Süddeutsche Zeitung

Golf:Uh! Yeah!

Der 48-jährige Richard Bland zeigt, was im Golf möglich ist: Man kann auch nach 25 Jahren noch sein erstes Profi-Turnier gewinnen. Die Kollegen feiern den Engländer für seinen Durchhaltewillen.

Von Gerald Kleffmann, Sutton Coldfield/München

Der Schauspieler, Schriftsteller, Regisseur, Drehbuchautor und Dichter Stephen Fry hat 12,6 Millionen Follower bei Twitter, der 63-Jährige aus London ist sehr aktiv auf dieser Plattform. Zuletzt machte der kritische und intelligente Geist auf das Thema der psychischen Gesundheit aufmerksam, er setzt sich zudem für Tiere und das Klima und gesunde Ernährung ein. Er ist also ein Guter. Manchmal mixt er in seine Tweets Botschaften, die völlig überraschen. Die ihm schlicht wichtig sind, auch aus empathischer Sicht. An diesem Sonntag gratulierte er einem Golfspieler. Wirklich.

"Terrific", umwerfend, sei der Turniererfolg des 48 Jahre alten Richard Bland bei der British Masters, schrieb Fry fachkundig in einer kleinen Nachricht und ordnete ein: "Jeder auf der European Tour feiert ihn." Phänomenal. Dieser Fry. Aber auch dieser Bland.

Nun ist Golf eine Sportart, in der Woche für Woche Gewinner gekürt werden, aber bei weitem freuen sich nicht gleich die Menschen für den Besten einer jeden Veranstaltung. So geht's sicher nicht zu. In Richard Blands Fall freilich schienen die Gratulationen kein Ende zu nehmen. Fred Couples, 61, einer der großen Namen des amerikanischen Golfs, teilte mit, er hätte am Wochenende etwas gesehen, "das mich inspirierte". So hoch ging seine Deutung. Lee Westwood, 48, eine Institution im europäischen Golf, meinte: "Das war ein Lehrstück, dass man nie aufgeben sollte." Und was waren die ersten Worte von Richard Bland, dem frischen Inspirator und Vorbild, nachdem er am Samstag im Stechen den nach 72 Bahnen schlaggleichen Italiener Guido Migliozzi mit einem Par-Putt am ersten Extra-Loch bezwungen hatte, auf dem renommierten Platz The Belfry nordöstlich von Birmingham? "Uh! Yeah! Ich hab's geschafft!" Er war überwältigt.

Bland, ein freundlicher, unter den Kollegen auch schon vorher beliebter Zeitgenosse, ist zweifellos ein Beispiel dafür, was im Golf, dieser oft anspruchsvollen Sportart, möglich ist: Seit 1996 treibt er sich in den Profiligen des europäischen Golfs herum, mehrmals sicherte er sich die Tourkarte, die Spielberechtigung, für die European Tour, mehrere Mal aber eben auch nicht. Dann ging es wieder abwärts, auf die Challenge Tour oder zur Tour School, einem wirklich schweren Qualifikationsprozedere. Vor der British Masters hatte er exakt 477 Turniere bestritten, Bilanz: null Siege. Vor zwei Jahren musste Bland wieder durch die Mühlen der Qualifying School. Und bestand sie, als ältester Profi jemals, mit fast 46 Jahren. Im Fernsehen fragte ihn Tim Barter, warum er nicht aufgegeben habe, in dem Alter. "Was sollte ich sonst die nächsten drei, vier Jahre machen? Ich werde immer dicker", sagte Bland. Humor hat er auch. Später umarmten Barter und er einander. Barter ist nicht nur als Interviewer bei Events der European Tour im Einsatz, sondern auch Blands Schwungtrainer.

"Viele Leute sehen im Fernsehen Golf durch die Augen der Rorys"

Bland ist ein Prototyp eines Profis, wie es viele auf der Tour gibt. Sie spielen exzellent, ein, zwei Runden, aber vier Runden konstant auf höchstem Niveau zu bestreiten, gelingt zu selten. Das ist die Kunst im Golf, über 72 Bahnen sehr gut zu sein. Und auch das Glück war diesmal auf Blands Seite, mit einem Putt über neun Meter rettete er sich ins Playoff, so was gehört mal dazu. "Ich brauch' sicher einige Tage, bis ich das alles begriffen habe", sagte der perplexe Bland nach dem Premierensieg. Immerhin wusste er in aller Schnelle: Dafür habe er mehr als 20 Jahre gearbeitet. Sein Caddie Brendan habe ihm sehr auf dem Platz geholfen. Sein Bruder Heath war vor einigen Jahren schwer erkrankt, an ihn dachte er auch: "Das hier ist auch für ihn." Es hat schon seine Gründe, warum Bland so viele schätzen.

Dass er selbst derart überrascht war, lag auch daran, dass er quasi schon mit dem Traum abgeschlossen hatte, einmal wenigstens als Sieger ein Turnier beenden zu können. Sein Ziel war mittlerweile, die 500er Marke an Starts zu erreichen. Und auf die Seniors Tour zu wechseln. Nun hat er die Tourkarte für die kommenden zwei Jahre gesichert, und er kann tatsächlich auf seine vierte Teilnahme bei einem Major hoffen, bei den US Open (17. bis 20. Juni) in Torrey Pines bei San Diego dürfte er ins Feld rutschen. "Ich denke, viele Leute sehen im Fernsehen Golf durch die Augen der Rorys, der Dustins, der Brooks Koepkas, und alles sieht toll aus", sagte Bland. Dabei würden so viele im Schattendasein Kämpfe führen, die eben kaum jemand mitbekäme. Bland hatte bei der Siegerehrung Tränen der Rührung in den Augen. Er hat sich diesen besonderen Moment verdient.

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