Großbritannien und das deutsche Finale:Abschied von den Krauts

Wembley Stadion Champions League Finale Borussia Dortmund FC Bayern

Dortmund und Bayern spielen im Finale am 25. Mai im Wembley-Stadion

(Foto: imago sportfotodienst)

Sonst gelten sie als "Panzer" oder "Krauts", doch diesmal sind die Deutschen "Cousins": Verblüfft, aber nicht feindselig beobachten die Briten den Höhenflug des deutschen Fußballs. Ausgerechnet im Nationalheiligtum Wembley wird eine deutsche Mannschaft nun die Champions League gewinnen.

Von Christian Zaschke, London

Was englische Fußball-Fans besonders irritiert, ist die Angewohnheit der Deutschen, in Stadien auf der Insel das Lied "Football's coming home" anzustimmen. Es ist ein schönes Lied, das die Briten währen der Heim-Europameisterschaft im Jahr 1996 mit Inbrunst sangen. Zumindest bis zum Halbfinale, das sie gegen die Deutschen verloren, die anschließend in Wembley Europameister wurden. 1998 legten die Engländer das Lied zur WM in Frankreich noch einmal auf, aber es hatte seinen Zauber verloren. Immerhin ein Trost: 1998 spielten auch die Deutschen eine ziemliche Grütze zusammen.

Ganz allmählich aber adoptierten die deutschen Fans das Lied, und als der FC Bayern im Februar dieses Jahres im Achtelfinale der Champions League den FC Arsenal in dessen Londoner Heimstatt demontierte, erklang es ganz selbstverständlich und sehr laut aus der Bayern-Kurve im Emirates Stadium: "Football's coming home" - der Fußball kommt nach Hause. Die Arsenal-Fans schwiegen verstört.

Das Boulevardblatt Daily Mail griff den Gesang auf, als es am Donnerstag titelte: "Fussball's coming home". Das war eine freundliche Verbeugung vor den deutschen Gästen - vor dem FC Bayern und Borussia Dortmund, die am 25. Mai das Finale der Champions League im Zuhause des englischen Fußballs ausspielen, im Nationalstadion zu Wembley. Diese Form der Freundlichkeit zog sich durch fast die gesamte Berichterstattung auf der Insel. Das ist insofern ein bisschen erstaunlich, als es lange Zeit zur Königsdisziplin der Boulevardpresse gehörte, die Deutschen als Panzer, Krauts und Bratwürste zu verspotten, die doch bitte schleunigst dies tun sollten: Surrender! Ergebt Euch!

"Deutschland Uber Alles"

Selbst die notorische Sun meinte es nicht böse, als sie am Donnerstag schrieb: "As they say in the Fatherland: Deutschland Uber Alles." Wembley, schrieb das Blatt, richte sich nun ein auf "die Invasion unserer angelsächsischen Cousins". Dass die Sun auf eine Art Verwandtschaft zwischen Deutschen und Engländern verweist, ist eine beinahe unerhörte Form der Nettigkeit.

Das Gros der Kommentatoren setzt sich ernsthaft mit dem deutschen Erfolg auseinander und versucht ihn zu ergründen. Neidvoll verweisen die Analysen auf die vergleichsweise günstigen Eintrittspreise in der Bundesliga, auf die Nachwuchsförderung und die größtenteils soliden Finanzen der deutschen Klubs. Die BBC schickte ein Team nach Dortmund mit dem Auftrag herauszufinden: Kann der englische Fußball von den Deutschen lernen? Die Antwort lautete: Vermutlich ja.

Das Stadion von Wembley, erstmals eröffnet 1923, ist ein besonderer Ort für die Engländer. Dort sind sie 1966 zum einzigen Mal Weltmeister geworden. Der Gegner im Finale: Deutschland. Bevor das Stadion vom Jahr 2000 an komplett neu gebaut wurde, gab es ein letztes Spiel im alten Gemäuer. Der Gegner: Deutschland. England verlor 0:1, der letzte Torschütze im alten Wembley hieß Dietmar Hamann. Nun stellen die Engländer mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung fest, dass ein deutscher Verein die Champions League in ihrem fußballerischen Heiligtum gewinnen wird. Dass Münchner ebenso wie Dortmunder Fans im Wembley-Stadion das Lied "Football's coming home" anstimmen werden, darf als gesichert gelten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: