Großer Preis von Belgien:Hamilton schlittert zum Sieg

Kurioses aus Spa: Hamilton siegt unter dunklen Wolken und nach einem tollen Manöver, Räikkönen rutscht ins Aus, Heidfeld überholt in der Final-Runde fünf Gegner. Doch das Rennen hat ein Nachspiel.

R. Hofmann

Kimi Räikkönen behielt seinen Helm auf, als er zu Fuß zurück zur Box marschierte, während Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) als Sieger, Felipe Massa (Ferrari) als Zweiter und Nick Heidfeld (BMW) als Dritter des Großen Preises von Belgien geehrt wurden. Der Weltmeister wusste: In Spa-Francorchamps hat er sehr wahrscheinlich seine letzte Chance verspielt, seinen Titel verteidigen zu können. Er ganz alleine. Von der zweiten bis zur vorletzten Runde hatte der Finne das Rennen angeführt. Dann ging ein Schauer nieder, und der Eismann verlor erst die Nerven und dann spektakulär die Kontrolle über seinen Ferrari F2008.

Großer Preis von Belgien: In einem dunklen Rennen mit dem besten Ende: Lewis Hamilton.

In einem dunklen Rennen mit dem besten Ende: Lewis Hamilton.

(Foto: Foto: Getty)

Im Bemühen, Lewis Hamilton hinter sich zu halten, duellierte er sich erst sehenswert mit dem Briten. Einige Kilometer weit jagten sich die beiden. Mal waren sie beieinander, mal nebeneinander, mal war der eine neben der Piste, dann der andere. Der Zweikampf endete mit Räikkönens Einschlag in die Reifenstapel. Hamiltons Reaktion am Funk darauf: ein spitzer Jubelschrei.

"Ich liebe solche Zweikämpfe"

"Das war eines der aufregendsten Rennen meiner Karriere", ordnete er die Erfahrung ein: "Ich liebe solche Zweikämpfe." Indem er ihn mit Räikkönen in Spa für sich entschied, spitzt sich auch der Titelkampf auf ein Duell zu. Nach 13 von 18 Rennen liegt Hamilton in der WM-Wertung mit 80 Punkten acht Zähler vor Massa. Räikkönen ist 23 Punkte zurück. Richtig freuen darüber, dass er mit seinem zweiten Platz seinen Status als Nummer eins von Ferrari untermauert, konnte sich Massa allerdings nicht. "Ich habe schon am Start einen Fehler gemacht, als ich dachte, es sei feucht und zu verhalten losgefahren bin", gab der Brasilianer zu, der sich am Samstag Startplatz zwei gesichert hatte - diesen Platz auf den ersten Metern aber an seinen weit entschlossener losstürmenden Teamkollegen Räikkönen abgeben musste.

Der Finne hätte nach einigen enttäuschenden Auftritten der strahlende Sieger werden können. Denn kurz nach Massa attackierte er ebenso erfolgreich Hamilton. Eine Runde und damit gut sieben der 308,052 Kilometer Renndistanz waren absolviert, als sich Räikkönen an die Spitze setzte. Im ersten Moment sah es nach einem tollkühnen Manöver aus: Nach der Jagd durch die berühmte Senke Eau Rouge und die mit Vollgas zu nehmenden Streckenteile Radillon und Kemmel ließ Räikkönen Hamilton in der zweiten Runde wie einen Fahrschüler stehen.

Erst das Studium der Onboard-Aufnahmen enthüllte: Bei der Nummer hatte er von einem Fehler Hamiltons profitiert. Der Brite hatte sich in Führung liegend nach der ersten Runde in der ersten scharfen Kurve fast gedreht und so den großen Vorsprung verspielt, den er bis dahin schon herausgefahren hatte.

Hamilton schlittert zum Sieg

Lange sah es so aus, als sollte das die Szene des Nachmittags werden. Beinahe zwei Tankladungen weit führte Räikkönen die Wettfahrt anschließend souverän an. So lange es trocken war, konnten ihm weder Hamilton noch Massa nahe kommen. Doch das Wetter war bereits seit Donnerstag wechselhaft gewesen. Als Räikkönen noch 20 Runden von der Zielflagge entfernt war, meldeten die Meteorologen: "In 20 Minuten gibt es Regen." Derart genaue Vorhersagen sind in den Ardennen gewagt. Doch dieses Mal stimmte die Prognose. Exakt 20 Minuten später fielen aus den dunklen Wolken, die sich über einigen Streckenabschnitten zusammengeballt hatten, Tropfen. Erst wenige, dann viele.

Binnen Sekunden verwandelte sich die Renn- in eine Rutschbahn. Formel-1- Autos sind sensible Gebilde. Wenn sich die Streckenbeschaffenheit ändert, ändert sich auch das Fahrverhalten. Und zwar bei jedem Modell anders.

"Dann ist etwas faul"

Hamiltons McLaren-Mercedes kam mit dem rutschigen Untergrund gut zurecht. Zumindest besser als Räikkönens Ferrari. Beim ersten Versuch, an Räikkönen vorbeizukommen, geriet Hamilton in der Schikane vor der Zielgeraden kurz neben die Strecke. Er ließ Räikkönen anschließend aber wieder brav passieren - um ihn eine Biegung weiter erneut zu attackieren. Die Aktion zog eine Untersuchung der Rennkommissare nach sich, die noch nicht beendet ist. Das Rennen hat also noch ein Nachspiel. Der vorläufige Sieger Hamilton war sich keiner Schuld bewusst. "Sollte ich dafür bestraft werden, ist etwas faul", sagte er.

Ein unumstritten herausragendes Ergebnis fuhr Nick Heidfeld für BMW ein. Der 31-Jährige pokerte im Nieselregen. Für die letzten Kilometer wechselte er auf Regenreifen. "Das war eine gewagte Entscheidung", räumte Heidfeld ein: "Ich wusste, dass ich entweder als Held oder als Depp dastehen würde." Es wurde die Helden-Variante. Im letzten Umlauf eilte er an fünf Kollegen vorbei bis auf Platz drei. Zum ersten Mal seit dem Großen Preis von Deutschland beendete er wieder einmal ein Rennen vor seinem BMW-Kollegen Robert Kubica, der Sechster wurde.

In der Qualifikation am Samstag war Heidfeld als Fünfter ebenfalls vor dem Polen geblieben, der lediglich als Achter zum Start durfte. "Ein phantastisches Resultat", fasste Heidfeld den Belgien-Ausflug für sich zusammen. Die anderen Deutschen zeigten sich weniger ausgelassen. Sebastian Vettel verlor auf der letzten Runde einen Platz. Der Toro-Rosso-Fahrer wurde Fünfter hinter Fernando Alonso im Renault. Timo Glock (Toyota) bekam als Achter einen WM-Punkt, erkannte aber: "Ich hatte keine Chance auf mehr." Nico Rosberg (Williams) sagte als Zwölfter: "Das war nicht so lustig."

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