Gonzalo Higuain:Kleines Bäuchlein, große Wirkung

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Lohnender Spreizschritt: Juventus-Stürmer Gonzalo Higuain ist schneller am Ball als sein Gegenspieler und erzielt das 2:0 in Monaco. (Foto: Eric Gaillard/Reuters)
  • Beim Erfolg von Juventus Turin in Monaco ragt Stürmer Gonzalo Higuain mit zwei Toren heraus.
  • Der Argentinier gibt Juve Anlass, wirklich an den Champions-League-Sieg zu glauben.

Von Birgit Schönau

Natürlich spricht noch niemand das Wort "Finale" aus, es gibt ja noch ein Rückspiel gegen AS Monaco, kommenden Dienstag in Turin. Und dass Juventus nach dem 2:0 in Monte Carlo der Finaleinzug kaum noch zu nehmen ist, liegt auch daran, dass Disziplin und Vorsicht ihre hervorstechenden Charakterzüge sind. Stück für Stück geht es voran im Turnier, Meter für Meter, selbstbewusst, aber voller Respekt für den Gegner, ob der nun FC Porto heißt oder Barcelona.

Den Katalanen gönnte Juve im Viertelfinale keinen einzigen Treffer, und vieles spricht dafür, dass auch die Tormaschine aus dem Steuerparadies Monaco in der Festung der Preußen Italiens ins Leere laufen wird. So entschlossen, so zielstrebig und so perfektionistisch wie Juventus spielt in dieser Saison kein anderes europäisches Team. Geboten wird italienischer Effizienzfußball auf höchstem taktischen Niveau und mit fast schon beängstigendem Stehvermögen.

Mit zwei Toren kommt endlich auch Mittelstürmer Higuain in Europas Königsklasse an

Wie Massimiliano Allegris Team den jungen Wilden des Portugiesen Leonardo Jardim in deren Heimarena sein Spiel aufzwang, das war eine Lehrstunde für Fußballgourmets, die lieber Trüffeln im Risotto haben als Goldstaub darüber. Denn die Erdverbundenheit der Italiener, ihre Unerschütterlichkeit, boten nur den Hintergrund für wahrlich glänzende Spielzüge wie jenen zum 1:0, eingeleitet durch eine perfekte Viererkombination und einen Hackenlupfer von Paulo Dybala.

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Kleinlich klang da Jardims Kommentar, die Gäste hätten aus drei Chancen zwei Tore gemacht. In Wirklichkeit bestritt Juventus eine Partie, bei der Monaco nicht mithalten konnte. Die taktische und mentale Überlegenheit der Turiner war erdrückend.

Vergebens versuchten die AS-Torjäger Kylian Mbappé und Radamel Falcao, sich an der Juve-Abwehr vorbeizutricksen, die für diese Gelegenheit ohne falsche Scham verstärkt worden war: An die Stelle des quirligen Offensivartisten Juan Cuadrado schickte Allegri den brasilianischen Defensivroutinier Dani Alves, der nicht nur als Türsteher für die Abwehr agierte, sondern in Abwesenheit des gesperrten Sami Khadira weiter vorn sein Kreativpotenzial entfaltete. Beide Tore wurden von ihm vorbereitet, beide entsprangen machtvollen Konterzügen - beide erzielte Gonzalo Higuain. Ausgerechnet Higuain, für den das Trikot über dem kleinen Bauch immer ein wenig zu knapp erscheint, die Champions League hingegen eine Nummer zu groß.

In der Serie A ist der 29 Jahre alte Argentinier gefürchtet, unerreichte 36 Ligatore erzielte er in der vergangenen Saison für den SSC Neapel, 23 für seinen neuen Arbeitgeber in Turin. Doch in der Champions League tapste Higuain bisher mit läppischen drei Treffern der Konkurrenz hinterher, in der K.-o.-Runde ging er gar leer aus. Als "Gonzlatan" hatten ihn die Franzosen von L'Equipe verhöhnt, eine Anspielung auf Zlatan Ibrahimovic, den ewig Unvollendeten der Champions League.

Tatsächlich fehlt Higuain, der mit Real Madrid zwischen 2007 bis 2012 drei Meisterschaften gewann, immer noch eine internationale Trophäe. Das verlorene WM-Finale gegen Deutschland 2014 empfand er lange als persönliche Niederlage, auch da war wieder mal alle Mühe vergebens gewesen. Genau wie in Neapel, das Higuain nach drei Jahren, 91 Toren und nichts außer einem Italien-Pokal im Gepäck im vorigen Sommer verließ. Eine ganze Stadt verstieß daraufhin den "Verräter", für den Klubpräsident Aurelio De Laurentiis unter lautem Wehklagen die Rekordsumme von 90 Millionen Euro einstrich.

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Doch die Vergeblichkeit blieb auch bei Juve weiter an Higuain haften. Während sein sechs Jahre jüngerer Landsmann Dybala auf der europäischen Bühne als hochbegabtes Juwel gefeiert wurde, schien von Higuain jeder Glanz abgefallen zu sein. In Monte Carlo hatte er endlich seinen großen Auftritt, und im Überschwang verglichen die italienischen Gazetten ihn tags darauf schon mit Cristiano Ronaldo.

Real Madrids Portugiese dürfte sich indes über andere Juve-Spieler den Kopf zerbrechen: über die auch in Monaco mit souveräner Härte agierende BBC-Herren-Abwehr Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini sowie den überragenden Torwart Gianluigi Buffon. Der Kapitän absolvierte sein 100. Spiel für Juventus in der Champions League mit beeindruckender Wachsamkeit und Mobilität. Seine Paraden gegen Mbappé, Falcao und Valère Germain in der Schlussphase sicherten eine entspannte Perspektive fürs Rückspiel.

"Das ist mein Job", sagte Buffon später bei seinem 100 000. Fernsehinterview und schüttelte die originelle Reporterfrage, ob er nicht Ronaldo den Ballon d'Or für den Weltfußballer abluchsen wolle, entgeistert ab: "Daran habe ich wirklich noch nie gedacht." Warum auch, Buffon ist ja längst ein Monument, allerdings auch in seinem 40. Lebensjahr noch so agil, dass Jungs, die seine Söhne sein könnten, an ihm nicht vorbeikönnen. Die Szene, in der er dem frustrierten Mbappé väterlich den Kopf tätschelte, war emblematisch: "Lass gut sein, Junge, du machst das schön hier. Beim nächsten Torwart klappt's bestimmt."

So oder ähnlich dürfte Gigi il Grande zum kleinen Kylian gesprochen haben. Zum Schluss tauschten sie die Trikots - und Buffon gab ein Versprechen. Er sei noch lange nicht fertig, schließlich fehle ihm die Champions League in seiner Titelsammlung. "Und wenn Schluss ist, soll man gefälligst bedauern, dass ich aufgehört habe." Das dürfte so schwierig nicht sein. Vorher gibt es aber noch Formalitäten und ein Finale - auf dem Weg zum sechsten Meistertitel in Serie und zum historischen Juve-Triple.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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