Golf:Tiger Woods entdeckt die eigene Verwundbarkeit

2016 Ryder Cup - Morning Foursome Matches

Zurück auf den Spielplatz oder für immer weg vom Golf? Wohin der Weg des inzwischen 40 Jahre alten Tiger Woods führt, ist völlig ungewiss.

(Foto: AFP)

Der erste Sport-Milliardär der Welt trainiert für sein Comeback, doch daraus wird nun nichts. Der Golfer Tiger Woods hat den Glauben an sich verloren.

Von Frieder Pfeiffer

Nach der ersten Überraschung bleibt vor allem ein Wort, das Vergangenheit und Gegenwart von Tiger Woods verbindet. Als der einstige Vortänzer des Golfsports am Montag - drei Tage vor Turnierstart in Napa, Kalifornien - die Welt vom Platzen seiner Rückkehr auf die US-PGA-Tour informierte, ließ er wohl bedacht formulieren: Er fühle sich "nicht in der Lage, mit den besten Golfern der Welt zu konkurrieren". Sein Spiel sei "verwundbar".

In besseren Zeiten hätte Woods dieses Wort nie benutzt. Auch damals, als er 14 Major-Titel gewann, dazu 79 Turniere auf der US-Tour, und dominierende 683 Wochen die Nummer eins der Welt war, präsentierte sich sein Spiel mitunter verwundbar. Doch er hatte die Überzeugung eines In-Zaubertrank-Gebadeten. Woods thronte über der Golf-Welt, weil es ihm selbstverständlich erschien.

Bis 2008 gewann er jedes Major-Turnier, bei dem er vor dem Schlusstag führte. Souverän stand er an der Spitze - immer im Wissen, dass ein schlechter Schlag viel kaputt machen würde. Aber eben auch im sicheren Glauben, dass ihm das bestimmt nicht passieren würde. Die Konkurrenz war davon irgendwann so überzeugt wie Woods selbst - und machte Platz. Woods' Spiel war herausragend. Doch es war sein Kopf, der ihn einzigartig machte, scheinbar unverwundbar.

Heute ist er das nach Lage der Dinge nicht mehr. Seit 2008 hat Woods kein Major gewonnen, seit 14 Monaten hat er kein Turnier mehr gespielt, dafür musste er sich in 20 Monaten dreimal am Rücken operieren lassen. Seinen 40. Geburtstag feierte Woods Ende 2015 im Verletztenstand, seine aktuelle Weltranglistenposition: Nummer 786.

In der vergangenen Woche noch sei Woods sich sicher gewesen, dass er spiele, ließ er nun wissen. Sein Freund und Kollege Jesper Parnevik sah ihn Bälle schlagen und verriet dem Daily Telegraph: "Es ist wie vor 15 Jahren, es könnte spektakulär werden." Woods selbst aber blieb unsicher.

Plötzlich redet er. Und er sagt auch noch was! Wieder einmal lässt Woods die Welt staunen

Er betrieb "soul searching", wie er es nannte, er hörte also in sich hinein. Wenige Tage später war er plötzlich nicht mehr bereit für ein Comeback. Ein verwundbarer Woods, der von der Seele spricht, in der er Antworten sucht - das ist der Woods der Gegenwart. Einer, der plötzlich offen über seine "brutale" Trennung von Skirennläuferin Lindsey Vonn berichtet, der dem Magazin Time Ende 2015 ein Interview gab, in dem er darüber sprach, dass es das vielleicht alles schon gewesen sein könnte. Und einer, der Anfang Oktober als US-Vize-Kapitän im Ryder Cup die Kollegen mit seiner umgänglichen, verbindlichen Art begeisterte.

Phil Mickelson, mit dem Woods einst nichts verband außer die Liebe zum Golf und die fehlende Liebe zum jeweils anderen, schwärmte über den Rivalen, der nun sogar die zweite Reihe akzeptierte: "Er hat einen wirklich guten Plan." Und der junge Patrick Reed sagte nach einer halben Runde mit Woods: "Er hat mir alle Fragen beantwortet, zu Golf oder auch nicht zu Golf, ich werde in meiner Karriere dank dieser neun Löcher so viele Schläge sparen." Früher kostete es die junge Konkurrenz schon etliche Schläge, wenn sie den Namen Woods nur hörte.

Aus der schleichenden Dämmerung der Karriere einer Lichtgestalt ergibt sich eine Frage: Ist Woods zu weich, um wieder erfolgreich zu sein? Vater Earl drillte ihn einst zum kalten Dominator. Heute besucht der plötzlich nahbare Tiger die Schulklasse seiner Tochter und berichtet in Sportklamotten vom Leben als Golfprofi. Er bewegt sich freier. Den Sieg im Ryder Cup feierte Woods gründlich, früher traute er sich nach Turnieren nicht einmal mit Kollegen an die Hotelbar.

Der Körper, angeschlagen durch einen sehr kraftintensiven Schwung, sei in Ordnung. "Ich fühle mich stark", sagt Woods, der auch versichert: "Ich bin dicht dran, und ich werde nicht aufhören, bis ich es erreicht habe." Sein Manager Mark Steinberg sagte Reportern vom TV-Sender ESPN: "Ob es mental ist oder nur das Golfspiel, weiß ich nicht." Schwung, Körper, Seele - alles erscheint verwundbar.

Das Ziel ist jetzt die Hero World Challenge, Woods' eigenes Turnier. Es findet in knapp zwei Monaten statt. Wieder bleibt also viel Zeit für die Seelenforschung. Und für Theorien wie die, dass Woods seine Comeback-Pläne nur aus Marketing-Gründen platziert, immerhin erfährt der Start in die PGA-Saison durch seine Zu- und Absage viel Aufmerksamkeit. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Woods zwischen der öffentlichen Ausschlachtung seiner Eskapaden 2009 und einigen blamablen Golftagen 2015 den Glauben verloren hat. Den an die eigene Unverwundbarkeit. Der erste Sport-Milliardär hat Angst vor der Rückkehr. Die Welt erwartet den Tiger aus dem Zaubertrank. Doch er weiß, dass es den schon lange nicht mehr gibt.

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