Hannover 96 und Eintracht Braunschweig haben eigentlich nur zwei Gemeinsamkeiten: Beide Traditionsvereine sind in Niedersachsen ansässig und beide spielen in der zweiten Liga. Ansonsten sind sich diese Fußballklubs in herzlicher Abneigung verbunden, und es wäre wohl das höchste Vergnügen für die Anhänger der 96er, müsste der verhasste Rivale am Ende der Saison den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Das änderte jedoch nichts an daran, dass Hannovers Profis am Sonntagnachmittag massiv am Klassenverbleib der Braunschweiger arbeiteten. Sie wollten das letzte Heimspiel von Ex-Nationalspieler Marcel Halstenberg, der seine Karriere beendet, unbedingt gewinnen. Auch wenn es ausgerechnet gegen die SpVgg Greuther Fürth ging, die im Fernduell mit Braunschweig darum kämpft, den Abstiegsrelegationsplatz zu vermeiden.
Am Ende war es eine Zentimeter-Entscheidung, die Fürth vor einer Niederlage bewahrte. In der Nachspielzeit hatte Hannover das vermeintliche 2:1 erzielt und die Fans waren unmittelbar zur Siegesfeier übergangen. Doch auf Intervention des Videoassistenten kassierte Schiedsrichter Richard Hempel den Treffer wieder ein. Havard Nielsen stand minimal im Abseits, allerdings konnte zumindest anhand der Fernsehbilder gar nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob der überhaupt als Letzter am Ball war. So wurde wenigstens der schlimmste erwartbare Ausgang für das nun schon seit neun Spielen sieglose Kleeblatt abgewendet.
Es hätte aber genauso gut ein perfekter Nachmittag für die Franken werden können: Bis drei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit hatte es danach ausgesehen, als ob die 1000 mitgereisten Fürther Anhänger, denen der Verein Reise und Tickets gesponsert hatte, Zeugen des vorzeitigen Klassenverbleibs werden würden. So lange stand es nämlich 1:0, ehe eine Ecke von Hannovers Enzo Leopold hereinflog und Phil Neumann einen Kopfball per Bogenlampe aufs Fürther Tor zirkelte. Torwart Nahuel Noll, der unmittelbar zuvor einen gewaltigen Freistoß von Halstenberg ins Toraus gelenkt hatte, war machtlos und Verteidiger Maximilian Dietz fehlten die entscheidenden Zentimeter, um den Ball wegzuköpfen.
Und so war die Stimmungslage beim neuen Fürther Trainer Thomas Kleine auch ein bisschen indifferent: „Ein Gegentor nach einer Standardsituation so kurz vor Schluss ist extrem bitter“, sagte er bei Sky. „Aber dann hatten wir Glück bei der Abseitssituation, von daher nehmen wir den Punkt mit und haben jetzt alles in der eigenen Hand.“
Apropos Thomas Kleine: Der mittlerweile vierte Trainer der Franken in dieser Saison nach Alexander Zorniger, Leonhard Haas und Jan Siewert hatte noch vor zwei Wochen als Assistent von André Breitenreiter bei Hannover unter Vertrag gestanden, ehe auch bei den Niedersachsen das folgte, was in dieser ausklingenden Zweitligasaison voll im Trend liegt: ein Trainerwechsel. Nun ist der frühere Profi also zurück beim Kleeblatt, wo er nicht nur aktiv insgesamt neun Jahre verteilt auf zwei Aufenthalte gespielt hat, sondern auch schon als Co-Trainer und Coach der Reserve wirkte. „Es ist eine besondere Situation, im Fußball kann man nichts planen“, sagte Kleine vor dem Spiel gegen seinen vorherigen Arbeitgeber. Aber er besitze selbstverständlich Kenntnisse über 96, die er seiner Mannschaft mit auf den Weg gegeben habe.
Und das zahlte sich zunächst aus, das Kleeblatt war nach einer Schrecksekunde zu Beginn, als Hannovers Neumann an Noll scheiterte und Sei Muroya den Nachschuss über das Tor bolzte (12.) voll in der Spur. Einen Kopfball von Felix Klaus parierte Ron-Robert Zieler noch (14.), gegen einen weiteren von Noel Futkeu nach Ecke von Julian Green war der frühere Nationaltorwart dann aber machtlos (33.). Via Innenpfosten brachte der Mittelstürmer die Fürther in Führung – der bereits 19. Saisontreffer aus einer Standardsituation für die SpVgg und ihr erstes Tor nach sechseinhalb Stunden Flaute.
Im zweiten Durchgang blieben die Gäste trotz nun offensiverer Hannoveraner weitgehend stabil, vergaben aber immer wieder gute Kontersituationen leichtfertig, etwa als Klaus einen Ball über die Latte schaufelte (70.). „Wir haben unsere Umschaltaktionen nicht gut genug ausgespielt, um das 2:0 zu machen“, beklagte Trainer Kleine. Es folgte der späte Ausgleich und beinahe sogar noch der Totalverlust der Fürther Investitionen.
Nun muss das letzte Spiel am Sonntag gegen den Aufsteiger Hamburger SV gewonnen werden, um aus eigener Kraft den Sturz auf den Relegationsplatz zu vermeiden. Falls das nicht gelingt, müssen die Fürther auf Schützenhilfe hoffen – und zwar von Absteiger Ulm (spielt gegen Münster) oder vom alten Rivalen Nürnberg, der in Braunschweig gastiert. Aber wenn sich niedersächsische Feinde im Sinne des Sports vereinen, können das ja vielleicht auch die fränkischen.