Süddeutsche Zeitung

Golf:Kann er es noch einmal schaffen?

Nach einem Autounfall im Februar wurde es still um Tiger Woods. Nun meldet er sich mit einem kurzen Video zurück - und versetzt die Golf-Welt in Aufregung.

Von Felix Haselsteiner

Die Ziegen sind wieder zurückgekehrt in die Welt des Golfs. Eine ganze Herde an kleinen Tier-Emojis bevölkert seit Sonntagnachmittag die Kommentarspalten unter einem Video auf Instagram. Das ist zwar nur drei Sekunden lang, dafür ist darin eben ein GOAT zu sehen - keine Ziege, was das englische "goat" eigentlich bedeutet, sondern der Greatest Of All Time: Tiger Woods schwingt wieder einen Golfschläger.

Die Sequenz könnte nicht unspektakulärer sein. Auf einer Golfrange ist Woods zu sehen, in kurzer Hose, einem kurzen Aufschwung folgt das gewohnt satte Geräusch, das man von ihm kennt: Wenn Woods Eisenschläger den Ball treffen, hört sich das meistens genauso an, wie sich ein perfekter Kontakt zwischen Schläger, Boden und Ball eben anhören sollte. Woods finale Pose ist vielleicht noch nicht ganz so ausgereift wie früher einmal, etwas langsamer als sonst wirkt der Schwung auch noch, vor allem aber zeugt ein Strumpf am rechten Fuß davon, dass dieser eine Schwung von Woods bereits ein großer Erfolg für ihn ist. Dass es jemals wieder zu einem solchen Video kommen würde, war lange unklar.

Im Februar hatten die Bilder seines überschlagenen SUVs an einer Hauptstraße in Los Angeles für Schlagzeilen gesorgt, Woods erlitt schwere, aber keine lebensbedrohlichen Verletzungen. Über ein Comeback wollte damals niemand sprechen, auch wenn Einigkeit herrschte, dass man Woods niemals ganz abschreiben sollte. Unwahrscheinlich schien es dennoch zu sein: Mit einem zertrümmerten Knie wieder Profisport betreiben? Das klang unvorstellbar.

Die Frage ist nicht mehr, ob Woods zurückkehrt, sondern wann er wieder ein Turnier gewinnen kann

Seitdem herrschte Stille um die bekannteste Golf-Persönlichkeit der Welt. In den Sozialen Medien postete Woods ab und an Agentur-Inhalte, Werbung, alte Fotos, nichts Originelles und erst recht nichts, das Aufschlüsse über seine Genesung gegeben hätte. Sein Rückzug ins Privatleben in Florida wurde medial akzeptiert, Geschichten über seine Genesung erreichten die Öffentlichkeit nicht - selbst die Journalisten mit den sonst besten Informationen hörten nur vage Gerüchte, etwa, dass er kurze Schläge rund ums Grün spiele. Nicht einmal die Aufnahmen irgendeines Anhängers - normalerweise die Art und Weise, mit der sich Nachrichten heute verbreiten - schafften es in die Sozialen Medien.

Umso überraschender war nun das jüngste Video, das eine Flut an Reaktionen auslöste. Zahlreiche Spieler auf der PGA Tour meldeten sich zu Wort, manche mit Nachrichten wie "Schön, das zu sehen!" vom Australier Jason Day. Andere hinterließen eben einfach nur eine Ziege. "Kann sein Comeback kaum erwarten", schrieb Bryson DeChambeau und stimmte damit in den Chor derjenigen ein, für die eine Rückkehr des 45-Jährigen zum professionellen Sport nun nicht mehr nur ein möglicher Ausgang des tragischen Unfalls ist, sondern vollkommen logisch: Die Frage, das war schnell klar, ist nicht mehr, ob Woods zurückkehrt, sondern wann er wieder ein Turnier gewinnen kann.

Dass die Erwartungshaltung ab dem ersten Schwung gleich wieder dahin geht, ob er im April das Masters in Augusta gewinnen könnte, zeigt, wie sehr Woods in den vergangenen Jahren noch einmal an seiner Ausnahmestellung gearbeitet hat. Als er nach langwierigen und karrieregefährdeten Rückenproblemen 2018 sein 80. Turnier gewann, folgten ihm auf den letzten Metern tausende von frenetisch jubelnden Zuschauern. Ähnlich beeindruckend waren die Szenen im Jahr darauf, als er beim Masters 2019 noch einmal einen Major-Titel auf seine Seite zog. Sieg Nummer 82 folgte beim Zozo Championship im selben Jahr, Woods hatte es noch einmal allen bewiesen: So ein Comeback zu bewerkstelligen und noch einmal unter die Besten der Welt zurückzukehren, wäre vermutlich keinem anderen Golfprofi gelungen.

Neben dem sportlichen Ehrgeiz spielt auch der Marketing-Effekt eine Rolle

Kann er es noch einmal schaffen? Woods Videoankündigung, die in eine Phase hineinsticht, in der auf der US-Tour für einige Monate Ruhe einkehrt, lässt darauf schließen, dass er eine Rückkehr im Frühjahr vorbereiten könnte. Augusta wäre der größtmögliche denkbare Ort, um ein Comeback zu bewerkstelligen, doch wie genau seine Pläne aussehen, wissen nur Woods selbst und sein engstes Team. Klar ist auch, dass neben dem sportlichen Ehrgeiz der Marketing-Effekt eine Rolle spielt: In zwei Wochen steht die von Woods gesponserte Hero World Challenge auf den Bahamas an, spätestens dann wäre das mediale Interesse an ihm besonders hoch geworden - dem kam er nun zuvor.

Und dann gibt es noch die Theorie, die sein über lange Jahre größter Konkurrent aufstellte, nicht ganz ohne Augenzwinkern, versteht sich. "Es ist großartig, Tiger wieder einen Schläger schwingen zu sehen", schrieb Phil Mickelson, 51: "Ich weiß, dass er es nicht aushalten kann, dass ich irgendeinen Rekord halte, also gehe ich davon aus, dass er der älteste Major-Champion aller Zeiten werden will."

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