Süddeutsche Zeitung

Hängende Spitze:Provoziert ohne Brüste und Flüchtlinge

Manche mögen das ja, wenn sie ausgepfiffen werden, egal ob auf dem Platz oder in den sozialen Netzwerken. Jüngstes Beispiel dafür: der von Red Bull Salzburg gekommene Martin Hinteregger, der jetzt in Augsburg spielt.

Von Claudio Catuogno

Buuuuuuuuuuuuh! Manche mögen das ja, wenn sie ausgepfiffen werden, egal ob auf dem Platz oder in den sozialen Netzwerken, wo das gute alte Pfeifkonzert oft nicht weniger schrill daherkommt, aber Shitstorm heißt. Am Freitag schrieb zum Beispiel die sog. Schauspielerin Sophia Thomalla auf Twitter: "Kleine Titten sind wie Flüchtlinge: Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht." Hui, da stürmte es los, und wenn man Thomalla richtig verstanden hat, war es das, was sie erreichen wollte: "Leute, Leute . . . 2000 Follower mehr in 45. min, nur mit Titten und Flüchtlingen", mahnte sie jedenfalls eine Stunde später - und erklärte den tendenziell widerwärtigen Beitrag zum Kunstprojekt: "Ein Experiment und mal bewusst provoziert. Wir wollten sehen, wer tatsächlich allen Ernstes denkt, das das ernst gemeint war . . . Wahnsinn."

Mal abgesehen davon, dass jemand Frau Thomalla mal erklären sollte, wann es "dass" und wann "das" heißen muss, darf man den Vorgang als billige Marketingnummer abtun. Schlagzeilenmäßig hat es sich jedenfalls gelohnt, "Sophia Thomalla provoziert mit Brüsten und Flüchtlingen", schrieb welt.de sehr empört.

Wer "bewusst provoziert", muss mit den Folgen leben, das weiß jetzt auch der österreichische Abwehrspieler Martin Hinteregger. Der sollte im Sommer nach zehn Jahren bei Red Bull Salzburg zur Leipziger Dependance des Konzerns wechseln - ging aber lieber zum FC Augsburg, weil er findet, dass der RB-Sportchef Ralf Rangnick den Fußballstandort Salzburg "systematisch kaputt macht", indem er die besten Talente in den deutschen Osten abzieht. Hinteregger also: "Selbst wenn Leipzig Meister werden sollte und Augsburg absteigt, bin ich froh, dass ich nach Augsburg gegangen bin." Hui, das gab Pfiffe bei jeder Ballberührung am Samstag bei Augsburgs 1:2 in Leipzig, aber Hinteregger sagt, er habe es "genossen". Er habe sogar extra den Ball ein paar Sekunden länger gehalten.

Die Frage ist halt immer, wer pfeift und wer klatscht. Sophia Thomalla hat eher von den Falschen Beifall bekommen für ihr "Experiment". Die Schlagzeile "Hinteregger provoziert ohne Brüste und Flüchtlinge" hingegen ließ, jedenfalls bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe, erfreulicherweise auf sich warten.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2016
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