Ein Ehepaar auf dem Golfplatz: Er sliced jeden Abschlag in den Wald, wirklich jeden. Als er am 17. Loch schließlich voller Wut und Verzweiflung seinen Schläger weit von sich wegschleudert, sagt sie: "Wirf noch einen Provisorischen hinterher, falls wir den ersten nicht wiederfinden".
Nichts ist witzig an Golf. Und doch gibt es zu keiner anderen Sportart mehr Witze. Wer Golf spielt, muss Witze erzählen. Golf wäre sonst nicht auszuhalten. Golf-Regeln sind streng, absurd, undurchschaubar und kompliziert. Jeder Verstoß ist mit Strafe belegt. Wer im Turnier zu viele Schläge macht, bekommt sein Handicap raufgesetzt und grämt sich. Wer einen Ehepartner hat, der nicht Golf spielt, bekommt jedes Wochenende Scheidungsandrohungen.
Ihr grösster Wunsch: Einmal tot an der Fahne liegen.
Freud hat in einem seiner unterhaltsamsten Werke "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten" die Entlastungs- und Verdrängungsfunktion des Witzerzählens beschrieben. Die Seele will sich durch den Witz entlasten, will Konflikte einsparen, die in der Realität unauflösbar sind. Die Frage, warum es über das Golfspielen mehr Witze gibt als über alle anderen Sportarten zusammen, kann also ganz ähnlich beantwortet werden wie die, warum es in totalitären Staaten so viel mehr Witze gibt als in freiheitlich-demokratischen Ländern und auch, warum die einzigen Witze, die noch besser als Golfwitze sind, jüdische Witze sind. Es geht um die Entlastung der Seele. Die Hälfte aller Schläge, die man heutzutage auf Golfplätzen beobachten kann, wird im Zustand von Zorn, Angst, Verwirrung, Hysterie oder Resignation unternommen. Golf greift das Selbstbewusstsein an. Man kann üben, so viel man will. Man wird es nie wirklich lernen wie Skifahren, Schwimmen oder Radfahren. Weswegen der kürzeste Golfwitz heißt:"Ich kann's!"
Einmal, wenigstens einmal im Leben will Karlheinz an der Vierzehn über das Wasserhindernis schlagen. Hunderte von Bällen hat er schon in diesem Teich versenkt. An diesem Sonntagmorgen hat er sogar gebetet: "Lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt, mach, dass ich heute drüber komme". Als er an der Vierzehn ankommt und einen seiner alten Bälle aufteet, die er für diesen blöden Teich immer in der Tasche hat, teilen sich auf einmal über ihm die Wolken und eine mächtige Stimme ruft: "Halt, warte, nimm einen neuen, guten Ball." Karlheinz nimmt einen neuen Vier-Euro-Ball aus der Verpackung, teet ihn auf, holt aus ... Aber die Stimme sagt: "Halt, warte. Mach einen Probeschwung." Karlheinz tritt zur Seite und macht einen Probeschwung. Die Stimme sagt: "Mach noch einen." Karlheinz macht noch einen Probeschwung. Dann ist es eine Weile sehr still, bis die Stimme sagt: "Nimm doch den alten Ball."
Sehr witzig
Gott kann also auch nicht helfen. Tödliche Besessenheit schon gar nicht. Dann stürmen während der Trauerfeier vier Männer in karierten Hosen und mit Baseballkappen auf dem Kopf in die Kirche, greifen sich den Sarg, bringen ihn zum Golfplatz, legen ihn auf das Grün vom ersten Loch und erklären dem Pfarrer:"Ihr größter Wunsch ist es immer gewesen, einmal tot an der Fahne zu liegen."
Umberto Eco hat die Freud'schen Überlegungen weiter gedacht und noch etwas schöner formuliert: "Lachen ist die Kunst der Vernichtung von Angst. Lachen unterwandert Machtansprüche durch den Abbau der Angst. Was als lächerlich erkannt ist, hat die wichtigste Eigenschaft der Macht verspielt: Angst einzuflößen. Der Witz ist die letzte Waffe von jemandem, der sich mit einer eigentlich unerträglichen Situation abgefunden hat und nur noch mit Worten kämpft." Auch deswegen handeln so viele Golfwitze von Ehepaaren.
Wer Golf spielt oder in einem anderen totalitären System überleben will, muss Witze erzählen. Es ist eine Art Überlebensstrategie. Kein Dichter und kein Psychologe der Welt allerdings hat jemals ergründet, warum Millionen von Golfern es vorziehen, Tag für Tag mit Witzen ihre Angst zu vernichten. Anstatt einfach aufzuhören mit Golf.