Süddeutsche Zeitung

Golf: US Open:Untypisch deutsch

Lesezeit: 3 min

Vorjahressieger Martin Kaymer nimmt sein Aus bei den US Open gelassen zur Kenntnis. Tiger Woods scheitert klar am Cut.

Von Frieder Pfeiffer, Chambers Bay/München

Ja, er sei zwar schon Deutscher, hat Martin Kaymer kürzlich erzählt, aber in manchen Dingen sei er aber doch ein ziemlich untypisch deutsch. Das überraschte die Menschen in den USA ein wenig, denn als sie diesen 30-jährigen jungen Mann so richtig kennengelernt hatten, bei der US Open vor ziemlich genau zwölf Monaten, da war er ihnen als der Prototyp des zuverlässigen und gründlichen Deutschen erschienen. "Wie ein deutscher Motor, der läuft wie geschmiert", hatten die Berichterstatter nach seinem sensationell deutlichen Triumph in Pinehurst gejubelt. Acht Schläge Vorsprung auf den Zweiten, eine kleine Golf-Welt. Unaufgeregt und fehlerlos war Kaymer zum zweiten Major-Sieg spaziert. Die Golf-Szene staunte über diesen ruhigen Deutschen, den nichts so leicht aus der Ruhe zu bringen schien. Typisch deutsch, dachten sie.

Und nun, ein Jahr später, staunen sie wieder. Kaymers Titelverteidigung endet bei der US Open in Chambers Bay, Washington, schon vor den Finalrunden am Wochenende. Am Cut gescheitert, elf Schläge hinter den Besten. Auch eine kleine Golf-Welt, nur diesmal eben anders herum. An Kaymers Gemütslage änderte das jedoch wenig, der entthronte US-Open-Champion plauderte am Abend entspannt über sein Tagwerk. So wie er sprach, hätte das Fazit durchaus auch ein sehr zufriedenes sein können. Nein, er wolle nicht zu viel reininterpretieren in das Egebnis von sechs über Par. Die schlechten Schlägen seien eben hart bestraft worden. Hier sprach keiner, der sich grundsätzlich Sorgen machte. Es ist eben, wie es ist, "im Golf kann sich die Welt in einer Woche ändern".

Da war die Lockerheit des Rheinländers dem Düsseldorfer Kaymer näher als die Verbissenheit des ehrgeizigen Deutschen. "Ja, ich bin zwar Deutscher, aber ich gehe nicht so ins Detail", hatte er vor dem Turnier weitere Unterschiede angesprochen. Heißt: Kaymer sah nicht unbedingt die Notwendigkeit, sich ausgiebig vor Ort mit dem zuvor heiß diskutierten Kurs südlich von Seattle zu beschäftigen. Die meisten Kollegen waren im Vorfeld mehrmals an die US-Westküste gereist und hatten den Platz im Kopf in alle Einzelteile zerlegt, jede Welle im Grün, jede Sandfalle, den typischen Wind. Kaymer reiste wenige Tage vor dem Wettkampf an, sagte, noch wisse er nicht, wie er den Platz zu spielen habe. Dann absolvierte er ein paar Runden und musste nun nach zwei Turniertagen bekennen: "Mir hat der Platz eigentlich gut gefallen, leider hat sich mein gutes Gefühl auf der Scorekarte nicht gezeigt." Wer gewinnt, bekommt recht. Wer verliert, muss sich eben Fragen gefallen lassen. Und ist es am Ende auch nur ein Schlag zu, der ihm zur Qualifikation für die Finalrunden fehlte. Wenn einem der Platz theoretisch liegt und die Verfassung "sehr gut" ist - war es am Ende vielleicht die perfekte Strategie, für die Kaymer vor zwölf Monaten noch so gelobt worden war, die er diesmal verpasst hatte, sich zu erarbeiten?

Sicherlich war die entspannte Herangehensweise an das zweite Major des Jahres die direkte Folge eines ebenfalls verpassten Cuts im ersten Major 2015, dem Masters in Augusta. Damals hatte er zu viel gewollt, "zu viel trainiert". Körper und Geist? "Erschöpft". Das wollte er, zumal nach zuletzt weiteren, wie er sagt, "ausbaufähigen" Ergebnissen, vermeiden. Kaymer pausierte nun öfter. Allein, das Ergebnis blieb dasselbe: Gleich noch einmal zwei Tage unfreiwillige Pause. Kaymer bleibt weiter auf der Suche nach der richtigen Balance zwischen Ehrgeiz und Lockerheit, zwischen dem Deutschen und Rheinländer in sich.

Es geht nun früher nach Deutschland, in der kommenden Woche steht das Heimspiel bei der BMW International Open im Turnierkalender. Der Rheinländer Kaymer glaubt daran, dass sich die Welt bis dahin ändert. Ähnliches werden auch Marcel Siem und Stephan Jäger hoffen, die anderen beiden Deutschen in Chambers Bay. Auch sie werden die Heimreise frühzeitig antreten können. Siem, 34, scheiterte wie schon häufig in dieser Saison denkbar knapp. Wie Kaymer fehlte auch ihm ein Schlag für die Runden am Wochenende. Siems Frust nach dieser Pechsträhne, die mehrere Qualifikationen für lukrative Turniere der US-Tour umfasst, dürfte die Tage bis zum Turnier von Eichenried im Münchner Norden brauchen, um dann verflogen zu sein.

Der 26-jährige Qualifikant Jäger, sonst auf der zweitklassigen US-Tour unterwegs, saugte die Atmosphäre beeindruckt auf ("Die Kurse, die wir normalerweise spielen, sind komplett anders") und nahm trotz einer hinteren Platzierung bei 14 über Par, 19 Schläge hinter den besten, ein Erfolgserlebnis mit, wenn auch ein eher zweifelhaftes: In seinem ersten Major blieb Jäger zwei Schläge vor seinem Kindheitsidol Tiger Woods. Der verabschiedete sich mit dem schlechtesten Major-Ergebnis seiner bald 20-jährigen Karriere aus Chambers Bay. Die Serie der Schlechtleistungen nach Jahren voller Rekorde reißt nicht ab. Der 39-Jährige hat sich auf tiefgreifende Weise mit seinem Schwung zerstritten, er ist gefangen zwischen zwei technischen Gedanken und findet keinen Ausweg. Sein von vielen Verletzungen geschundener Körper ist ihm dabei kein freundlicher Begleiter. "Weiter trainieren, weiter daran arbeiten", will Woods. Der Glauben an ein glorioses Comeback des früheren Dominator schwindet jedoch mit jeder Woche. Und die Sorge wächst: Was macht der Golfsport ohne Tiger Woods?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2530079
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.