Golfen im Geiste:Mentalgolf

Hau durch den Ball, und lass den Marienkäfer leben - wie das geistige Auge dem Spiel auf die Sprünge hilft

Ernst Fischer

Du musst dir vor dem Schlag die Flugbahn des Balles vorstellen, das ist immens wichtig, sagt der Pro. Also gut. Es sind 145 Meter bis zum Ziel, ich wähle Eisen 5, stelle mir vor, wie der Ball geradeaus startet, in schönem Eisen-5-Flug, nicht zu hoch, nicht zu flach, über das Fairway fliegt, auch über den lästigen Bachlauf kurz vor dem Grün, wie er in leichtem Linksbogen (Draw!) über den rechten Bunker aufs Grün schwebt, dort fünf oder sechs Meter vor der Fahne einschlägt und dann weiterrollt Richtung Fahne.

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(Foto: Illustration: Rita Berger)

Dass er ins Loch hineinfällt, wage ich mir nicht vorzustellen. Bevor ich aber zur praktischen Durchführung schreite, noch ein paar Bemerkungen voraus.

Golf ist ja bekanntlich eine Frage des Kopfes. Deshalb bieten Golflehrer ihren Schülern eine ganze Reihe von mentalen Hilfsmitteln an. Die meist zuerst gehörte ist das Durch-den-Ball-Schlagen, also nicht aufzuhören, wenn es Klack macht, sondern kräftig durchzuschwingen. Der Pro sagt, stelle dir halt jemanden vor, den du gar nicht leiden kannst. Hau drauf und hau durch den Ball. Es gelingt mir nur unzureichend, so groß ist meine Wut auf niemanden, dass ich ihn derartig malträtieren möchte. Noch dazu mit einem Eisen. Schade, dass ich offenbar kein Killer-Typ bin.

Andere Pros und meine Golfkameradin Ela empfehlen den 20- Minuten-nach-Schlag. Nie gehört? Man stelle sich vor, der Ball ist eine Uhr, der große Zeiger steht auf 20 nach. Da soll der Schläger den Ball treffen, das wäre der ideale Einschlagwinkel, also leicht von innen. Ich gebe also dem Ball voll eine auf den Zeiger, er fliegt aber nicht gerade. War wahrscheinlich schon 25 Minuten nach oder noch später. Es muss an meiner angeborenen Unpünktlichkeit liegen, dass mir diese Eselsbrücke wenig hilft. Kürzlich riet mir ein Freund gegen meine Hooks einfach nach rechts zu zielen. Ergebnis: Der Ball flog nicht geradeaus, sondern in schöner Reihenfolge nach rechts.

Für Bunkerschläge gibt es übrigens auch einen visuellen Trick.

Man stelle sich vor, der Ball liegt auf einem Geldschein. Eine seltsame Vorstellung. Ehrlich gesagt, ich würde zuerst den Geldschein vorsichtig aufheben und dann weiter spielen. Aber darum geht es nicht. Der Schlägerkopf soll offenbar unter dem Geldschein durchrutschen, der Ball sanft aufs Grün rollen. So recht will mir das nie gelingen. Vielleicht denke ich immer an einen Hunderter, dabei würde ein Fünf-Euro-Schein gedanklich völlig genügen.

Mein Freund Schorsch, ein wahrer Golfprofessor, litt einmal schwer unter einem Boden- Ball-Schlag. Umgekehrt, nämlich Ball-Boden ist richtig. Also ließ er vor seinem geistigen Auge, ungefähr drei Zentimeter vor dem Ball, einen put - zigen Marienkäfer landen, den er selbstverständlich nicht treffen wollte. Der Mann ist nämlich nicht nur einstellig, sondern auch Tierfreund. Die imaginären Marienkäfer überlebten, der Schorsch traf den Ball wieder korrekt und ist wieder ein glücklicher Mensch.

Ach so, ich bin Ihnen ja noch die Beschreibung der Durchführung meines ausgezeichnet visualisierten Fünfer-Eisen-Schlags aus 145 Metern schuldig. Zusätzlich stellte ich mich positiv ein. Dachte an ein kühles Weißbier und die liebreizende Frau des Clubpräsidenten.

Der Ball startete aber nicht gerade, sondern nach links, flog verdammt flach dahin, überwand mit einem einsetzenden Slice mit Müh und Not den Bach, rollte durch den flachen Bunker auf der linken Seite und hoppelte tatsächlich mühselig aufs Grün.

Das Ergebnis ließ sich durchaus sehen, mit meinem kleinen Film im Kopf hatte das Ganze aber nichts zu tun. Wahrscheinlich ist mit meinem geistigen Auge irgendwas nicht in Ordnung. Jetzt stehe ich vor der Frage, ob ich einen guten Augenarzt aufsuchen soll oder einfach weiter mit leerem Kopf spiele. Völlig gedankenlos. Nun hat aber ein berühmter Golflehrer geschrieben, das Golfspiel sei viel mehr als eine sportlichtechnische Herausforderung, nämlich eine menschlich-mentale.

Wie bei einer Zen-Disziplin diene es dazu, den Charakter zu schulen, sich selbst besser kennenzulernen. Da gibt es allerdings ein kleines Problem: Ich glaube, ich möchte mich gar nicht besser kennenlernen.

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