Dubai ist weitläufig, aber die Wege im Emirates Golf Club sind verhältnismäßig eng. Etwas mehr als hundert Meter sind es von der Übungsanlage zum ersten Abschlag, zum neunten Grün oder zum 18. Loch, dazwischen liegt auch noch ein Übungsgrün. Es war also von vornherein klar, dass es bei der Dubai Desert Classic zum engen Kontakt kommen würde zwischen den zwei Gruppen der Golfwelt, die sich aktuell nicht besonders mögen: dass einige der besten Spieler der europäischen DP World Tour und der saudi-arabischen LIV-Tour am gleichen Turnier teilnehmen, hat ob der Auseinandersetzung zwischen den Touren Seltenheitswert. Insbesondere, dass sie sich so nahe kamen wie Rory McIlroy und Patrick Reed.
Den Nordiren - Nummer eins der Weltrangliste - und den US-Amerikaner, der 2018 das Masters gewann, zufälligerweise das eine Major-Turnier, das McIlroy in seiner Titelsammlung noch fehlt, verbindet seit Jahren eine Fehde. Diese begann einst sportlich mit fabelhaften Duellen beim Ryder Cup, wird inzwischen juristisch ausgefochten und wurde an diesem Wochenende doch wieder sportlich begangen - weitgehend jedenfalls.
McIlroy gegen Reed, das sollte das bestimmende Thema dieser Tage werden. Man konnte es als das verkleinerte Duell der Touren ansehen: Auf der einen Seite der weiße Ritter der mutmaßlich rechtschaffenen Amerikaner und Europäer, dessen Rüstung manchem Golfspieler aber allzu grell strahlt inzwischen, weil er sich fast jede Woche mit weisen Sprüchen über die Politik im Golfsport meldet.
Reed war einer der ersten auf der neuen LIV-Tour, wo mit noch größeren Schecks bezahlt wird
Auf der anderen Seite Reed, der Anti-Held, der schon zu seiner Zeit am College als schwarzes Schaf galt und mit Kontrahenten hitzige Diskussionen führte. Reed war im vergangenen Jahr als einer der ersten Spieler auf die LIV-Tour gewechselt, um sich von den Geldgebern aus Saudi-Arabien mit noch größeren Schecks bezahlen zu lassen - die Weltranglistenpunkte, die das Turnier in Dubai ihm und seinen LIV-Kollegen brachte, wollte er sich allerdings nicht entgehen lassen.
Wenn man schon mal da ist, kann man alten Bekannten einen guten Tag wünschen, dachte Reed sich jedenfalls am Mittwoch, dem Auftakt einer furiosen Woche in Dubai: Auf der Range trat er an McIlroy heran, schüttelte einem Mitglied von dessen Entourage die Hand und wollte auch dem Nordiren Hallo sagen. Der ignorierte ihn allerdings, weshalb Reed im Weggehen ein kleines Holz-Tee nach ihm warf, mutmaßlich eines mit aufgedruckter LIV-Werbung. Im Grund eine Petitesse, wäre da nicht diese Geschichte, dass Reeds US-Anwalt für McIlroy ausgerechnet am 24. Dezember mittags eine Gerichtsvorladung veranlasst hatte, die der Nordire im Kreise seiner Familie schriftlich erhielt.
Das Thema war der Streit der Golftouren, in dem Reed die PGA Tour verklagt. Er selber hat zwar keine Klage gegen McIlroy direkt laufen, allerdings Unterlassungserklärungen von zahlreichen Journalisten, Tour-Vertretern und anderen Charakteren der Golf-Welt erwirkt, weshalb derzeit eine Menge Leute weder mit noch über ihn reden oder schreiben dürfen. Und diejenigen, die er noch nicht verklagt hat, haben keine große Lust mehr, Reed auch nur freundlich Hallo zu sagen.
McIlroy erklärte den Vorgang im Nachhinein zum Witz, Reed nannte ihn ein "unerwachsenes Kleinkind" und zur Erleichterung aller Beteiligten begann ab Donnerstag das Turnier in Dubai, das dann wiederum aufgrund monsunartiger Regenfälle in der Wüste einen Tag lang unterbrochen werden musste. Aller Regen hinderte allerdings weder McIlroy noch Reed daran, sich bis Montagnachmittag an die Spitze zu spielen, im Falle des US-Amerikaners erneut mit einer mindestens diskutablen Regelauslegung.
Er habe den Sieg mehr genossen, als es sein sollte, sagte McIlroy in Richtung von Reed
In der dritten Runde blieb sein Ball in der Krone einer Palme hängen, Reed allerdings verbesserte seine Lage, indem er behauptete, sein Ball hänge in einer anderen Palmkrone etwas weiter vorne - was die TV-Bilder später als Unwahrheit bloßlegten, weshalb Reed sich erneut mit Betrugs-Diskussionen auseinandersetzen darf. Kurz vor Schluss lag Reed schließlich einen Schlag vor McIlroy, der auf dem 72. Loch allerdings das Duell der beiden mit einem hervorragenden Putt und einem Birdie doch für sich entschied.
Aus sportlicher Sicht also hat die Nummer eins der Weltrangliste ein gut besetztes Turnier zum Jahresstart gewonnen, was im Normalfall keine sensationelle Nachricht wäre. Doch McIlroy gab zu, dass er am Montag um mehr gespielt hatte als nur um seinen dritten Sieg in Dubai: "This is probably sweeter than it should be or needs to be", sagte er. Er habe den Sieg mehr genossen, als es sein sollte, sagte McIlroy in Richtung von Reed, der sich als fairer Verlierer gab und eine Wahrheit aussprach: "Es sind am Ende immer Rory und ich. Wir liefern eine gute Show ab."
Jahrelang war das beim Ryder Cup der Fall und dass beide brillante Golfer sind, würde auch nach den wilden Tagen in Dubai kaum jemand bezweifeln. Die Woche allerdings zeigte auch, dass die sportlichen Konsequenzen aus dem Streit zwischen den Golftouren die Zuschauer bezahlen müssen. Außerhalb der Major-Turniere nämlich werden zwischen McIlroy und Reed weder Holz-Tees noch Gerichtsvorladungen oder Golfbälle hin- und herfliegen: Der eine setzt seine Saison demnächst auf der PGA Tour fort, der andere auf der LIV-Tour.