Man kann den Fürthern vieles vorwerfen, aber dass sie jedem Trend hinterherhecheln, nun wirklich nicht. Und natürlich ist es auch nur ein blöder Zufall, dass sie gerade in einer Phase ihren Trainer Jan Siewert entlassen haben, in der von Wolfsburg über Münster und Gelsenkirchen bis Köln viele Vereine eines meinen: dass es ungeheuer erfolgversprechend ist, zwei Spieltage vor Saisonende noch mal des Rosses Reiter auszuwechseln.
Und überhaupt: Was hätten sie auch sonst tun sollen angesichts einer sportlichen Entwicklung, die zuletzt wie ein Fallschirmsprung ohne Fallschirm anmutete? Keinen einzigen Sieg gab es in den vergangenen sechs Spielen, nur ein einziges Törchen gelang in den letzten fünf Partien. Stück für Stück rutschte man so weiter ab, von einem gesicherten Mittelfeldplatz in die Abstiegszone, wo sich zu allem Unglück in Preußen Münster und Eintracht Braunschweig zwei Konkurrenten tummeln, bei denen es gerade richtig gut läuft.
Insofern war es auch nicht nur die Standardfloskel, als sich Sportdirektor Stephan Fürstner in der Pressemitteilung zum Siewert-Rauswurf mit dem „neuen Impuls“ zitieren ließ, den es nun benötige. Und da Friedhelm Funkel schon verplant ist (und somit fürs Kleeblatt auch dann nicht infrage käme, wenn er bezahlbar wäre), übernimmt nun Thomas Kleine. Der frühere Fürther Profi hat einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben, wie der Klub am Dienstag mitteilte. Er wird unterstützt von Milorad Pekovic, der von 2010 bis 2013 auch für die Fürther gespielt hat. Zuletzt war Kleine, der von 2015 bis 2017 die U23 des Kleeblatts trainierte, als Assistent von Andre Breitenreiter in Huddersfield und Hannover tätig. Er soll die richtige Ansprache finden, um ein Team aufzuwecken, das in dieser Spielzeit nicht nur in beiden Frankenderbys (0:4 !/0:3 !) kollektiv entschlummert zu sein schien.
Nach der ersten Pleite gegen den Club wurde nicht nur Trainer Alexander Zorniger entlassen, sondern auch Sportvorstand Rachid Azzouzi, der in seinen beiden Amtszeiten (2007 bis 2012 und 2017 bis 2024) wesentlich mehr richtig als falsch gemacht hatte. Zorniger, anerkanntermaßen ein fachlich spannender Trainer, wurde im Oktober zum Verhängnis, dass er auch in Fürth Zorniger-Dinge gemacht hatte. Von nicht enden wollenden Wutanfällen ist die Rede, von öffentlichen (und im Ton verrutschten) Zurechtweisungen einer Spielergeneration, die generell Kritik nicht mehr gewohnt ist, ebenfalls. Azzouzi wiederum warfen maßgebliche Leute im Verein hauptsächlich vor, dass er Zorniger nicht gemaßregelt habe. Ob er das stilvoll – also hinter verschlossenen Türen – nicht doch getan hat, wird am Ronhof seither eifrig diskutiert.
Wenn der nun geschasste Jan Siewert auch im Umfeld zuletzt kaum noch Kredit hatte, lag das auch an seinem Hang zur Schönfärberei
Ohne jede Diskussion lässt sich hingegen feststellen, dass es danach nicht besser wurde. Nicht unter Interimstrainer Leo Haas. Und auch nicht unter Siewert. Letzterer stabilisierte die Mannschaft zwar defensiv, allerdings zum Preis einer ziemlich weitgehenden Offensiv-Amputation. Fürther Torchancen sind seit Wochen extrem seltene Ereignisse, auswärts verlegte sich das Team zuletzt fast vollständig auf lange Bälle. Hinzu kommt, dass der unverwüstliche Stürmer Branimir Hrgota nicht jünger wird und es wohl wenige Mannschaften im bezahlten Fußball gibt, deren Angriffsstrategie derart auf einen Individualisten zugeschnitten ist, wie es bei dem Schweden und dem Kleeblatt der Fall ist.
Felix Klaus, im Winter aus Düsseldorf zurückgeholt, erwies sich da als guter Transfer. Ins Tor traf aber auch er nur ein einziges Mal. Zuletzt war die spielerische Armut kaum mehr zu übersehen. Beim jüngsten 0:1 in Berlin gab Fürth keinen einzigen ernst zu nehmenden Torschuss ab. Beim Auswärtsspiel zuvor, dem 0:1 in Karlsruhe, hätte man zwar einen Zähler verdient gehabt. Aber auch nur, weil beide Teams gleich schlecht waren in einer von vielen fußballerisch schwer erträglichen Partien in dieser so gehypten Spielklasse.

Wenn der nun geschasste Jan Siewert auch im Umfeld zuletzt kaum noch Kredit hatte, lag das auch an seinem Hang zur Schönfärberei. Ausweislich seiner Analyse in Karlsruhe hatte er dort einen ziemlich brillanten Auswärtsauftritt gesehen, und auch in Berlin war sein Team dem Vernehmen nach voll auf der Höhe, „die Statistik“ sehe „sehr, sehr ähnlich aus“ behauptete er. Und unterschlug dabei, dass die Hertha sechs Torchancen hatte – und damit sechs mehr als sein eigenes Team.
Als Zorniger und Azzouzi gehen mussten, lag Fürth auf Rang zwölf. Nun ist man 14. und liegt nur noch drei Zähler vor dem Relegationsplatz. Es folgen ein Heimspiel gegen den HSV am letzten Spieltag und davor ein Auswärtsspiel in Hannover, was es nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass Fürth beide verlieren könnte. Das wäre fatal, sollte Preußen Münster aus den beiden verbleibenden Spielen gegen Hertha BSC und Ulm drei Punkte holen – die Westfalen haben schon jetzt die bessere Tordifferenz.
Bei einem grundsoliden, rational geführten Verein wie Fürth, der in Ermangelung von Geld und überregionaler Strahlkraft auf Konzepte und Jugend setzt, müssen schwache Spielzeiten wie diese grundsätzlich eingepreist sein. In dieser Spielzeit haben die sonst so ruhigen Fürther allerdings gleich zwei schwerwiegende Entscheidungen gefällt, die nicht gründlich überlegt wirkten.