Bryan Cristante vom AS Rom ist ein höflicher, eher schüchterner junger Mann, 25 Jahre alt. Seine Mutter ist Norditalienerin, sein Vater Kanadier, er besitzt beide Staatsbürgerschaften. Der Vorname ist eine Verneigung des Vaters vor dem kanadischen Musiker Bryan Adams.
Das alles tut aber wenig zur Sache. Bei seinem jüngsten Auftritt im Auswärtsspiel der Roma in Bologna am Sonntag unterlief dem Mittelfeldspieler, der mal wieder als Innenverteidiger herhalten musste, weil einige Kameraden in der Abwehr unpässlich waren, beim Stand von 3:0 für die Roma in der 24. Minute ein sehr ungeschicktes, ja ungewohnt tapsiges Eigentor. Gefolgt von einer deftigen Selbstvermaledeiung über das Missgeschick, wie sie einem wohl mal herausrutschen kann, wenn man am liebsten im Erdboden verschwinden würde.
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Nun, Bryan Cristante kombinierte dabei die Wörter Gott und Schwein, und das hört man im katholischen Italien doch eher selten, selbst im ungehobelten Kontext. Es gibt dafür Varianten, die den Sinn übertragen, die aber Gott aus dem Spiel lassen, wenigstens wörtlich: Statt mit "Dio" lässt sich das Tier zum Beispiel mit "due" koppeln, also der Zahl Zwei - lautmalerisch nahe, aber eben doch etwas ganz anderes. Oder mit "zio", Onkel. Oder auch mit "Giuda", Judas, dem Verräter, was schon fast eine Umkehrung ist. Cristante variierte aber nicht.
Die Kameras zoomten sein Gesicht gerade ganz nahe heran, als er im Tor stand, sich am Netz festhielt und sich unsittlich über sich selbst ärgerte. Das Stadion war leer, doch für das Verständnis bedurfte es keines Tons: "Schwein" und "Gott", man konnte die Worte von den Lippen ablesen. Und das so kurz vor Weihnachten!
Sportrichter Gerardo Mastandrea fand, Cristante habe sich da einer blanken Gotteslästerung schuldig gemacht und verhängte eine Spielsperre - streng nach Artikel 37 im maßgeblichen, sportjuristischen Kodex. In seinem Urteil schrieb der Richter, er habe von den Verbandsoffiziellen die Nachricht erhalten, dass der Spieler Bryan Cristante sich blasphemisch geäußert habe. Daraufhin habe er die Fernsehaufnahmen studiert, und ja, tatsächlich: "Es gibt keine Zweifel, der gotteslästernde Ausdruck ist deutlich sicht- und hörbar", schrieb er.
Natürlich ließe es sich nun genüsslich darüber diskutieren, ob das Urteil nicht auch eine böse Frucht der Bigotterie sein könnte. Ein "Porco due" oder ein "Porco Giuda" wäre nicht sanktioniert worden, obwohl dasselbe gemeint ist. Gianluigi Buffon, der allenthalben gerne als Halbheiliger des Calcio gilt, ist bekannt dafür, dass er während der Spiele viel Unheiliges sagt. Auch könnte man darüber streiten, ob eine Blasphemie ähnlich schwer wiegt, wenn der Lästerer mit der Verwünschung eigentlich an sich selbst wendet - so grobschlächtig wie nur immer möglich. Aber vielleicht ist das philosophisch zu kurz gegriffen, theologisch sowieso. Seit 2010 jedenfalls straft die Serie A Spieler wegen Gotteslästerung, vergangene Saison erwischte es Francesco Magnanelli (Sassuolo) und Matteo Scozzarella (Parma). Und außerdem gilt öffentliche Blasphemie in Italien als Ordnungswidrigkeit.
Die Roma gewann das Spiel übrigens 5:1, das Eigentor war nur ein flüchtiges Intermezzo, ohne Einfluss, es brach den Fluss der Dinge nicht. Der Verein verzichtet darauf, in Berufung zu gehen gegen das Urteil des Herrn Sportrichters, was sonst nie vorkommt. Alles wird immer angefochten, prinzipiell. In diesem Fall dachte man wohl, es würde die unselige Geschichte nur noch etwas unseliger machen.