Grand Prix in Hockenheim:Der Weltmeister schiebt an

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Die nächste Panne für Mercedes: Lewis Hamilton wird beim Qualifying für den Großen Preis von Deutschland von einem Hydraulikfehler gebremst. Rivale Sebastian Vettel rauscht auf die Pole Position - mit Streckenrekord.

Von Philipp Schneider, Hockenheim

Lewis Hamilton ging auf die Knie. Er zog sich den Handschuh von seiner linken Hand, dann legte er Hand und Handschuh auf dem Halo-Bügel ab, der ja eher als Schutz vor fliegenden Teilen konzipiert worden ist und nicht als Ablagefläche für die Hände eines traurigen Rennfahrers. Aber Hamilton musste sich am Samstag in Hockenheim irgendwo festhalten. Er war jetzt der traurigste Rennfahrer der Welt. Das ließ sich erahnen, obwohl er in diesem Moment den Helm noch immer auf seinem Kopf trug. Denn Kopf und Helm hingen herab, als wiege der Helm tausend Tonnen. Der ganze Rennfahrer sah aus wie ein Grashalm, der seine Spitze in Richtung Erdboden neigt, weil der Wind zu heftig weht. Besorgniserregend war vor allem, dass Hamilton minutenlang in dieser Pose verharrte. Es sah aus, als würde er Abschied nehmen. Von der einst legendären Zuverlässigkeit seines Mercedes. Von einem möglichen Rennsieg in Hockenheim. Vielleicht sogar, so traurig sah er jedenfalls aus, vom fünften Weltmeistertitel seiner Karriere am Ende dieser Saison. Wobei, das wäre etwas voreilig.

"Ich weiß nicht mehr, was ich in diesem Moment gedacht habe", erzählte er später. "Aber wenn du so plötzlich aus dem Auto steigen musst, nachdem dein Herz so gerast hat... und dann hast du das Auto auch noch 100 Meter geschoben..."

Funken sprühen, das Auto schlägt auf den Asphalt

Lewis Hamilton hatte eine schlimme Qualifikation sehr vorzeitig hinter sich gebracht. Schon nach dem ersten Teil des Ausscheidungswettbewerbs war er mit seinem Mercedes über die Streckenbegrenzung gerumpelt, Funken sprühten, das Auto schlug mit dem Unterboden auf den Asphalt, immer wieder. Wie ein Hammer auf den Amboss. "Stop the car", funkte der Kommandostand, er solle den Wagen abstellen. "Die Hydraulik ist in Kurve eins ausgefallen", sagte Hamilton. Ein Technikschaden. Schon wieder. Wie in Österreich zuletzt, als er nach einem Motordefekt aus dem Wagen klettern musste. Es sei kein Fehler des Fahrers gewesen, sagte auch Teamchef Toto Wolff.

"Ich dachte nur daran, das Auto wieder auf die Strecke zu bringen, doch ich wurde vom Team gebeten, es abzustellen. Daraufhin habe ich noch versucht, es an die Box zu schieben, doch es war einfach zu weit, um das noch zu schaffen." - Weltmeister Lewis Hamilton hinter seinem Mercedes. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Aber Hamilton war diesmal kaum zu trösten. "Es fließt so viel Arbeit in ein Wochenende, wenn dann so etwas Unvorhergesehenes passiert wie heute, dann sinkt das Herz", sagte er. Das sei insbesondere ärgerlich, weil der Zweikampf mit Sebastian Vettel so hart geführt werde. Und dann sank Hamiltons Herz noch tiefer. Weil Vettel auf die Pole Position rauschte. In seiner Schlussrunde. Mit Streckenrekord. 1:11,221 Minuten. Hinter ihm starten am Sonntag Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari ins Rennen.

Hamilton beendete das Qualifying auf Rang 14. Sollte das Getriebe an seinem Mercedes ausgetauscht werden müssen, ginge es um fünf weitere Plätze zurück. Hinter ihm würde dann nur noch Daniel Ricciardo stehen, dessen Red Bull sozusagen rundum erneuert werden musste, weswegen er von ganz hinten ins Rennen starten wird.

"Eine ernsthafte Warnung", sagt Mercedes-Chef Toto Wolff

Der trauernde Lewis Hamilton neben seinem Auto war nicht das einzige irre Bild, das diese Qualifikation lieferte. Es gab noch zwei weitere. Bevor sich Hamilton auf den Boden kniete, hatte er noch versucht, seinen Mercedes an die Box zu schieben. Jene 100 Meter, die er meinte. Dabei müsste er eigentlich wissen, dass ihm das nichts genutzt hätte. Das Reglement besagt, dass jeder Fahrer, der während des Abschlusstrainings auf der Strecke liegen bleibt, automatisch ausscheidet. "Ich habe nicht wirklich verstanden, was passiert war", sagte Hamilton, als er wieder bei Sinnen war. "Deshalb dachte ich nur daran, das Auto wieder auf die Strecke zu bringen, doch ich wurde vom Team gebeten, es abzustellen. Daraufhin habe ich noch versucht, es an die Box zu schieben, doch es war einfach zu weit, um das noch zu schaffen."

Das zweite Bild zeigte Toto Wolff, den Mercedes-Chef, unmittelbar nach dem Moment, als Hamilton liegen geblieben war. Zu sehen war, wie er mit seinem Handy einen Anruf entgegennahm. Wer ihn in diesem Moment angerufen habe, wurde Wolff also gefragt. "Es gibt nur eine Person, bei der ich in so einem Moment einen Anruf annehmen würde." Er meinte Dieter Zetsche, den Daimler-Chef. Und ja, was soeben geschehen war, sei eine "ernsthafte Warnung", sagte Wolff.

"Wir kriegen schon brutal Watsch'n im Moment"

Eigentlich wollte sich Mercedes in Hockenheim revanchieren für die Niederlage in Silverstone. In seinem Heimrennen hatte Hamilton auch deshalb den Sieg verpasst, weil ihn Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen zu Beginn gerempelt und gedreht hatte, wonach er zwar zu einer eindrucksvollen Aufholjagd angesetzt hatte, letztlich aber nur auf den zweiten Platz vorgefahren war, hinter Vettel. "Wir kriegen schon brutal Watsch'n im Moment", sagte Wolff.

Besorgniserregend ist aus Sicht von Mercedes vor allem, dass die Ingenieure zumindest vorübergehend den Anschluss verpasst zu haben scheinen an die Kollegen bei Ferrari. Deren Motor sei rund fünf Zehntelsekunden schneller pro Runde, meinte Wolff.

Ob er denke, dass ihm am Hockenheimring eine ähnliche Aufholjagd gelingen könne wie in Silverstone? Ach was, sagte Hamilton, Silverstone sei ein großartiger Kurs, "offen und weit". In Deutschland sei das Überholen deutlich schwieriger. Dann blickte er auf. Und er sah zumindest nicht mehr so aus wie der traurigste Rennfahrer der Welt.

© SZ vom 22.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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