. Hollatz glänzte besonders am Sonntag beim 98:96 im vierten Spiel.

"Ich kann das gar nicht glauben, was wir geschafft haben", sagte Geschäftsführer und Sportchef Willoughby, der die eine und andere Träne verdrückte. "Wir haben die beste Saison unserer bisherigen fünfjährigen Vereinsgeschichte gekrönt. Das ist grandios."

Towers-Hauptgesellschafter Tomislav Karajica hat sich schon mal an das nächste Projekt gemacht: Er will in der Nähe der Elbbrücken den "Elbdome" bauen. Eine Arena, die 9000 Zuschauer fassen soll. Dann könnte Hamburg wirklich zur Basketball-Metropole werden.

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SZ vom 02.05.2019/jbe
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