Green Bay Packers in der NFL:"Elf Siege, null Niederlagen - eine coole Sache"

Am amerikanischen Feiertag Thanksgiving siegen die Green Bay Packers nach einer ungewöhnlichen Trainingsvorbereitung deutlich in Detroit. Saisonübergreifend hat die Mannschaft jetzt 17 Spiele hintereinander gewonnen - und ist auf dem besten Weg, einen legendären Rekord zu brechen.

Jürgen Schmieder, Detroit

Wenn Fans über die Lautstärke in Stadien sprechen, dann müssen meist Rockkonzerte oder startende Flugzeuge als Vergleich herhalten. Beim Ford Field, der Football-Arena der Detroit Lions, reicht ein einziger Vergleich nicht aus, also behaupten die Menschen in Detroit einfach, dass es bei Heimspielen der Lions so laut wäre, als würden bei einem Konzert von Motörhead zehn Flugzeuge über die Zuschauer hinweg brettern.

Green Bay Packers full back John Kuhn spikes the ball after scoring a touch down against the Detroit Lions during the second half of their NFL football game in Detroit

Jubelgeste: John Kuhn von den Green Bay Packers.

(Foto: REUTERS)

Die Verantwortlichen der Green Bay Packers hatten von diesen Vergleichen natürlich gehört, also passten sie das Training in der vergangenen Woche ein wenig an. Neben dem Trainingsplatz ließen sie eine Rockkonzert-Anlage voll aufgedreht laufen. Es half: Die Packers gewannen am amerikanischen Feiertag Thanksgiving bei den Lions mit 27:15.

Es war der elfte Sieg im elften Spiel in dieser Saison, saisonübergreifend haben die Packers seit 17 Spielen nicht mehr verloren. Der Verein könnte den Rekord der Miami Dolphis brechen, die in der Saison 1972/73 kein einziges Spiel verloren hatten - damals waren 17 Siege nötig, heutzutage braucht es inklusive der Ausscheidungsrunde 19 Erfolge. "Das war heute ein großer Schritt für uns", sagte Packers-Spielmacher Aaron Rodgers, "wenn wir in der regulären Saison ungeschlagen bleiben, dann fragt mich nochmal nach dem Rekord. Den hätten wir dann schon gerne."

Es ist nicht nur die unglaubliche Siegesserie der Packers, die derzeit für Aufsehen sorgt - sondern vielmehr die Entwicklung dieser Mannschaft. Vor etwa einem Jahr nämlich waren die Packers ein recht durchschnittliches Team in der nordamerikanischen Liga NFL. Talentiert durchaus, aber mittelmässig. Acht Siegen standen sechs Niederlagen gegenüber, erst durch zwei Erfolge am Ende der regulären Saison gelang die Qualifikation für die Ausschlussrunde.

Es folgte ein beinahe unglaublicher Lauf in den Playoffs, der im Gewinn der Super Bowl im Februar gipfelte. Dieser Erfolg hat der Mannschaft scheinbar zusätzlichen Schub verliehen, sie spielt derzeit außerordentlich erfolgreichen und zugleich wunderbar anzusehenden Football - und sie geht damit um, als wären die vielen Siege so normal wie das Ohrenweh nach einem Motörhead-Konzert. "Wir haben keinen Druck", sagte Rodgers, "elf Siege und null Niederlagen sind doch eine coole Sache." Selbst die lauten Fans in Detroit konnten Rodgers nicht aus der Ruhe bringen.

Lärm in Stadien spielt beim Football eine größere Rolle als in anderen Sportarten, weil Quarterbacks wenige Sekunden vor dem Beginn eines Spielzugs die Taktik ändern - und wenn die Mitspieler die Anweisungen nicht hören können, hat der Spielzug nur wenig Aussicht auf Erfolg. Deshalb versuchen viele Mannschaften, ihre Spielzüge schon vorher zu besprechen und möglichst wenig zu ändern, wenn sie nach Detroit kommen.

Und was tat Aaron Rodgers? Er verzichtete teils komplett auf eine Absprache und gab seine Anweisungen trotz des Lärms an seine Mitspiele weiter. "Die hören mich schon", sagte Rodgers nach dem Spiel lapidar, "wir haben uns gut vorbereitet, zur Not habe ich gestikuliert." Der Spielmacher der Packers zeigte wieder einmal eine herausragende Leistung, 22 seiner 33 Passversuche waren erfolgreich, er warf zwei Touchdown-Pässe, keines seiner Zuspiele landete beim Gegner.

Vor Selbstbewusstsein strotzend

Auch auf die teils überharte Spielweise der Lions-Verteidiger - Ndamukong Suh etwa trat einen am Boden liegenden Gegenspieler und wurde des Feldes verwiesen - reagierte Rodgers derart cool, als hätte ihm die Natur Eiswasser statt Blut in die Adern gefüllt: "Das ist nun mal ein Derby, da geht es eben härter zu. Da muss man einfach drüber stehen."

Green Bay Packers quarterback Aaron Rodgers  looks for his receiver during the second half of their NFL football game against the Detroit Lions in Detroit,

"Die hören mich schon!" Aaron Rodgers, Quarterback der Green Bay Packers, ließ sich auch von der Lautstärke im Stadion der Detroit Lions nicht beeindrucken.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur Rodgers agiert derzeit formidabel, auch seine Kollegen scheinen jede noch so kleine Kritik als Herausforderung zu begreifen. Die Defensive sei anfällig, hatte es vor dem Thanksgiving-Spiel geheißen, die herausragende Offensive der Lions, die in dieser Saison mehr als 30 Punkte pro Partie erzielt hatte, könnte davon profitieren.

Und was taten die Verteidiger der Packers? Sie hielten die Lions bis elf Sekunden vor dem Ende bei acht Punkten - erst als das Spiel entschieden war, gelang den Lions noch ein Touchdown. "Man muss einfach locker bleiben, dann klappt das schon", sagte Verteidiger Charles Woodson nach dem Spiel, "man braucht talentierte Spieler, vor allem braucht man in diesem Sport psychisch starke Charaktere."

Genau das könnte die Erklärung für den Erfolg der Packers sein. Freilich haben sie herausragende Spieler im Kader: Aaron Rodgers ist ein großartiger Spielmacher, der wunderbar mit den Passempfängern James Jones, Jermichael Finley und Greg Jennings harmoniert. Charles Woodson und Clay Matthews sind formidable Verteidiger, die sowohl zuverlässig sind als auch spektakuläre Aktionen im Repertoire haben.

Wichtiger für den Erfolg scheint jedoch das Selbstbewusstsein des Teams zu sein, das derart überdimensional ist, dass es gar nicht als Arroganz ausgelegt werden kann. "Natürlich wollen wir unbesiegt bleiben und den Rekord der Dolphins brechen. Wir haben das Talent dazu", sagt etwa Aaron Rodgers. Das ist in etwa so, als würde Mario Gomez sagen: Klar will ich den Gerd-Müller-Rekord brechen, das Talent dazu habe ich!

Der Unterschied zwischen Gomez und Rodgers: Wenn der Packers-Spielmacher so einen Satz sagt, dann lächelt keiner der anwesenden Journalisten, sondern alle nicken anerkennend. Das sagt zwar auch ein bisschen was über amerikanische und deutsche Journalisten aus, sehr viel mehr aber über Aaron Rodgers.

Noch fünf Spiele müssen die Packers in der regulären Saison gewinnen, darunter gegen die Spitzenmannschaften New York Giants, Chicago Bears und Detroit Lions. Danach kommen die Playoffs. Vor allem das Beispiel der New England Patriots aus der Saison 2007/2008 sollte die Packers warnen. Die Patriots verloren nur ein Spiel: das Finale, den Super Bowl.

Das Endspiel in dieser Saison findet am 5. Februar 2012 in Indianapolis statt. Gewöhnlich ist es beim Super Bowl so laut, als würden alle Rockbands der Welt gemeinsam ein Konzert geben und alle Flugzeuge der Welt über das Stadion fliegen. Aaron Rodgers freilich macht das nichts aus. Seine Mitspieler hören ihn schon.

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