Golf:Tiger Woods: Rätselraten um seine Zukunft

144th Open Championship - Day One

Letztmals spielte Tiger Woods im August eine offizielle Runde.

(Foto: Getty Images)
  • Innerhalb von 21 Monaten musste sich Tiger Woods dreimal am Rücken operieren lassen.
  • Um den Zustand und die Zukunft des einst weltbesten Golfprofis kursieren eigenartige Debatten.

Analyse von Gerald Kleffmann

Joe LaCava hat zurzeit nichts zu tun, er schlägt viel Zeit tot, und doch ist er nicht unzufrieden. Erstens hat er zwei Kinder, um die er sich kümmern kann. Und zweitens hat Joe LaCava, der wirklich heißt wie ein Detektiv aus einem US-Groschenroman, einen spannenden Job, auf den er stolz ist und auf den er gerne wartet.

Er ist seit 2011 der Caddie von Tiger Woods. Gewöhnlich trägt er die Tasche mit den Schlägern des einst weltbesten Golfers, berät ihn auf den Runden und verdient gut. Doch seit Monaten ist Woods, 40, außer Gefecht, er war verletzt, wurde mehrmals operiert. Natürlich erhielt der angesehene LaCava Angebote zur Überbrückung der beruflichen Auszeit. "Es fragt ständig jemand an, eine Menge Leute haben sich gemeldet", verriet der 52-Jährige dem US-Sender ESPN: "Ich nenne keine Namen, aber ich lehne jedes Mal höflich ab. Ich habe allen gesagt, dass ich derzeit ausschließlich für Tiger arbeiten möchte."

Einerseits ist diese Haltung verständlich, denn Woods schätzt Loyalität. LaCavas berühmter Vorgänger Steve Williams aus Neuseeland musste gehen, weil er unter anderem fremd ging als Caddie. Andererseits ist LaCavas Konsequenz erstaunlich, denn wie es aussieht, ist ja unklar, ob und wann Woods zurückkehrt. Ob er je zurückkehrt? Ein Internetbeitrag nun reichte, um diese Frage zu schlussfolgern.

Tiger Woods wird in die Geschichte des globalen Profisports eingehen

Der renommierte, gut vernetzte US-Golf-Journalist Robert Lusetich schrieb zu Wochenbeginn nur ein paar Sätze: "Mir wurde gesagt, der Zustand von Tiger Woods hat sich verschlechtert. Er kann sich schlecht bewegen. Hat Schmerzen beim Sitzen. Muss im Auto den Sitz komplett zurückklappen. Rückkehr nicht vorhersehbar. Traurig." Das reichte für ein Beben. Längst ist ohnehin klar: Der Tag, an dem der 14-malige Majorsieger aufhören wird - er, der erste Sportmilliardär, der Athlet aus Kalifornien, der seine Disziplin und das Marketing veränderte wie nur wenige vor ihm -, wird in die Geschichte des globalen Profisports eingehen.

Naht dieser Tag etwa schon 2016? Der Eintrag von Lusetich jedenfalls machte rasch die Runde durch soziale Medien und Zeitungen, wurde nicht als Hirngespinst abgetan. Wie sensibel das Thema für manche ist, verdeutlichte eine Reaktion - die des Managers von Woods. Normalerweise winkt Mark Steinberg fast alles durch, was Gerüchte zu seinem Mandanten betreffen. Er könnte jede Woche etwas richtigstellen.

Am Mittwoch schritt der gewiefte Steinberg ein. "Die Tweets, die in dieser Woche über Tigers Gesundheitszustand aufgetaucht sind, sind lächerlich und absolut falsch", zeterte der 50-Jährige. "Es ist inakzeptabel, dass alle paar Monate jemand irgendetwas erfindet und das dann wie eine wahre Geschichte behandelt wird. Tiger arbeitet weiter an seiner Rückkehr, und wir werden zu gegebener Zeit ein angemessenes Statement abgeben."

Ein Video von Woods verleitet Fans gar zu Verschwörungstheorien

Viel ruhiger wurde es nicht. Denn dass er nicht in der Lage ist, aktuell ein aufklärendendes Statement abzugeben, erzeugte zwangsläufig Spielraum für neue Interpretationen. In den Medien reichen die Meinungen seitdem von "Warum ich ihn nicht auszähle" (USA Today) bis hin zu "Sein Karriere-Ende könnte nun da sein" (Doug Gottlieb Show bei CBS Sports).

Schließlich ließ Woods selbst ein Video online stellen, in dem er vor einer Platzsimulator-Leinwand steht und mit einem Eisen einen Ball schlägt. "Mache nette Fortschritte", betitelte er seinen 13 Sekunden langen Beitrag, der wie eine Szene aus einem Computergolfspiel wirkte und manche Fans gar zu Verschwörungstheorien verleitete: Das sei gar kein aktuelles Video von Woods, sondern früher aufgezeichnet und zur Beruhigung platziert worden! Eine verwegene Behauptung, die eines verdeutlicht: Woods im Krankenstand bewegt die Menschen immer noch mehr als mancher Profi, der ein großes Turnier gewinnt.

Seine Karriere, die zwölf Jahre lang wie ein Märchen wirkte, hat sich nicht nur aufgrund privater Turbulenzen Ende der Nullerjahre komisch entwickelt. Der Perfektionist muss bis heute vornehmlich Rückschläge verkraften, Verletzungen, gescheiterte Comebacks, Operationen. Anfang Dezember des vergangenen Jahres, nachdem drei Mal binnen 21 Monaten sein Rücken aufgeschnitten wurde, sah sich Woods erstmals genötigt, einen Rücktritt zu dementieren.

Dem Mythos Woods scheint seine magere Bilanz kaum zu schaden

Sportlich spielt er schon erstaunlich lange keine Rolle mehr. Sein letztes Major gewann er 2008. 2015 hatte er gerade elf Turnier-Auftritte, bei drei Majors verpasste er den Cut. Letztmals spielte er im August eine offizielle Runde. Das Faszinierende wiederum: Dem Mythos Woods scheint diese magere Bilanz kaum zu schaden.

Just in dieser Woche wurde eine Biografie angekündigt, die von zwei US-Autoren gerade verfasst wird. Jeff Benedict und Armen Keteyian preisen in der Ankündigung den Aufstieg und die Fähigkeiten des Profis, betonen aber auch: "Und doch ist er ein sehr Missverstandener." Sie wählten aus gutem Grund die Zeitform des Präsens. Woods bleibt für viele ein Rätsel.

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