Süddeutsche Zeitung

Community Shield in England:Haaland hat Hemmungen

Der Norweger fremdelt bei seinem Pflichtdebüt im Supercup gegen Liverpool in der Elf von Trainer Pep Guardiola noch - ganz im Gegensatz zu Darwin Núñez, der Jürgen Klopp seinen ersten Titel der Saison beschert.

Von Jonas Beckenkamp

In seiner Zeit als Trainer in Liverpool hat Jürgen Klopp bereits alle möglichen Pokale gewonnen, aber dieser war dann sogar für ihn etwas Neues. Unter dem Namen "Community Shield" vergeben sie in England alljährlich eine Silberscheibe, die nun erstmals seit 2006 wieder an die Anfield Road geht. Und weil Klopp beim Sammeln von Titeln selbstverständlich nicht wählerisch sein kann, nahm er auch diesen Supercup-Sieg nach einem 3:1 (1:0) gegen Manchester City mit dem gewohnten breiten Lächeln mit nach Hause.

Klopps prächtige Laune zum offiziellen Saisonstart verstärkte sich vor allem durch die Eindrücke, die er von seinen Einwechselspielern bekam. "Die haben den Unterschied gemacht", befand der Coach, "das Wichtigste war die Erkenntnis, dass die Jungs bereit sind." Insbesondere der 75-Millionen-Mann Darwin Núñez, dessen Ablöse inklusive aller Boni noch auf einen dreistelligen Millionenbetrag heranwachsen könnte, gefiel Klopp bei der Partie im King Power Stadium von Leicester. Der Uruguayer, ins Spiel gekommen nach einer knappen Stunde, holte einen Handelfmeter heraus, den Mo Salah zum 2:1 (83. Minute) verwandelte - und köpfelte im Tiefflug schließlich zum 3:1 (94.) ein.

So war die Partie, die Trent Alexander-Arnold mit seinem 1:0 (21.) eröffnet hatte, nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Citys Zugang Julian Alvarez (70.) entschieden. "Gut, sehr gut, und mit der Zeit wird er besser werden", lobte Klopp seine neue Sturm-Attraktion Darwin, als er dessen Aktionen später noch einmal auf dem Bildschirm sah. "Wir wissen alle, dass Stürmer eine besondere Gattung sind. Jeder benötigt etwas Positives, und für einen Stürmer sind es Tore und Torbeteiligungen", erklärte er.

Klopp lobt Núñez in hohen Tönen - der Uruguayer entscheidet den Supercup gegen City

Damit umriss er so ziemlich das Gegenteil dessen, was auf der anderen Seite Erling Haaland bei seinem Pflichtspieldebüt für Manchester City widerfahren war. Die Rolle des Norwegers beim Team von Coach Pep Guardiola ist fast dieselbe wie jene von Darwin in Liverpool: ein junger, athletisch kaum zu übertreffender Zielspieler, von dem sie auf der Insel nichts anderes erwarten als die Eroberung aller verfügbaren Strafräume. Doch an diesem Tag stockte der Eroberungsfeldzug des aus Dortmund geholten 22-Jährigen.

Haaland hatte Hemmungen, er verirrte sich im defensiven Dickicht der "Reds", Liverpool ließ ihn phasenweise gar nicht mitspielen. Gerade einmal 16 Ballberührungen haben die Zahlenfüchse bei ihm gezählt - ein ernüchternder Wert. Doch noch auffälliger war zunächst seine Überforderung im System Guardiolas. Während der Norweger gerne mit Siebenmeilenstiefeln in die Tiefe stürmt, herrscht bei City immer noch das Mantra des Kurzpasses. Ergebnis diesmal: Haaland rannte oft los, doch ihn erreichte kaum ein Zuspiel. Es passt noch nicht so recht zusammen, was Guardiolas Offensive fabrizierte.

Nach einer Doppelchance in der ersten Halbzeit hatte der Angreifer im Grunde nur noch eine bemerkenswerte Szene, als er in der Nachspielzeit freistehend einen Schuss an die Latte setzte. "Es ist gut für ihn, die Realität eines neuen Landes, einer neuen Liga zu sehen", so versuchte Guardiola die Erwartungen zu dämpfen, aber natürlich weiß auch er, dass das Spiel in naher Zukunft flüssiger werden muss mit dem Norweger. Dass er versuchen muss, sich mehr am Kombinationsspiel zu beteiligen. "Heute hat er nicht getroffen - beim nächsten Mal schon", lautete die Analyse des City-Coaches. Fragt sich nur, wie schnell die Umstellung klappt.

Es war nur ein Spiel, und schon am kommenden Sonntag beim Liga-Start gegen West Ham könnte Haaland einen ganz anderen Einfluss nehmen, doch es wird wohl noch einige Integrationsarbeit nötig sein. "Ich bin absolut nicht besorgt deswegen. Er wird uns helfen", sagte Guardiola, der sich zumindest mit dem Bewegungsradius Haalands zufrieden zeigte. Und überhaupt: Auf der USA-Werbetour der "Citizens" habe der Neue seine "unglaublichen" Qualitäten doch bereits bewiesen, also bitte keine unnötige Aufregung.

Im Wesentlichen wird es bei City nun darum gehen, Lauf -und Passwege abzustimmen, am Timing zu arbeiten. Wann startet der wuchtige Angreifer vorne in die Weiten der gegnerischen Hälfte, und wann muss er sich zurückfallen lassen, um mitzuhelfen, den Einschnürfußball Guardiolas aufzuziehen? Bis auf Weiteres heißt es nun aber in Sachen neuer Wunderstürmer auf der Insel: Darwin gebührt im Vergleich mit Haaland zunächst das Recht des Stärkeren, er kann "den ersten Treffer" für sich beanspruchen, wie das Boulevardblatt The Sun mitteilte.

Beim Telegraph hieß es, der City-Stürmer sei bei seinem "Unglücksdebüt" schlicht übertrumpft worden von seinem Torjäger-Rivalen aus Liverpool. Zur Freude von Jürgen Klopp, versteht sich. Der war angetan vom ersten Ausgang des Schwergewichtsduells: "Darwin wirkt sehr lebendig. Er hat sich super eingefunden bei uns. Ein junger Topspieler, der lernen will." Und ein Typ, der anders als Haaland bereits seinen ersten Titel gewonnen hat in England.

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