Süddeutsche Zeitung

Haftentlassung von Uli Hoeneß:Das ging aber schnell

Dass Uli Hoeneß nur die Hälfte seiner Strafe absitzen muss, ist außergewöhnlich. Plötzlich spielt auch seine Selbstanzeige wieder eine Rolle.

Von Annette Ramelsberger

Er hatte es ja gesagt: "Ich komme wieder. Das war's noch nicht!" Uli Hoeneß rief das im Mai 2014 den Mitgliedern des FC Bayern zu, voller Trotz, Wut und Verletztheit, bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Vereins in München. Für ihn war völlig klar, dass er zurückkommt - trotz der Anklage, trotz der Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Keine sechs Wochen lag das Urteil damals zurück und der Prozess, bei dem Hoeneß unter den Augen der Öffentlichkeit als Straftäter vor Gericht stand. Vier Tage lang, in denen nicht er die Regeln bestimmte, er, der sonst immer alles bestimmte. Vier Tage, die ihm schwer zusetzten und aus der Lichtgestalt den vorbestraften Hoeneß machten.

Und dann trat Hoeneß vor die Seinen und kündigte an: "Wenn ich zurück bin, werde ich mich nicht zur Ruhe setzen." Damals hatten das die meisten für Unsinn gehalten, für ein Pfeifen im Walde.

Doch nun ist es so weit: Hoeneß, der frühere Präsident des FC Bayern, wird am 29. Februar aus der Haft entlassen - nachdem er nur die Hälfte der dreieinhalb Jahre Strafe verbüßt hat. Am 2. Juni 2014 hatte er seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Landsberg angetreten.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg hat am Montag entschieden, dass für Hoeneß ganz außergewöhnliche Gründe sprechen, um ihm diese sehr seltene Reduktion der Strafe zu gewähren. Das Gericht zeichnet geradezu das Bild eines Muster-Häftlings. Der Verurteilte sei "trotz seiner Position" stets bereit gewesen, sich in die Gefangenengemeinschaft zu integrieren.

Bei seinen zahlreichen Ausgängen als Freigänger und auch bei Besuchen seiner Familie sei es nie zu Beanstandungen gekommen. Und: "Sein sozialer Empfangsraum" stelle sich "äußerst günstig" dar. Was aus dem Juristendeutsch übersetzt bedeutet: Seine Familie hält zu ihm, er kann in sein Haus am Tegernsee zurückkehren, er wird nicht in Armut fallen und der FC Bayern hat ihm bereits Anfang 2015 einen Job in der Nachwuchs-Abteilung des Vereins geschaffen. Dort arbeitet Hoeneß bisher tagsüber als Freigänger, nur während der Woche muss er die Nächte im Freigängerhaus der Justizvollzugsanstalt Landsberg verbringen. Wie sagt Claus Pätzel, der Sprecher des Landgerichts Augsburg: "Hoeneß kommt ins gemachte Nest zurück."

Die Staatsanwaltschaft München hatte sich ausdrücklich gegen eine frühe Freilassung gewehrt

Dass jemand schon nach der Hälfte der Strafe freikommt, ist außergewöhnlich in Deutschland. Üblich ist, dass ein Straftäter, der nicht vorbestraft ist und zum ersten Mal in Haft sitzt, nach zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung freikommt. Das wäre bei Hoeneß erst im Oktober der Fall gewesen. Seine Anwälte hatten den Antrag auf Haftentlassung nach der Halbstrafe im Dezember gestellt. Die Staatsanwaltschaft München hatte sich ausdrücklich gegen eine so frühe Freilassung gewehrt. Für sie ist Hoeneß kein außergewöhnlicher Fall. Für die Augsburger Richter schon.

Die verweisen auf "erhebliche Besonderheiten" des Falles. Hoeneß sei nicht nur in vorgerücktem Alter und deswegen besonders haft-empfindlich. Er habe auch den gesamten, von ihm durch die Steuerhinterziehung angerichteten Schaden wiedergutgemacht, insgesamt 43 Millionen Euro, die zusammenkamen. Verurteilt worden war Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro. Er hatte angekündigt, "unter Aufbietung aller Kräfte", das Geld umgehend zurückzuzahlen. Das ist nun offenbar geschehen.

Und die Juristen holten nun auch seine Selbstanzeige hervor, die ihm im Strafprozess so gar nichts geholfen hatte. Richter Rupert Heindl, der Hoeneß am 14. März 2014 verurteilte, hatte diese Selbstanzeige in der Luft zerrissen und Hoeneß ins Gewissen geredet. Diese Selbstanzeige habe gar nichts werden können, sagte Heindl damals, denn Hoeneß hatte nicht die nötigen Unterlagen dafür. Er habe das gewusst und es halt einfach drauf ankommen lassen. Und es sei daneben gegangen. Die Augsburger aber werten nun die Selbstanzeige als ein Argument, das für Hoeneß' guten Willen spricht: So habe er sich letztlich durch die Selbstanzeige selbst den Ermittlungen ausgeliefert. Wenigstens hat ihm die Selbstanzeige, die er mit seinem Steuerberater und einem Freund von der Steuerfahndung in zwei Adrenalin-geschwängerten Nächten verfasst hatte, nun ein paar Monate Haft erspart.

Die Richter von Augsburg kramen jedenfalls alles zusammen, was für Hoeneß spricht: die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, das "Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes", sprich: wie die Öffentlichkeit reagiert, wenn der Steuerhinterzieher rückfällig werden sollte.

Das Gericht hat Hoeneß drei Jahre Bewährungszeit auferlegt und formuliert das so, als ob die Haftentlassung nur vorläufig wäre: Es könne "verantwortet werden, zu erproben, ob sich der Verurteilte künftig straffrei führen wird", heißt es da in höchster juristischer Zurückhaltung. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache: Hoeneß ist ab dem 29. Februar frei. Er muss lediglich melden, wenn er den Wohnsitz wechselt. Das dürfte zu verkraften sein. So kann Hoeneß von März an wieder loslegen. Und es gibt nur noch wenige, die daran zweifeln, dass er dorthin zurückstrebt, von wo er gekommen war: an die Spitze des FC Bayern. Wer sollte sich ihm schon entgegenstellen?

Hoeneß sagte, kurz bevor er in Haft ging, bei jener legendären Hauptversammlung des FC Bayern, er habe ein Gefühl an sich entdeckt, das er vorher nicht kannte: Hass. Hass aber sei kein guter Ratgeber. Er versuche, dieses Gefühl wieder aus seinem Kopf herauszubringen. In der Haft hatte er dazu Zeit. Wie er damit nun in Freiheit umgehen wird, das kann sich auch auf seinen Verein entscheidend auswirken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2823454
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.01.2016/ska
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.