Süddeutsche Zeitung

Halbfinal-Aus bei Frauenfußball-WM:Viel zu brav für Vancouver

Lesezeit: 2 min

Von Maria Kurth

Nadine Angerer zwang sich, ein Lächeln zu präsentieren. Und tapfer ins Mikrofon zu sprechen. Gerade hatte die deutsche Elf das WM-Finale verpasst, "wir sind alle traurig, aber so ist der Sport", sagte Angerer, und schickte sofort höfliche Grüße hinterher: "Jetzt wünschen wir den Finalisten erst einmal ein schönes Endspiel und uns ein schönes Spiel um Platz drei." Zum Lächeln zu Mute war Angerer freilich nicht: Statt in Vancouver, dem Finalspielort, geht es für die Deutschen nun nach Edmonton. Dort endet nun ihre Karriere als Torfrau der DFB-Elf - ohne pompösen Abtritt.

0:2, das prangte nach dem Halbfinale gegen die USA auf der Anzeigetafel im Olympiastadion von Montréal. Große Hoffnungen hatte sich das Team von Silvia Neid aufs Endspiel gemacht, doch dafür waren die Spielerinnen gegen die Amerikanerinnen vor allem eines: Viel zu brav.

US-Torhüterin Hope Solo spürte die deutsche Zurückhaltung am meisten. Sie erlebte für ein WM-Halbfinale so wenig, dass sie - statt im Tor zu stehen - auch mit den lärmenden USA-Fans Selfies hätte schießen können. Bundestrainerin Neid analysierte die Chancenarmut der Deutschen so: "Unser Problem war, dass wir nach vorn, in deren Abwehrdrittel, nicht gut gespielt haben und dadurch wenige Chancen hatten." Anja Mittag war für diese wenigen Gelegenheiten zuständig - sie setzte aber sowohl ihren Kopfball als auch ihren Distanzschuss neben das Tor.

Die USA hingegen machten in der ersten Hälfte das, wofür sie gemeinhin stehen: selbstbewusst auftreten. Angriff um Angriff rollte auf das deutsche Tor zu, "der ICE kam in der ersten Hälfte tatsächlich angerauscht", sagte Angerer. Einzig sie verhinderte mit ihren tollen Paraden einen frühen Gegentreffer. Oder zwei. Oder drei. Während die US-Spielerinnen stürmten, kamen die Deutschen im Mittelfeld oft den entscheidenden Schritt zu spät, wirkten behäbig.

Die Elf von US-Trainern Jill Ellis überzeugte nicht nur physisch, sondern - und das war die vielleicht größte Überraschung - vor allem technisch.

Erst nach der Pause wurde Deutschland besser, in der 59. Minute wäre sogar die Führung möglich gewesen: Nach einem Foulspiel an Alexandra Popp zeigte die Schiedsrichterin zum Elfmeterpunkt. Célia Šašić, bisher sichere Verwandlerin, setzte den Schuss allerdings neben das Tor. US-Torfrau Solo hatte den Strafstoß lange herausgezögert und die deutsche Angreiferin damit wohl ins Grübeln gebracht. Nicht nett, aber effektiv. "Das ist natürlich bitter für Célia, aber so ist das eben im Sport", sagte Neid.

Zehn Minuten später erhielten die USA auf der Gegenseite ebenfalls einen Elfmeter. Angerer blieb fair, verzichtete auf jegliche Spielchen und Lloyd, die später auch noch das 2:0 durch Kelley O'Hary vorbereiten sollte, verwandelte sicher zum 1:0.

Diese Szenen verdeutlichten die Unterschiede der zwei Teams. Nach ihrem elfmeterwürdigen Foul an Alexandra Popp gestikulierte Julie Johnston wie wild und beschwerte sich lautstark bei Schiedsrichterin Teodora Albon. Auf der Gegenseite brachte Annike Krahn die US-Angreiferin Alex Morgan zu Fall - außerhalb des Strafraums. Albon entschied zu Unrecht auf Strafstoß, doch die Proteste hielten sich in Grenzen. Die USA leben von ihrer Leidenschaft, Deutschland von seiner Taktik - der unermüdliche Kämpfer auf der einen, der analysierende Stratege auf der anderen Seite. Im Halbfinale siegte die Leidenschaft.

Neid hatte bereits vor der Partie gewusst, dass bei diesem Halbfinale zwei Mentalitäten aufeinanderprallen würden. Die Amerikanerinnen würden sich vor jedem Spiel für die Größten halten, hatte die Bundestrainerin im Vorfeld gesagt. Selbstbewusstsein, das ihr Team vermissen ließ. Und dennoch betonte Neid: "Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben." Auch das letzte Spiel wolle man nun erfolgreich gestalten. Angerer vielleicht am meisten.

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