Halbfinale der Australian Open:Die Gala fällt aus

Tennis Australian Open 2014

Roger Federer: Machtlos gegen Rafael Nadal

(Foto: dpa)

Überlegen rauscht Rafael Nadal ins Finale der Australien Open, fast unterhaltsamer als das Tennis sind die Scharmützelchen zwischendurch. Im Anschluss versucht der unterlegene Halbfinalgegner Roger Federer, den Spanier noch ein bisschen zu triezen.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Auf einmal setzte doch eine ungewohnte Aufregung ein, die Menschen in Melbourne sind ja nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Selbst wenn sie anstehen müssen, und das passiert im Grunde ständig, tun sie das entspannt. Nun aber wollte doch so ziemlich jeder seine Fish&Chips rechtzeitig aufgegessen und sein letztes Bier getrunken haben, um pünktlich in der Rod Laver Arena zu sein. Im Fernsehen liefen schon den ganzen Tag über Werbespots, die von dem Höhepunkt an diesem Abend kündeten, schnell wurden Fotos hier und da geschossen, japanische Touristen ließen sich an einem Stand die Schweizer Flagge auf die Backen malen, und Yannick Noah, der frühere Tennisprofi und stets lässige Lebemann, raunte einem Bekannten zu: "Wird ein großes Match." Roger gegen Rafael, Federer gegen Nadal, zwei Könner ihres Sports baten zur Gala, so wurde das aufgefasst.

Dann aber fiel die Gala weitgehend aus. Und die Swiss Open findet auch nicht statt. "Ich wünschte, ich hätte gewonnen und das Schweizer Finale möglich gemacht", sagte später Federer, der dem Spanier bei der 6:7 (4), 3:6, 3:6-Niederlage im Halbfinale der Australian Open nicht viel entgegenzusetzen hatte. Stanislas Wawrinka, dieser Kraftmeier aus Lausanne mit dem krachenden Aufschlag, Federers Landsmann und Berufskollege, muss nun mit Nadal klarkommen, am Sonntag in seinem allerersten Grand-Slam-Endspiel.

"Ich hoffe, er gewinnt", sagte Federer und positionierte sich eindeutig, "es gibt keinen Grund, warum er nicht daran glauben sollte, Rafa zu schlagen." Vielleicht, weil Wawrinka gegen Nadal in zwölf Partien bislang kein Mal obsiegte, ja nicht mal einen Satz gewann? "Diese Statistik spricht gegen ihn, aber bei vielen Spielern ist das so", sagte der 32-Jährige aus Basel und betonte: "Der Druck liegt ganz klar auf Rafas Seite." Das Halbfinale mag Federer verloren haben, aber nun galt es, seinem Freund einen Dienst zu erweisen: ihn zu stärken - und Nadal vielleicht ein bisschen zu triezen, wenn das denn geht. Im Match schließlich hatte der dies auch mit ihm getan, und nicht nur auf sportliche Weise.

Mit dem ersten Aufschlag setzte Nadal 41 Punkte bei 59 Versuchen um, mit dem zweiten Aufschlag gelang ihm ebenfalls eine Quote von 73 Prozent (22 von 30). Nur 25 leichte Fehler unterliefen der Ballmaschine aus Mallorca, Federer patzte 50 Mal, viel zu viel in einer Partie auf solchem Niveau. "Ich hatte gehofft, dass ich mit einer Führung im ersten oder zweiten Satz endlich freier aufspielen kann", verriet der Verlierer, der zu Beginn des zweiten Satzes eine zweite Ebene der Rivalität zu Nadal, die bereits 33 Duelle beinhaltet, offenbarte: In einem Gespräch mit dem Schiedsrichter beklagte er das laute Stöhnen Nadals beim Spielen, auch in der Nachbetrachtung stand der Schweizer zu seinem Einwand. "Rafa macht das nicht bei jedem Punkt. Aber es passiert in Phasen. Darüber habe ich mich beschwert." Den Ausgang des Matches habe dies nicht beeinflusst, ergänzte Federer, der damit aber nicht verhindern kann, dass die nicht neue Debatte um Nadal mal wieder aufkeimt.

Der Beschuldigte selbst zeigte sich indirekt geständig, "es tut mir leid, falls ich jemanden gestört habe", versicherte Nadal mit ernster Miene, "aber wenn ich schlage, ist das Letzte, woran ich denke, den Gegner zu stören." Überhaupt, merkte er an, habe ihm in seiner Karriere noch nie jemand etwas deswegen gesagt, was wohl charmant geflunkert gewesen sein dürfte.

"Rafa macht ja heute einen viel besseren Job als früher", hatte Federer höchstselbst noch in die Presserunde geworfen; Nadals ewiges Hinauszögern, ehe er aufschlägt, ist berüchtigt und wird von den Schiedsrichtern trotz klarer Zeitregeln nur selten geahndet; das Problem des Stöhnens ist ohnehin schwieriger zu greifen, auch an diesem Freitag wurde keine Lösung gefunden.

Spannung ohne Federer

Immerhin, im Nachhinein war dieses Scharmützelchen spannender als etwa der dritte Satz, durch den Nadal in 38 Minuten gerauscht war, weiter unermüdlich die diesmal wacklige Rückhand Federers anspielend. Manchmal ist das ja nicht immer zu durchschauen, was Profis aufrichtig meinen, jeder Gegner ist der Schwierigste, jeder Gegner gut, so klingt das sehr oft. An diesem Abend hat zumindest Federer einen kleinen Blick hinter die Kulissen zugelassen. Als eine Art Botschafter darf er sich diese Kritik wohl auch erlauben.

Unter Federers Niederlage hat nun besonders auch ein Zockerfreund zu leiden, der laut Medienberichten gerade noch 30 000 australische Dollar (20 000 Euro) auf den wiedererstarkten Schweizer platziert hatte. Dessen überzeugende Siege in den Runden eins bis fünf, die wiedererlangte Fitness nach Rückenproblemen im vergangenen Jahr und Stefan Edberg als neuer Trainer - diese Gemengelage hatte aber nicht nur Außenstehende positiv gestimmt.

"Das alles ist sehr ermutigend", unterstrich Federer, "ich habe ja eine weite Strecke bis hierhin zurückgelegt." Als Leistungssportler allerdings musste er sich in diesem Moment dann doch noch kurz ärgern, das Treffen mit Wawrinka verpasst zu haben. "Das werde ich für den Rest meines Lebens bedauern", gab er zu.

Dass Nadal seinen Finalgegner unterschätzen wird, weil er ihn bislang noch jedes Mal filetiert hatte, ist auszuschließen, "er spielt von Jahr zu Jahr besser", lobte der Weltranglisten-Erste, der auch die Erfolge Wawrinkas gegen Novak Djokovic und Tomas Berdych am Fernseher verfolgt hatte. "Wir spielen jetzt ein Grand-Slam-Finale, das ist ein völlig anderes Match als alles, was ich bisher gegen ihn bestritten habe ", erklärte Nadal.

Sein Respekt gegenüber Wawrinka war zu spüren. Und sicherlich hat er auch vernommen, dass der Schweizer, der Landsmann Federer erstmals in der Weltrangliste überholen wird, nicht nur sein Spiel entscheidend verbessert hat. "Ich denke, ich weiß inzwischen auch besser, mit dem ganzen Druck umzugehen", das hatte Wawrinka zu seiner außergewöhnlichen Entwicklung in den vergangenen zwölf Monaten gesagt.

Sonntag, Rod Laver Arena, 19.30 Uhr Ortszeit. Keine Swiss Open also. Und trotzdem dürfte es noch ein letztes Mal aufregend werden im Melbourne Park. Auch ohne den unvergleichlichen Federer.

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