Halbfinale der Champions League:Spektakel von galaktischem Ausmaß

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Festspiele gegen Barcelona: Die Bayern bekommen es mit Messi, Xavi & Co. zu tun. (Foto: AFP)

Bayern gegen Barcelona, Dortmund gegen Real: Europas Fußball freut sich auf zwei elektrisierende Duelle. Die Münchner erwischen mit Barça den vielleicht schwierigsten Gegner, der BVB hofft gegen Madrid auf eine Wiederholung seiner starken Auftritte in der Vorrunde - und kann sich einen Seitenhieb Richtung München nicht verkneifen.

Von Jonas Beckenkamp

Für einen Moment, so ist zumindest anzunehmen, stand in vielen Büros der Republik heute um die Mittagszeit alles still. Das lag nicht etwa an einem kurzfristig ausgerufenen Kantinenrabatt in den bundesweiten Arbeitsstätten, sondern an einer illustren Veranstaltung des europäischen Fußballverbandes Uefa in Nyon. In der Schweiz trug sich nämlich eine einmalige Auslosung zu: Erstmals in der Champions-League-Geschichte stehen jeweils zwei Vereine aus einem Land im Halbfinale - der FC Bayern und Borussia Dortmund sowie die spanischen Top-Adressen FC Barcelona und Real Madrid.

Wer nun auf wen treffen würde, darüber zerbrach sich das Fußballland seit zwei Tagen den Kopf. Selten wurde so gespannt erwartet, wie die Paarungen lauten würden, schließlich rechnen sich sowohl der BVB als auch die Münchner Chancen auf den großen Triumph im Finale in London am 25. Mai aus. Jede mögliche Konstellation versprach allein wegen der Vereinsnamen ein Spektakel von galaktischem Ausmaß.

Heynckes-Ärger nach Champions-League-Auslosung
:"Ich habe noch nie jemanden konsultiert"

Jupp Heynckes reagiert angesäuert auf den Vorschlag, sich für das Barcelona-Spiel bei Guardiola zu informieren. Matthias Sammer ist zuversichtlich, auch wenn bei der Champions-League-Auslosung Hoeneß' Traum von einem Halbfinal-Duell mit Dortmund ausblieb. BVB-Chef Watzke freut sich auf das Spiel gegen Real Madrid.

Als die Losfee Ruud van Nistelrooy dann als erste Kugel den FC Bayern zog, zuckte die versammelte Elite des europäischen Fußballs kurz zusammen. Die Münchner haben sich durch ihre Auftritte in dieser Saison erheblichen Respekt erarbeitet - ob sie jedoch glücklich darüber sind, dass ihnen mit dem FC Barcelona der wohl schwerste Gegner zugeteilt wurde, bleibt fraglich. Das zweite Halbfinale lautet entsprechend Dortmund gegen Real - ein deutsches Duell gibt es vorerst nicht.

Gegen das zuletzt etwas anfällige Kunst-Ensemble Barças tritt die Elf von Trainer Jupp Heynckes am 23. April zunächst vor eigenem Publikum an, am 1. Mai steigt dann das Rückspiel im Nou Camp. Auch der BVB muss zuerst daheim (24. April) ran, ehe es eine Woche später (30. April) nach Madrid geht.

Dass die spanischen Klubs zunächst in der Fremde gefordert sind, darf durchaus als kleiner Vorteil gelten, denn so können sie bei negativem Ausgang im Hinspiel noch alles umbiegen. "Ich freue mich auf die Spiele", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge unmittelbar nach der Geheimnislüftung. "Das ist die Mannschaft, die in den letzten Jahren am erfolgreichsten war. Das wird extrem schwer und hoch spannend. Jetzt kann und muss unsere Mannschaft zeigen, ob sie sich mit Barcelona messen kann." Barcelona, das ist sicherlich der Gegner, den die Münchner am meisten fürchten müssen.

Die Erinnerungen an das verstörende 0:4 im Jahr 2009 dürfte noch in den Köpfen stecken, damals läutete eine katastrophale Vorstellung des Rekordmeisters das Ende der Trainer-Ära von Jürgen Klinsmann ein. Auch Rummenigge dachte gleich an jenes Aufeinandertreffen im Viertelfinale zurück. "Ich kann mich an die beiden letzten beiden Spiele erinnern, da haben wir in Barcelona unser Waterloo erlebt." Nach dem 0:4 im Hinspiel folgte ein 1:1, Bayern schied aus.

Doch heute befinden sich die Bayern in deutlich besserer Verfassung, vielleicht sind sie sogar so gut wie nie - ähnlich positiv sieht es auch der Bayern-Boss: "Das ist eine Chance zu zeigen, dass Bayern München seit 2009 besser geworden ist und wir uns mit der besten Mannschaft messen können. Das wird ein interessanter Vergleich zwischen der Bundesliga und der Primera Division. Es gibt in keinem Spiel einen klaren Favoriten", sagte Rummenigge.

Genauso zuversichtlich äußerte sich auch Sportvorstand Matthias Sammer: "Es ist ein nettes Los. Das ist eine wunderbare Mannschaft. Es ist ein langer Zeitraum gewesen, in der diese Mannschaft den Fußball beherrscht hat. Aber Bayern München hat sich entwickelt, ich bin total optimistisch."

FC Bayern in der Einzelkritik
:Wachsam wie Bambi auf der Waldlichtung

Torwart Manuel Neuer fehlen noch ein paar graue Haare zum Rentner-Status, Philipp Lahm arbeitet sich erfolgreich an seinem Italiener-Trauma ab und Arjen Robben schießt erst Richtung Groningen und dann an den Pfosten - bei Mario Mandzukic wechseln sich Ärger und Freude ab. Die Bayern beim 2:0 gegen Juventus Turin in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Trotz aller Demütigungen in der Vergangenheit spricht die Bilanz gegen die Katalanen noch knapp für die Münchner. Aus sechs Spielen im Europapokal holte man drei Siege und ein Unentschieden, zwei Spiele gingen verloren. Im K.o.-Duell setzten sich die Münchner zudem im Uefa-Cup-Halbfinale 1996 durch (2:2/2:1).

Und nicht nur statistisch begegnet der gerade gekürte deutsche Meister den manchmal außerirdisch gut aufspielen Messis, Xavis und Iniestas durchaus als ebenbürtiger Widersacher. Dass dies auch in Barcelona so interpretiert wird, verdeutlicht die Schlagzeile des Sportmagazins Mundo Deportivo an diesem Freitag: "Bayern wartet in außergewöhnlicher Form auf Barcelona", hieß es dort nach der Auslosung.

Hochachtungsvoll deklinieren die Berichterstatter in Spanien auf diversen Onlineseiten die Dominanz der Deutschen durch. Auch Barça, das im Viertelfinale beim 2:2 und 1:1 gegen Paris St. Germain gehörig durchgerüttelt wurde, hätte sich vermutlich lieber einen anderen Kontrahenten gewünscht. Nicht ganz unproblematisch ist zudem, dass Messi nach seiner Oberschenkelverletzung gegen PSG gehandicapt sein könnte.

Für die Münchner Nationalspieler Lahm und Schweinsteiger sind die Katalanen dagegen ein echter Wunschgegner. Nachdem sich beide im Viertelfinale gegen Juventus schon erfolgreich an ihrem Italien-Trauma (WM-Aus, EM-Aus) abarbeiteten, steht nun endlich Vergangenheitsbewältigung gegen die international dominierenden Spanier an. Xavi, Iniesta & Co. zu besiegen, wäre nach den Enttäuschungen mit dem DFB für die Münchner mit Sicherheit eine willkommene Wiedergutmachung.

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:Gomez wirkt wie auf dem Absprung

Bayern-Stürmer Mario Mandzukic ist im ersten Halbfinale der Champions League gelbgesperrt, eine Chance für Mario Gomez, sollte man meinen. Doch Trainer Jupp Heynckes wechselte lieber Claudio Pizarro ein. Und so fremdelt der Nationalstürmer immer stärker in diesem eingespielten Team.

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Ein wohliges Gefühl herrschte auch beim BVB über das Los Real Madrid. Für die Dortmunder ist allein das Dabeisein in diesem Halbfinale der Schwergewichte schon eine Riesensache - zudem sah die Borussia gegen die Spanier bereits in der Vorrunde sehr gut aus: Einem 2:2 im Bernabeu folgte ein beeindruckendes 2:1 vor eigener Kulisse. "Wir sind mit dem Los glücklich, denn wir wollten einen internationalen Gegner haben", sagte dementsprechend optimistisch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der sich einen Seitenhieb gegen die Bayern nicht verkneifen konnte. "Es tut mir leid, dass Uli Hoeneß' Wunsch, gegen uns zu spielen, nicht hingehauen hat."

Der Bayern-Präsident hatte vor der Auslosung verkündet, dass er den BVB für das machbarste Los hielt, woraufhin Dortmunds Sportdirektor ihm in der Bild-Zeitung "Sabbelei" unterstellte. Dass seine Mannschaft gegen Real mit weniger Druck antritt, bestätigte nun auch Watzke: "Wenn wir das Hinspiel halbwegs ordentlich beenden, werden wir im Rückspiel Räume haben, von daher sehe ich das gar nicht so problematisch. Wir können jetzt sowieso nur noch viel gewinnen und nichts mehr verlieren. Von daher ist das eine komfortable Situation."

Alles eine Frage der Erwartungen also, denn die Dortmunder haben schon viel erreicht. Sie besiegten in dieser Saison bereits die Meister aus Spanien, England, Holland und der Ukraine - nicht von ungefähr adelte selbst Real-Trainer José Mourinho Jürgen Klopps Team nach den Spielen in der Vorrunde: "Sie spielen sehr schnelle Konter, haben sehr gute und technisch starke Spieler. Wenn sie ins Achtelfinale kommen, dann ist die Mannschaft ein großer Favorit auf den Titel."

Gegen die "Königlichen" will der Ruhrpottklub den international ohnehin sehr überzeugenden Vorstellungen jetzt noch ein weiteres Highlight hinzufügen. "Ich freue mich, dass jetzt klar ist, auf wen wir treffen. Jetzt wird Fußball gespielt! Dass Real Madrid ein schwerer Gegner ist, muss ich nicht betonen - er ist von den drei möglichen Kontrahenten aber der einzige, den wir in dieser Saison schon einmal geschlagen haben", erklärte Klopp. Komplimente von Mourinho, freudige Erwartung auf das Halbfinale - und dazu noch eine soeben verkündete Haartransplantation. Für Jürgen Klopp passte auch an diesem denkwürdigen Tag vieles zusammen.

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