Hängende Spitze:Freiwillig in Darmstadt

Als TV-Bilder Joachim Löw am Böllenfalltor zeigten, sprach der Kommentator: "Er hatte seinen Spaß am Fußball-Pur-Erlebnis." Löw würde das wohl für eine verwegene Deutung halten.

Von Philipp Selldorf

Wahrscheinlich war es so, dass Joachim Löw nicht schon wieder nach München wollte, weil ihn das vermutlich auch langweilt, wie der FC Bayern seine Gegner aussehen lässt, als ob sie aus Gibraltar oder San Marino kommen. In San Marino war Löw schon oft genug, nämlich einmal, das Spiel ging 13:0 aus, und demnächst muss er zur WM-Qualifikation wieder hin - so überflüssig wie ein Linksverteidiger Schmelzer oder ein langer Ball von Hummels. Als Löw jetzt jedenfalls geguckt hat, wo er am Samstag ins Stadion gehen könnte, fiel ihm auf, dass das andere, na ja, Spitzenspiel in Darmstadt stattfinden sollte. Der Tabellenneunte empfängt den Tabellenfünften VfL Wolfsburg. Und bei den Darmstädtern, so hat er gehört, spielt doch dieser Sandro Wagner im Angriff, der war immerhin mal bei den Bayern. Bestimmt nicht schlecht, dieses junge Talent mal zu sehen, dachte er. Wenn mir die sogenannten Experten wieder einen Mittelstürmer aufschwatzen wollen, den Meier, den Kießling oder den Kuranyi, dann trumpfe ich mit dem Wagner auf. Schlechter als der Schürrle kann der ja auch nicht sein. Wer hat den eigentlich neulich aufgestellt?

Es heißt immer, ein Bundestrainer hätte zwei Drittel des Jahres Ferien, doch die Kenner bezweifeln das: Sie meinen, es seien drei Viertel des Jahres. Nun aber das: Löw war freiwillig in Darmstadt. Nicht auf der Durchreise mit dem ICE, sondern leibhaftig am Böllenfalltor. Komischer Stadionname, hat er sich gedacht, aber was soll's? Ist eh' schon ein verkorkstes Wochenende. Statt am Freitag wie üblich mit den Freunden in Freiburg zum Kicken zu gehen, musste er zu diesem Pflichttermin nach Dortmund. Eröffnung DFB-Museum. Laaaangweilig. Alle redeten nur über diese Geld-Geschichte und den aufdringlichen Theo Zwanziger, der immer so unappetitlich mit vollem Mund gesprochen hat, wenn er seine von der Sekretärin servierten Leberwurstschnittchen gegessen hat.

Sky hat am Samstag Bilder von Löw am Böllenfalltor gesendet, der Kommentator sprach einen Satz dazu. "Er hatte seinen Spaß am Fußball-Pur-Erlebnis in Darmstadt", sagte er. Löw würde das vermutlich für eine verwegene Deutung halten. Dann kam zum Glück der Mann vom DFB-Fahrdienst und brachte den Bundestrainer in Sicherheit.

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