Hängende Spitze:Schäuble nach Mailand, Gomez ins Parlament

Die Politik sollte sich mehr am internationalen Profifußball und an dessen Strukturen orientieren - dann wäre sie wieder erlebbar.

Von Philipp Selldorf

Max Weber lehrte vor knapp 100 Jahren in seinem Buch "Politik als Beruf", der moderne Politiker lebe nicht nur für die Politik, sondern auch von ihr. Die Regeln für Politikbedienstete sind heute quasi die gleichen wie zu Webers Zeiten: Man tritt einer Partei bei, arbeitet sich in der Partei nach oben, verteidigt seinen Platz gegen andere Parteimitglieder - der Wettkampf mit dem politischen Gegner ist leichter als der mit dem Parteifreund. Dass Politiker an Parteitreue und weltanschauliche Herkunft gefesselt sind, ist ein Konzept aus der historischen Vergangenheit. Die Politik sollte sich deshalb am internationalen Profifußball und an dessen Strukturen orientieren, speziell am Transferwesen.

Die Partei agierte dann wie ein Verein, der Politiker wie ein Spieler. Wechselbeschränkungen bestehen lediglich durch individuell festgelegte, befristete Verträge. Nationale Grenzen, ein Relikt des 20. Jahrhunderts, verschwinden. Ein freier Arbeitsmarkt für Politiker setzt Anreize, er lockt Talente aus der Wirtschaft an und wäre ein Mittel gegen Politikverdrossenheit. Politik wäre wieder erlebbar, wenn zum Beispiel Horst Seehofer für eine hohe Ablöse zur SPD wechselte, während Sigmar Gabriel für eine weniger hohe Ablöse in die italienische Opposition transferiert würde.

Mal gäbe es Wechselgerüchte um Wolfgang Schäuble (Madrid?, Mailand?), mal würden die cleveren Grünen einen talentierten holländischen Fahrradfritzen verpflichten. Auch für die FDP gäbe es wieder Hoffnung (chinesischer Investor!). Zudem würde das anachronistische Modell des stillen "Parteispenders" von Sponsoren abgelöst, die ihre Geschäftsinteressen offen formulieren dürfen ("Dieser Parteitag wird ihnen präsentiert von . . ."). Und warum sollten Politiker im Bundestag keine Werbung am Anzug tragen? Zwischen Fußball und Politik sollte es keine Barrieren geben. Wenn Mario Gomez mit Wolfsburg nicht in den Europacup kommt, kann er seine Klausel ziehen und für die CDU ins Straßburger Plenum wechseln.

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