Süddeutsche Zeitung

Greenpeace gegen Gazprom:Protestaktion auf großer Bühne

"Rettet die Arktis, zeigt Gazprom die rote Karte": Zum wiederholten Mal nutzt Greenpeace die Champions League als Plattform für ihre Kritik am russischen Gasriesen. Der Protest auf der großen Fußballbühne ist publikumswirksam - und könnte sich wiederholen.

Von Dominik Fürst

Real Madrids Verteidiger Pepe blickte halb verdutzt und halb amüsiert, als sich während der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spiel in Kopenhagen hinter ihm ein rotes Banner mit folgender Aufschrift entrollte: "Rettet die Arktis, zeigt Gazprom die Rote Karte." Nach wenigen Sekunden war das Poster wieder entfernt, Pepe und sein Nebenmann, Trainer Carlo Ancelotti, konnten die Pressekonferenz fortsetzen, aber die Botschaft war in der Welt.

Es handelte sich um eine Protestaktion der Umweltorganisation Greenpeace, die zum wiederholten Mal publikumswirksame, weil auf der großen Bühne des Fußballs vorgetragene Kritik an Gazprom übte. Bereits im Oktober hatten sich Aktivisten beim Champions-League-Spiel zwischen dem FC Basel und dem FC Schalke 04 vom Tribünendach des St. Jakob-Parks abgeseilt und ein Transparent gegen das russische Erdgasunternehmen entrollt.

Gerät der Sport zunehmend in den Fokus der Umweltaktivisten? "Es ist nicht unser Ziel, eine Kampagne gegen den Fußball zu fahren. Unser Ziel ist, die Arktis zu schützen", sagt Jörg Feddern von Greenpeace Deutschland. Dass der Fußball nun zum zweiten Mal als Protest-Plattform diente, liege einfach daran, "dass Gazprom die Champions League sponsert und die Fifa unterstützt."

Das russische Erdgasunternehmen gehört zu den acht Hauptsponsoren der Uefa Champions League, doch die Verstrickungen zwischen Gazprom und der Welt des Sports reichen weit über die Königsklasse hinaus.

Ein kurzer Steckbrief des Unternehmens würde folgende Bezeichnungen enthalten: Mehrheitseigner bei Zenit Sankt Petersburg, Hauptsponsor bei Roter Stern Belgrad und Schalke 04, "weltweiter Energiepartner" beim FC Chelsea sowie künftiger Partner des Fußball-Weltverbandes Fifa. Weiteres Engagement in folgenden Sportarten: Handball, Tennis, Radsport, Tischtennis und Segeln. Darüber hinaus Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro in Sotschi, dem Austragungsort der nächsten Olympischen Winterspiele.

Den Zorn von Greenpeace hat Gazprom durch bevorstehende Ölbohrungen in der Arktis auf sich gezogen. Erst der Klimawandel und das Schmelzen der Gletscher machen den Zugriff auf die dort vermuteten Öl- und Gasvorkommen möglich; Gazprom steht nun als erstes Unternehmen kurz davor, mit den Bohrungen zu beginnen. "Wenn man den Klimaschutz wirklich ernst nehmen will, müssen Grenzen gezogen werden - und die Arktis gehört dazu", sagt Greenpeace-Experte Feddern.

Er befürchtet verheerende Umweltschäden, falls es unter den gefährlichen arktischen Wetterbedingungen zu einem Ölunfall kommen sollte: "Ein Unfall wäre nicht zu bekämpfen. Die nächste Stadt mit dem nötigen Equipment wäre Murmansk, und die liegt über 1000 Kilometer entfernt", so Feddern.

Darauf will Greenpeace mit den Protestaktionen aufmerksam machen, und weil es der Sache dient, wird der Konflikt auf der Bühne des Weltfußballs ausgetragen. Auch Fußballvereine, die von Gazprom gesponsert werden, ernten zumindest leise Greenpeace-Kritik: "Man sollte sich schon angucken, mit wem man einen Vertrag eingeht. Aber Schalke oder andere Vereine sind nicht unser Kampagnenziel", sagt Feddern.

Für ihn versucht das russische Unternehmen, sich im Bewusstsein der westlichen Öffentlichkeit durch Sport-Sponsoring zu verankern und ansonsten unsichtbar zu bleiben. "Gazprom will sich hier in Westeuropa ein positives Image verschaffen, und auf der anderen Seite fördert es Öl in der Arktis", sagt Feddern.

Mit seiner starken Präsenz im internationalen Sport will der russische Gasriese dem westlichen Publikum unterschwellig einen positiven Eindruck vermitteln. Bei der Champions League handelt es sich zweifelsohne um eine große Werbeplattform. Das hat auch Greenpeace erkannt und sich zunutze gemacht - mit einem roten Plakat hinter Pepe.

Ob man auch in Zukunft mit Greenpeace-Aktionen auf der Fußball-Bühne rechnen darf, will Jörg Feddern nicht eindeutig beantworten. Dafür sagt er einen Satz, den man auch als Drohung verstehen könnte: "Vorstellbar ist eine ganze Menge."

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