SpVgg Greuther Fürth:Eine Mannschaft im Hamsterrad

04.12.2021 - Fussball - Saison 2021 2022 - 1. Fussball - Bundesliga - 14. Spieltag: Bayer 04 Leverkusen ( Werkself ) -

Im Mai noch am Stadionzaun, jetzt am Boden: Dickson Abiama nach dem 1:7 in Leverkusen.

(Foto: Wolfgang Zink/imago)

Sie arbeiten, sie kämpfen, sie hoffen, sie verlieren: Die SpVgg Greuther Fürth stößt Woche für Woche an Grenzen. Eines aber verliert die Mannschaft nie: Haltung und Würde.

Von Sebastian Leisgang

Es sind auch diese Bilder aus der vergangenen Saison, die man im Kopf hat, jetzt, da die SpVgg Greuther Fürth einiges durchmachen muss. Dickson Abiama, wie er am letzten Spieltag fünf Minuten vor dem Ende das entscheidende 3:2 gegen Fortuna Düsseldorf schießt und sich dann das Hemd vom Leib reißt. Abiama, wie er die Arme ausbreitet und losrennt, vorbei an der Eckfahne, runter vom Rasen, hin an den Stadionzaun, hinter dem die Fans auf der Straße stehen, weil sie auch in der Stunde des Erfolgs draußen bleiben müssen.

Es war ein großer Moment, einer, den sie in Fürth nicht vergessen werden. War ja auch irgendwie rührend, dass gerade der Mann die Spielvereinigung nach oben schoss, der von ganz unten gekommen war. Nur eineinhalb Jahre vor seinem Tor gegen Düsseldorf spielte Abiama noch auf Bayernliga-Sportplätzen in Cham und Ammerthal - nun bescherte er dem Kleeblatt Spiele gegen Bayern München und Borussia Dortmund.

"Die nächste Staffel läffd im Ersten" - aber jetzt läffd in Fürth gar nix mehr

Auf der Anzeigetafel des Fürther Stadions stand an jenem Sonntagnachmittag Ende Mai: "Die nächste Staffel läffd im Ersten." Jetzt, gut ein halbes Jahr später, läffd in Fürth gar nix mehr. Die Spieler bekommen kein Bein auf den Boden, Trainer Stefan Leitl muss Niederlage um Niederlage erklären, und der Klub erfährt auf die harte Tour, wie rasant es im Fußball zugeht.

Gestern hat sich Abiama noch ausgezogen, heute muss sich die Mannschaft Samstag für Samstag warm anziehen.

Die Fürther sind auf den letzten Metern eines Jahres, das in seinen beiden Hälften gegensätzlicher nicht sein könnte. Erst diese eindrucksvolle Rückkehr in die Bundesliga, erspielt mit äußerst attraktivem Fußball - und dann diese deprimierende Serie. Die Fürther arbeiten, sie kämpfen, sie stoßen an Grenzen, sie verlieren. Sie hoffen aufs Neue, sie arbeiten, sie kämpfen, doch sie stoßen an Grenzen und verlieren wieder. So geht das Spiel für Spiel, Woche für Woche, ein Hamsterrad, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt.

Andererseits: Jetzt, da die Lage schon vor der Winterpause vollkommen aussichtslos ist, da hat die Mannschaft nichts mehr zu verlieren. Oder etwa doch?

Ein Schwenk nach Leverkusen, dorthin, wo Fürth am vergangenen Wochenende mit 1:7 die höchste Niederlage seiner noch jungen Bundesligageschichte kassierte. Als Leverkusen ein Tor nach dem anderen schoss, blieb einem fast nichts anderes übrig, als nach den Fürthern zu schauen. Verlierer rühren einen ja immer mehr als Gewinner. Wenn eine Mannschaft also ein viertes Tor kassiert, ein fünftes, ein sechstes, ein siebtes, dann geht es irgendwann nicht mehr nur Fußball, sondern um Grundsätzlicheres, um Dinge wie Haltung und Würde.

Am Sonntag kommt Union Berlin, die nächste Mannschaft, die Fürth mehrere Schritte voraus ist

Und so waren es ziemlich kraftvolle Bilder, die das Spiel in Leverkusen hervorbrachte. Bilder, die man zwar auch bei einem 1:3 zu sehen bekommt, die bei einem 1:7 aber ganz anders wirken. Jeremy Dudziak, wie er die Hände faltet, fast so, als bete er, dass es nicht noch schlimmer wird. Branimir Hrgota, wie er den Schiedsrichter anfleht, fast so, als bettle er, dass es dieses Mal nicht über 90 Minuten geht. Marco Meyerhöfer, wie er das Gesicht hinter seinen Händen versteckt, fast so, wie Kinder das machen, weil sie dann glauben, es könne sie niemand sehen.

Die Fürther konnten alle sehen, 10455 Leute im Stadion und das ganze Land an den Fernsehbildschirmen. Als sie beobachteten, wie die Leverkusener Leitls Mannschaft vorführten, wie sie ohne Gnade immer weitermachten, wie sich Patrik Schick an seinen vier Toren ergötzte, als sie all das beobachteten, dürften die meisten auch eines empfunden haben: Mitleid, ein Gefühl der Anteilnahme, weil die Fürther zwar nichts zu bestellen hatten, aber zumindest nichts unversucht ließen.

Das ist es ja, was Zuschauer auch dann sehen wollen, wenn es schwierig wird: Spieler, die sich um Standhaftigkeit bemühen, Spieler, die sich nicht hängen lassen. Nur: Reicht das dann? Ist das den Leuten genug?

Tatsächlich hat man dieser Tage nicht den Eindruck, dass sich da ein Graben auftut zwischen den Fürther Fans und ihrer Mannschaft. Sei es auch noch so schwer, gemeinsam tragen sie es mit Fassung, Wochenende für Wochenende, Niederlage für Niederlage.

An diesem Sonntag trifft die Spielvereinigung auf Union Berlin, die nächste Mannschaft, die um die europäischen Plätze mitspielt, die nächste Mannschaft, die Fürth mehrere Schritte voraus ist. Schon denkbar also, dass Dudziak wieder betet und Hrgota bettelt, doch darum geht es nicht. Die Fürther können ein Spiel verlieren, offenbar können sie sogar zwölf Spiele am Stück verlieren, nur eines dürfen sie nie verlieren: Haltung.

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