Skeleton bei Olympia:Für Christopher Grotheer ist weniger Gold

Skeleton bei Olympia: Christopher Grotheer und Axel Jungk - zwei, die glänzend zurechtkamen im Eiskanal.

Christopher Grotheer und Axel Jungk - zwei, die glänzend zurechtkamen im Eiskanal.

(Foto: Edgar Su/Reuters)

Die deutschen Skeleton-Männer hatten noch nie ein olympisches Siegertreppchen bestiegen. Nun wird Christopher Grotheer vor Teamkollege Axel Jungk Olympiasieger - auch weil er mal was weglässt.

Von Volker Kreisl

Am Tag zuvor hatte er aufs Training verzichtet. Christopher Grotheer verlässt gerne mal das geplante Schema, hört auf seinen Körper und seine Motivation. Ergebnis des Horchens: Er fühlte sich prächtig. Vermutlich ging es nicht viel besser, also ließ er den Skeleton in der Ecke stehen.

Am Tag danach war er dann Olympiasieger. Im Eiskanal von Yanqing hatte der Athlet aus Wernigerode, startend für den BSR Oberhof, wie alle anderen noch die Läufe drei und vier zu fahren, und Grotheer hatte es richtig gemacht, sein optimales Fahrgefühl über die Nacht ins Finale zu retten. Wenige Fehler unterliefen ihm zwar doch noch, aber was soll's? Das gute Gefühl vom Donnerstag hatte ja auch seinen Grund, nämlich fast eine Sekunde Vorsprung - im Eiskanal ist das äußerst komfortabel. Praktisch zudem: Grotheers deutscher Teamkollege Axel Jungk (BSC Oberbärenburg) war vor ihm als Gesamt-Zweitbester nach dem dritten Lauf in die Spur gehechtet und hatte sich zunächst auf Platz eins gesetzt. Bronze gewann der Chinese Yan Wengang.

Dem Gesamtprojekt der beiden Deutschen konnte also nichts mehr passieren, und Grotheer zog seinen Skeleton noch einmal wie an der Schnur durch die Bahn, und auch wenn er am Ende noch ein paar Fehlerchen in der nun schon bekannten Kurve 13 beging - es reichte immer noch, und der Jubel der hüpfenden und sich herzenden Muskelmänner in ihren dünnen Ganzkörperanzügen war dann doch riesengroß, denn es ging ja um mehr.

Dieser Doppelsieg war in Wirklichkeit ein dreifacher Erfolg. Einmal für Grotheer, einmal für Jungk und einmal fürs gesamte Bundes-Skeleton. Seit 1928 ist dieses immer noch recht nischige Kopfüber-Rasen olympisch. Und auch wenn es auch erst 1948 wieder aufgegriffen, wieder weggelassen und schließlich seit 2002 fest im Programm ist, so ist doch in all dieser Zeit nie ein Deutscher in die Medaillenränge gerutscht. Topnationen waren die Nordamerikaner, Russen, Schweizer, Österreicher, Letten, Südkoreaner, ganz oben stand aber nie einer aus Wernigerode oder Oberbärenburg.

Grotheer und Jungk haben sich gut ergänzt bei Olympia

Grotheer und Jungk haben sich also auch gut ergänzt und voneinander profitiert, und natürlich auch von der Berliner Forschungsstelle für die Entwicklung von Sportgeräten, die unter anderem ja schon alle deutschen Schlitten präpariert hatte, die auch im Pekinger Rodeln in jedem Rennen mindestens Gold geholt hatten. Andererseits muss man auf so einem Skeleton erstmal auf diesem Schlitterkurs ungebremst nach unten finden.

Um das nahezu vier Mal perfekt zu schaffen, muss einer nicht nur explosiv starten und windschlüpfrig liegen, sondern auch mal unkonventionell denken. Grotheer, als Jugendlicher einst Skispringer, ehe er sich statt in die Luft, in die Bahn stürzte, lässt offenbar öfter mal was weg. Nicht nur aufs Training hatte er verzichtet, sondern auch auf seinen neuen Schlitten. Der alte, eigentlich weniger fortentwickelte Skeleton war ja noch zur Hand und passte offenbar bestens für diese Bahn.

Auf ihm, sagte Grotheer, würde er sogar schneller sein, selbst wenn er sich ein paar Fehler erlaube. Weniger war also mehr, denn Grotheer schaffte im ersten von vier Läufen auch einen Bahnrekord, blieb im Großen und Ganzen fehlerfrei, legte noch mal Bestzeit vor und schlief dann vor dem Freitag und den Läufen drei und vier vermutlich sehr gut.

Dabei hatte er nicht nur spät begonnen mit diesem Sport, sondern auch spät zu Erfolgen gefunden. Weltmeister wurde er erst 2020 auf der sehr selektiven Bahn von Altenberg, womit er alle überraschte. In Yanqing hatte er noch gesagt, er fahre gerne am Limit, er liebe das "geile Gefühl, dass von oben bis unten alles passt". In der Tat, da kann man zustimmen, nicht nur bei Grotheer, sondern auch bei Jungk hat an diesem Abend in Yanqing alles gepasst.

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