Fußball-WM:Brasilien feiert die Versöhnung

Fußball-WM: Zum Abschluss wird's kitschig: Neymar (r.) und Thiago Silva mit öffentlicher Versöhnungsgeste.

Zum Abschluss wird's kitschig: Neymar (r.) und Thiago Silva mit öffentlicher Versöhnungsgeste.

(Foto: AFP)

Von Claudio Catuogno, Moskau

Philippe Coutinho führte den Ball am Fuß, noch in der eigenen Hälfte, er blickte auf, einmal, zweimal. Nichts deutete darauf hin, dass nun gleich der erlösende Moment kommen würde für die Brasilianer, die Gewissheit, dass sie nicht der nächste Titelkandidat sein würden, der nach der Vorrunde nach Hause fährt. Coutinho blickte ein drittes Mal auf, dann schlug er einen langen Ball in den serbischen Strafraum hinein, und als die drei Abwehrspieler, die dort herumstanden, die Gefahr bemerkten, war es schon zu spät. Die Gefahr hieß Paulinho und ist wie Philippe Coutinho beim FC Barcelona beschäftigt. Paulinho hielt die Fußspitze in den Ball (36.), dann war er auch schon drin.

Serbien gegen Brasilien, das war ja eigentlich das Spiel, auf das auch in Deutschland viele mit Spannung gewartet hatten, im Grunde seit dem 0:1 der Nationalmannschaft gegen Mexiko - als wenigstens der zweite Gruppenplatz noch als realistisches Ziel erschien. Und dann: ein Achtelfinale gegen Brasilien? Es hätte quasi das amtliche DFB-Gegner-Ermittlungsspiel werden können am Mittwochabend im Spartak-Stadion von Moskau, wenn, ja wenn ...

Auch die Brasilianer hätten sich vor der Partie gerne schon tiefere Gedanken über das Achtelfinale gemacht. Aber dann hatte die Vorrunde auch für sie nicht gut begonnen, mit einem Remis gegen die Schweiz - und nun durften sie diese Partie nicht verlieren, um nicht noch hinter Serbien auf den dritten Rang zu rutschen. Aber anders als die Deutschen schien diese Ausgangslage die Seleção zwar durchaus in Anspannung zu versetzen, aber nicht zu lähmen.

Für die WM-Vermarkter die nächste Erleichterung: Nach Messi kommt auch Neymar weiter

Thiago Silva erhöhte in der zweiten Halbzeit noch auf 2:0 - mit diesem Resultat treffen die Brasilianer nun als Gruppensieger in Samara auf Mexiko. Die Schweiz ist nach einem 2:1 gegen Costa Rica Gruppenzweiter und bekommt es in St. Petersburg mit Schweden zu tun. Und Neymar jr., der teuerste Fußballer des Planeten, ist weiter im Wettbewerb. Für die WM-Vermarkter ist das nach dem Last-Minute-Weiterkommen der Argentinier um Lionel Messi wohl die nächste Erleichterung.

Begonnen hatte die Partie allerdings mit einem Rückschlag für die Brasilianer: Linksverteidiger Marcelo musste schon in der 10. Minute raus, bei einem Sprintversuch hatte er ein Ziehen an der Wirbelsäule verspürt, sichtlich benommen verließ er den Platz. Filipe Luis musste ihn ersetzen, der Mann von Atlético Madrid, der noch im Frühjahr länger wegen eines Wadenbeinbruchs pausiert hatte. Damit fehlen der Seleção jetzt auf beiden Seiten die etatmäßigen Außenverteidiger: Rechts hatten sich erst vor der WM Dani Alves und dann im ersten Gruppenspiel Danilo verletzt.

Serbien macht Druck, Brasilien trifft

Die erste Chance der Partie hatte Paulinho (4.): Aus nächster Distanz scheiterte er am serbischen Torwart Vladimir Stojkovic. Zwar hatte er deutlich im Abseits gestanden, aber der Ton war nun immerhin gesetzt: Alles auf Angriff. Neymar machte zwanzig Minuten später das erste Mal auf sich aufmerksam. Nachdem Gabriel Jesus bei einem Dribbling im Strafraum hängengeblieben war, übernahm Neymar den Ball - Stojkovic konnte seinen Schuss um den Pfosten lenken (24.). So ging es weiter: Wieder Jesus, wunderbar freigelaufen, diesmal zögerte er allerdings zu lange, Nikola Milenkovic bekam noch seinen Fuß in den Weg, ehe der Stürmer von Manchester City abzog (29.). Bei den Serben machte vor allem Mitrovic auf sich aufmerksam, mit einem Fallrückzieher, doch mit seinen 1,89 Metern war das eher ein schwerfälliges Unterfangen. Die Betonung lag sehr auf Fallen - der Ball segelte über den Pfosten. Zwei Minuten später führte Brasilien.

Ähnlich war es in der zweiten Halbzeit, auch da trafen die Brasilianer in einem Moment, da die Serben gerade die Kontrolle über das Spiel zu erlangen schienen: In der 61. Minute hatte der brasilianische Torwart Alisson den Ball nach einer Flanke genau auf den Kopf von Mitrovic gefaustet - er wäre ins Tor gesprungen, wenn nicht zufälligerweise noch Thiago Silva in der Flugbahn gestanden wäre. Die Serben erhöhten den Druck - wohl auch, weil sich herumgesprochen hatte, dass die Schweiz zwischenzeitlich den Ausgleich kassiert hatte.

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Aber dann trafen wieder die Brasilianer, nach einer Ecke von Neymar. Kapitän Miranda rannte zunächst im eigenen Strafraum Mitrovic über den Haufen - und dann war der Platz frei für Thiago Silvas Kopfball aus drei Metern (68.). Der serbische Trainer Mladen Krstajic empörte sich an der Außenlinie wegen des vermeintlichen Fouls. Thiago Silva lag währenddessen Neymar in den Armen. Nach dem zweiten Gruppenspiel hatte Silva noch das divenhafte Verhalten Neymars kritisiert - nun also die öffentlich zelebrierte Versöhnung. Fußball kann so kitschig sein, man muss dafür nur seine Spiele gewinnen.

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