Champions League:Real hat, was Bayern fehlt

  • Real Madrid muss nach dem 2:1 gegen Bayern harte Urteile über sich ergehen lassen, die Mannschaft hätte zu viele Chancen ermöglicht und glücklich gewonnen.
  • Dabei vermittelt Real im Gegensatz zu Bayern das Gefühl, bei jedem ernsthaften Angriff ein Tor erzielen zu können.
  • Es ist die Qualität der Spieler von Real, dass sie immer zulegen können, wenn sie müssen.

Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Cristiano Ronaldo musste diesen Pfiff als großes Unrecht wahrgenommen haben, das sagte sein Blick, das sagten seine Gesten. Er schrie, er hüpfte auf der Stelle, er deutete auf seine Schulter, alles an ihm sagte: kein Handspiel! Schließlich, als er ahnte, dass seine Proteste zu nichts führten, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, mal wieder, so schien es, benachteiligt von höheren Mächten. Die Wahrheit war: Natürlich hatte er den Ball in dieser 71. Minute mit der Hand angenommen. Und natürlich hatte Schiedsrichter Björn Kuipers recht, dass er Ronaldos folgenden Treffer nicht gab.

Die Szene konnte also stehen für Ronaldos schauspielerische Begabung, aber sie stand für weit mehr als das: Sie war ein Beweis dessen, was Real Madrid vom FC Bayern unterschied an diesem Mittwochabend.

Real vermittelte das Gefühl, bei jedem Angriff ein Tor erzielen zu können

Ronaldos Team hat ja einige harte Urteile über sich ergehen lassen müssen nach diesem 2:1 (1:1) im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals. Dass die Spieler außergewöhnlich viele Chance ermöglicht hätten. Dass sie außergewöhnlich schwach gewesen seien. Dass sie sehr, sehr, sehr glücklich gewonnen hätten. Die Einschätzungen kamen vom Trainer des FC Bayern und den Spielern, Thomas Müller mutmaßte hinterher: "Ich denke, Real Madrid sitzt in der Kabine, weiß selber nicht, wie die das Spiel 2:1 gewonnen haben."

Real-Trainer Zinedine Zidane saß dann nach dem Spiel nicht nur in der Kabine, sondern auch in der Pressekonferenz. Und er wusste schon, wie die Mannschaft das Spiel gewonnen hatte. Er lobte seine Spieler: den Torhüter Keylor Navas etwa, der in der zweiten Halbzeit zwei, drei Paraden auspackte. Oder den eigentlichen Offensivspieler Lucas Vazquez, der nach Dani Carvajals Verletzung als Rechtsverteidiger eingesprungen war. Vor allem aber sagte er zwei interessante Sätze. Der erste: "Wir sind schlecht gestartet, aber haben das Spiel gut beendet." Der zweite: "Sie hatten ihre Chancen, aber wir haben das Spiel kontrolliert."

Stimmt: Real hat nicht durchweg ausgesehen wie eine Mannschaft, die zum dritten Mal in Serie den Champions-League-Titel gewinnen könnte. Die Bayern tauchten vier, fünf Mal gefährlich vor Reals Tor auf. Aber im Gegenschnitt zeigte sich der Unterschied zwischen den Teams. Real vermittelte das Gefühl, bei jedem ernsthaften Angriff ein Tor erzielen zu können. Vor dem 1:1 wechselte Sergio Ramos per Diagonalball den Flügel, woraufhin Carvajal direkt in die Mitte köpfte. Dort rauschte Marcelo heran und traf wuchtig. Vor dem 2:1 setzten sie Rafinha unter Druck und spielten den Konter so aus, wie man es von ihnen erwartet. Und als Ronaldo - ansonsten sehr unauffällig - den Ball später mit der Hand annahm, traf er aus einem Winkel, aus dem nicht viele andere Fußballer treffen.

"Wir haben es halt zwei Mal zu Ende gebracht"

Man kann es sich leicht machen mit Real; man kann schon sagen, dass sie im Viertelfinale 2017 gegen Bayern von einigen Schiedsrichter-Entscheidungen profitiert haben. Dass sie sich im Viertelfinale 2018 gegen Juventus erst durch einen Elfmeter in der Nachspielzeit gerettet haben. Dass sie im Halbfinale 2018 einige Angriffe auf ihr Tor haben laufen sehen. Aber man kann es auch so sehen: dass genau darin kein Glück besteht, sondern die Qualität von Real; dass sie immer zulegen können, wenn sie müssen, dass sie als eine Art Landesmeister der Effizienz durch den Wettbewerb tingeln. Und dass sie auf keinem schlechten Weg sind, 2018 den dritten Titel in Folge zu holen.

Reals Mittelfeldspieler Toni Kroos sprach hinterher mit der Gelassenheit eines Mannes, der wusste, dass der Abend gut gelaufen war. "Das war schon ein hartes Stück Arbeit für uns", sagte er und richtete ein Lob an die früheren Kollegen: "Bayern hat es über weiter Strecken gut gemacht". Natürlich sei das Ergebnis "etwas glücklich". Aber den entscheidenden Satz sprach er voller Lakonik aus: "Wir haben es halt zwei Mal zu Ende gebracht." So einfach war das.

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