Großer Preis der Türkei:Ein tief enttäuschter Sieger

Lesezeit: 3 min

Kimi Räikkönen gewinnt mit dem Silberpfeil in Istanbul - den Rückstand auf WM-Spitzenreiter Alonso kann er aber kaum verringern. Für Michael Schumacher blieb nur das Prinzip Schadensbegrenzung.

René Hofmann

Die Formel-1-unerfahrenen Zuschauer im Otodrom waren verwirrt. Eine komische Siegerehrung bekamen sie da geboten. Fernando Alonso, der Zweitplatzierte, freute sich wie ein Kind.

Kimi Räikkönen, Juan Pablo Montoya und McLaren-Chef Ron Dennis hingegen blickten wie auf einer Beerdigung, als die Pokale kamen. Dabei hatten sie doch gewonnen. Räikkönen holte sich im 14.Rennen der Saison seinen fünften Sieg. Trotzdem war er unzufrieden: "Es wäre schön gewesen, wenn wir als Erster und als Zweiter ins Ziel gekommen wären", grummelte der Finne.

In diesem Fall hätte er seinen Rückstand auf Renault-Fahrer Fernando Alonso um vier Zähler verkürzt. Bei nur noch fünf ausstehenden Wettfahrten zählt jeder Punkt, weshalb Räikkönen schmerzt, dass sein Teamkollege auf den letzten Metern gleich zwei Zähler verschenkte.

In der vorletzten Runde kollidierte Montoya mit dem überrundeten Tiago Monteiro (Jordan), in der letzten ließ er Alonso noch vorbeischlüpfen. "Das war sehr enttäuschend", sagte Montoya, der Monteiro die Schuld an dem Missgeschick gab. In der WM-Wertung bleibt Alonso mit 24Punkten voraus. "Das war natürlich eine nette Überraschung", sagte er über das Ende eines turbulenten Rennens.

Duell der Helfer

Am Start schob sich Giancarlo Fisichella im zweiten Renault an Raikkönen vorbei. Drei Kilometer später eroberte sich der Schnellste der Qualifikation die verlorene Spitze aber schon wieder zurück.

In der Reihenfolge Räikkönen, Fisichella, Alonso, Montoya begann der Wettkampf - die WM-Favoriten hatten also ihre Teamkollegen als Vasallen bei sich. Fisichella wusste, was er zu tun hatte. Am Samstag hatte er angekündigt: "Wenn ich Fernando helfen kann, werde ich es tun." So kam es. In der zweiten Runde ließ er seinen Mitstreiter passieren, der dem Rivalen Räikkönen so bis zum ersten Boxenstopp folgen konnte.

Alonsos Helfer Fisichella duellierte sich derweil mit Räikkönens Partner Montoya. Den Renaults bot sich dabei ein Vorteil. Sie waren leichter. Die hellblauen Wagen trugen weit weniger Benzin als die grauen, wie sich bei der Tankrunde zeigte. Nach der strebten Räikkönen und Montoya auf und davon.

"Klasse Rennen, klasse Speed, Kimi Spitzenklasse", freute sich Norbert Haug. Zu Montoyas Unglück fiel dem Mercedes-Sportchef zunächst nichts ein.

Eine pikante Episode, die auch Michael Schumacher den Nachmittag verdarb, bot BMW-Williams. Dem Gefährt von Mark Webber war bereits im Training einmal die Luft im rechten Hinterreifen ausgegangen. Das Gleiche widerfuhr Nick Heidfeld im Grand Prix in der sechsten Runde.

Auf der Felge rangierte er seinen FW27 zum Reifenwechsel. Das gleiche Unterfangen erwartete Mark Webber vier Minuten später. Auch an seinem Wagen war der rechte Hinterreifen beschädigt. Die Pneus stammen von der französischen Firma Michelin, die nach ähnlichen Vorkommnissen in den USA all ihren Teams empfohlen hatte, das Rennen nicht aufzunehmen.

In Indianapolis ist die Belastung für die Hinterreifen besonders hoch, weil es vor der Start- und Zielgerade durch eine überhöhte Rechtskurve geht. In Istanbul werden die Pneus in einer der Senken wegen der Kompression außergewöhnlichen Kräften ausgesetzt.

Der Verdacht, dass sich Michelin bei der Entwicklung erneut gefährlich weit vorgewagt hatte, lag nahe, bestätigte sich aber nicht: Die Gummis wurden stets von einem Teil des Autos an der Innenkante aufgeschlitzt. In Umlauf 29 platzte Heidfeld der hintere rechte Pneu erneut, bei Webber war es in Runde 24. zum zweiten Mal so weit.

Kurz zuvor hatte er für Tumult gesorgt. Der Reifentausch hatte den Australier nahe an Michael Schumacher gebracht, der sich nach einem Dreher in der Qualifikation von der letzten Startreihe nach vorne arbeitete. Schumacher war nach 16 Umläufen auf Position zehn angelangt, als er mit Webber aneinander geriet. Voller Schwung fädelten sich der Ferrari und der Williams ineinander.

"Ich habe ihn nicht gesehen", sagte Schumacher, der seinen Wagen in der Box inspizieren ließ. Auf den ersten Blick fehlte nichts. Nach kurzer Probefahrt merkte der Titelverteidiger jedoch, dass die Lenkung beschädigt war. Nach einer 20-minütigen Reparaturpause nahm er die Arbeit nur deshalb noch einmal für 17 Runden auf, weil er so mehr Kilometer absolvieren konnte als die zu der Zeit schon ausgeschiedenen Nick Heidfeld, Mark Webber und Felipe Massa (Sauber).

In zwei Wochen beim Großen Preis von Italien bringt Schumacher das in der Qualifikation einen besseren Startplatz als den dreien. "Es ging darum, Schadensbegrenzung zu betreiben", sagte er, bevor er die Heimreise antrat.

Der Türkei-Ausflug war nach ermutigenden Erlebnissen vor drei Wochen in Budapest eine ernüchternde Erfahrung für die Scuderia. Im neuen Speed Park fanden ihre Reifen nie genug Haftung. Lieferant Bridgestone war die Gummimischung für die Hatz über 310 Kilometer zu konservativ geraten.

Die Japaner hatten sich auf Asphalttemperaturen von gut 45 Grad eingestellt. Tatsächlich kletterte das Thermometer lediglich knapp über die Marke 40.

© SZ vom 22.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: