Halbfinale in der Champions League:Reals ICE rollt zu langsam

Juventus v Real Madrid - UEFA Champions League Semi Final First Leg

Cristiano Ronaldo und James Rodriguez ärgern sich - das 1:2 in Turin stellt Real vor Probleme.

(Foto: REUTERS)
  • So wird es nichts für den Titelverteidiger: Real Madrid manövriert sich durch ein 1:2 bei Juventus Turin in eine ungemütliche Situation.
  • Gegen giftige Italiener klappt der schnelle Kombinationsfußball der Madrilenen nur selten.

Der Fußballtrainer Carlo Ancelotti wirkt manchmal ein wenig gelangweilt, wenn er an der Seitenlinie Kommandos erteilt. Wenn er überhaupt welche erteilt. Meistens kaut Ancelotti gelangweilt auf seinem Kaugummi. Was allerdings der Tatsache geschuldet ist, dass Ancelotti umso ruhiger wird, je besser Real Madrid, seine Mannschaft, spielt. Zuletzt spielte Real ziemlich gut.

Am Dienstagabend biss Ancelotti mit hoher Frequenz auf seinem Kaugummi. Er schrie, ab und zu ließ er sich sogar zu einer Geste hinreißen. Seine Mannschaft spielte nicht gut. Nach 90 Minuten hatte sie gar verloren, 1:2 (1:1) bei Juventus Turin. Eine unerwartet unbequeme Gemenge-Lage für das Champions-League-Rückspiel am Mittwoch in einer Woche.

"Die Niederlage setzt mir schon ein bisschen zu", sagte Ancelotti später, "es war auch viel Unglück dabei."

Vor Beginn hatte Ancelotti noch einen herzlichen Vortrag gehalten. Er sprach über Andrea Pirlo, den Maestro der alten Dame Juventus, er sagte: "Ich habe gelesen, dass er mich als Vaterfigur sieht. Für mich ist er wie ein Bruder." In welchem Verwandtschaftsverhältnis die beiden Herren tatsächlich zueinander stehen, konnte bis zum Anpfiff leider nicht restlos geklärt werden.

Als relativ gesichert gilt, dass Sami Khedira in naher Zukunft nicht in diesen Kreis aufgenommen wird, Ancelotti hatte ihn nicht einmal mit nach Turin genommen. Er versetzte Sergio Ramos für den verletzten Modric ins Mittelfeld, als Sitznachbarn von Toni Kroos. Auch Benzema fehlte. Ansonsten konnte der Trainer seine teuersten Zirkuspferde vorführen, Cristiano Ronaldo, Gareth Bale, James Rodriguez.

Sein Kollege Massimiliano Allegri reagierte, indem er den 22 Jahre alten, flinken Stefano Sturaro auf die linke Flanke beorderte. Vorne stürmten Carlos Tévez und Alvaro Morata, Pirlo regierte in der Zentrale, Arturo Vidal war für die Aufräumarbeiten eingeteilt; Vidal behandelt seine Gegenspieler ja selten wie Väter oder Brüder, schon gar nicht zärtlich, eher wie die ungeliebte Schwiegermutter. Zunächst einmal koordinierte Vidal die vorzüglichen Offensivbemühungen der Gastgeber. Sturaro (3.) und Morata (7.) boten erste Torschüsse an, und nach acht Minuten kullerte der Ball tatsächlich ins Madrider Tor. Claudio Marchisio hatte Tévez am Eingang zum Strafraum freigespielt, niemand verstellte Tévez den Weg, Reals Torwart Iker Casillas lenkte den Schuss mit Mühe zur Seite, servierfertig für Morata.

Ach ja, und Real? Der Favorit hatte große Mühe, sich den aufmüpfigen Gegner zurechtzulegen. Juventus zog sich meist zurück, formierte zwei Viererketten. Der Madrider Hochgeschwindigkeitsexpress rollte langsam heran, die Zufahrtswege waren verstellt. Es dauerte knapp eine halbe Stunde, bis Real eine Verbindung Richtung Tor herstellte. Daniel Carvajal lupfte den Ball über Patrice Evra zu Rodríguez in den Strafraum, Ronaldo rauschte heran und drückte die Flanke per Kopf ins Tor (27.).

Real zerrte das Spiel jetzt langsam auf seine Seite, es verteidigte noch immer luftig, aber Madrid beschäftigte den Gegner jetzt oft genug, so dass Juventus nicht mehr auf dumme Gedanken kam. Vor allem Evra hatte mit Carvajal seine Probleme. Kurz vor der Halbzeit entwischte Reals Außenverteidiger seinem Bewacher an der Eckfahne, er initiierte einen Seitenwechsel, Iscos Flanke passierte Buffon, in der Mitte hatte Rodríguez leichtes Spiel, sein Kopfball aus drei Metern prallte - an die Latte?

Mitten hinein in Reals Drangphase ertönte das Signal zur Pause, und als beide Mannschaften die Geschäfte wieder aufnahmen, riss Juventus das Spiel prompt wieder an sich. Die Italiener parierten einen Eckball, der Ball sprang etwas glücklich zu Tévez, er eilte davon, die Nachhut (Carvajal) kam zu spät, Elfmeter. Schiedsrichter Martin Atkinson aus England sprach nur eine Verwarnung aus - allerdings für Juves Vidal, er hatte energisch für eine Bestrafung Carvajals plädiert. Tévez verwandelte sicher in die Tormitte, 2:1 (58.). Real benötigte erneut ein paar Minuten, um sich zu erholen. Der Grätschen-Anteil nahm zu, der Schmerz-Anteil ebenfalls. Chiellini sackte nach einem Kopfballduell zu Boden, er blutete heftig, kurz darauf trottete er wieder aufs Spielfeld, mit Turban. Spielerische Anteile? Nahmen ab. Real rannte an, meist ideenlos, vorne fehlte Benzema, der Prellbock. Juve hing sich recht früh in die Seile wie ein müder Boxer, die Italiener pendelten die Angriffe aus. Und blieben stehen, bis zum Schluss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: