Golf:Tiger Woods pflügt durch seine Krise

Golf: Tiger Woods gelingt zurzeit gar nichts - er gibt ein trauriges Bild ab.

Tiger Woods gelingt zurzeit gar nichts - er gibt ein trauriges Bild ab.

(Foto: Matt York/AP)
  • Er schießt Bälle ins Nirgendwo und sein Schläger fliegt durch die Luft: Das einstige Golfidol Tiger Woods erlebt er einen beispiellosen Absturz.
  • Und die Branche fragt sich: Wie tief kann er noch sinken?

Von Gerald Kleffmann

Während seine Kritiker sich in Mitleid und Fassungslosigkeit flüchteten, blieb Tiger Woods ruhig. Und flachste. Gut, Cole Hammer, ein schmächtiger 15-Jähriger, hatte ihn um drei Schläge abgehängt in Runde eins dieser US Open in Chambers Bay, an der Westküste in Washington. "Aber die gute Sache ist doch", sprach Woods nach seiner desaströsen 80 (zehn über Platzstandard), "ich habe wenigstens Rickie in den Hintern getreten."

Ja, Rickie Fowler spielte eine 81. Auch übel. Aber Fowler, 26, hat nicht 14 Majors gewonnen. Er hat den Golfsport nicht verändert. Er hat nicht dafür gesorgt, dass Profis an wichtigen Finalsonntagen eine Phobie gegen rote Polohemden entwickelten.

Der Absturz von Woods geht also weiter. 15 Jahre lang hat er Rekorde aufgestellt, jetzt kriselt er stramm vor sich hin. "Der Künstler, der mal als Tiger Woods bekannt war" - derart zynisch und doch treffend nannte ihn ein US-Internetportal.

Anfang Juni beim Turnier von Jack Nicklaus war Woods schon mit einer 85 aufgefallen, der schlechtesten Runde seiner Profilaufbahn. Dabei hatte er das zweifelhafte Vergnügen erlebt, für eine Distanz von 30 Metern fünf Schläge zu benötigen. "Kurzfristig leiden, um langfristig Erfolg zu haben", so erklärte er sich später und bezog sich auf seine Schwungumstellung. Die begann vor sechs Monaten, damals hatte er den unbekannten Trainer Chris Como verpflichtet.

Schon zu der Zeit unkten Beobachter, das könne nicht gut gehen. Stand jetzt ist: Es geht nicht gut. Wie Woods seine erste Runde auf dem trickreichen Kurs in Chambers Bay hackend und pflügend bewältigte, musste seinen Fans die Tränen in die Augen treiben. "Es schmerzt, es tut weh", sagte ESPN-Experte Andy North, "da steckt so viel Größe in ihm und will raus."

Woods' Fall hat sporthistorische Dimensionen erreicht. Der 39-Jährige war ein von Vater Earl gedrilltes Wunderkind, das als Zweijähriger mit Komiker Bob Hope in einer Fernsehshow puttete. Mit 13 hatten alle großen TV-Stationen über ihn berichtet. Woods planierte teilweise die Konkurrenz, holte schier mühelos Rückstände am Schlusstag auf und sorgte als roboterartiges Spektakel dafür, dass die TV-Quoten emporschnellten und sich die Wirtschaft darum stritt, noch mehr Werbegeld ins Golfbusiness zu pumpen, woraufhin die Preisgelder durch die Decke schossen. Woods gilt als erster Profisportler-Milliardär zu aktiven Zeiten.

Und jetzt? Ist er für viele das ärmste Wesen, das einen Schläger in der Hand hält. Wobei: Nicht mal das schafft er noch. Gerade der Driver, der längste Schläger für lange Abschläge, fliegt bei Woods derzeit gerne über die Schulter ins Nirgendwo, weil die Koordination nicht stimmt.

In Chambers Bay rutschte ihm nun gar ein Eisen weg und flog in den Himmel.

Doku-Drama in Echtzeit

Wie es in Woods aussieht, ist schwer zu sagen, er hat selten tiefe Einblicke gewährt, er wird von einer loyalen Armada abgeschirmt. Für Kontrolle in jeder Situation stand Woods. Seit sechs Jahren steht er nun aber schon für einen oft genug verzweifelt Suchenden. Und für jeden sichtbar, begann einer der größten Brüche im Sportbetrieb mit zertrümmertem Glas. Das Woods-Schicksal ist auch ein privates Schicksal. Sein Leben muss Hollywood jedenfalls nicht verfilmen. Das Doku-Drama in Echtzeit ist nicht zu toppen.

Am 27. November 2009 tauchte die Meldung auf, eines der monstergroßen Autos von Woods sei vor seinem Haus außer Kontrolle geraten und Ehefrau Elin habe mit einem Golfschläger versucht, die Rückscheibe zu zertrümmern, um Woods zu retten. Als dann immer mehr Seitensprünge des Golfers publik wurden, konnte sich jeder zusammenreimen, was Elin Nordegren, inzwischen seine Ex-Frau, tatsächlich vor Wut angestellt hatte.

Bis zu diesem Moment hatte Woods 14 Major-Turniere gewonnen und 79 PGA-Veranstaltungen. Er träumte davon, Jack Nicklaus' Rekord von 18 Major-Triumphen zu erreichen. Vor 15 Jahren gewann Woods die US Open mit 15 Schlägen Vorsprung. Seit 2009 ist ihm kein Major-Triumph mehr geglückt, wenngleich er zwischenzeitlich wieder zur Nummer eins in der Weltrangliste aufstieg. Aber in seiner Liga sind Siege bei regulären Turnieren kein Maßstab. Er wechselte häufig die Trainer. Verletzungen plagten ihn: am Knie, am Rücken. Sein Körper streikte, Operationen waren nötig.

Nummer 195 der Weltrangliste ist Tiger Woods derzeit. Seine Beziehung zur Skifahrerin Lindsey Vonn, die glücklich zu sein schien, ging in die Brüche. Als die Amerikanerin in diesem Mai das Paar-Aus verkündete, dauerte es nicht lange, bis wieder von Untreue die Rede war. Aus der Negativ-Spirale, privat wie beruflich, gelangt Woods offenbar nicht heraus.

Das Mitleid hat selbst längst die Kollegen erreicht. "Wann er zurückkommt?", fragte der Australier Jason Day. "Wir warten alle darauf, dass er zurückkommt und diese Turniere gewinnt, als sei es nichts. Dass er die Leute jagt, als würde er beim Mittwochsturnier im Country Club spielen. Aber werden wir ihn so sehen? Ich bin nicht sicher. Er klettert den Mount Everest hoch, fiel schon ein paar Mal runter und klettert nun wieder hoch."

Woods macht bislang das, was ihm übrig bleibt. Er versichert, er werde arbeiten. Er habe "harte Phasen gemeistert", sein neuer Schwung, der seinen Körper technisch weniger als sein alter beanspruchen soll, weil er ergonomischer vonstatten geht, sei in ihm, nun gehe es nur noch ums Feinjustieren. Für diese Haltung ist er zu bewundern. Tiger Woods flüchtet nicht.

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