War es nun der fabulöse Plan – oder doch einfach nur Whitney Houston? Immer abends, wenn das Solheim-Cup-Team der USA ins Hotel in Gainesville, Virginia, zurückkehrte, trug jemand eine große Musikbox durch die Eingangshalle. Es lief in voller Lautstärke der große Klassiker „I wanna dance with somebody“, Spielerinnen, Caddies und Mannschaftsbetreuer sangen und tanzten – und wer sich nun die Videos im Rückblick anschaut, versteht: Es waren diese Momente, in denen aus Einzelsportlerinnen eine Mannschaft wurde, die schließlich am Sonntagnachmittag den Solheim Cup gewann und der sportlichen Schmach ein Ende bereitete.
Der Zweikampf zwischen den USA und Europa, er war in den vergangenen Jahren nicht nur bei den Männern im Ryder Cup, sondern auch bei den Frauen regelmäßig zum Triumph Europas geworden. Dreimal in Serie hatten die Europäerinnen ihren Titel seit 2019 verteidigt, es war die goldene Ära der eigentlich notorisch unterlegenen Golferinnen diesseits des Atlantiks gegen die übermächtigen Vereinigten Staaten – bis man sich dort einen Plan überlegte.
Golf:Eine Medaille für die Generation Olympia
Golf und die Olympischen Spiele waren lange keine großen Freunde. Doch in Esther Henseleit aus Friesland gewinnt nicht nur die erste Deutsche eine Medaille in dieser Sportart – sondern auch eine, der Olympia etwas bedeutet.
Während im Männergolf längst statistische Analysen eine große Bedeutung haben, dauerte es bei den Frauen ein wenig länger: Es fehlten über lange Zeit die finanziellen Mittel und schlichtweg die Daten, um effizient zu analysieren, wie genau man ein Team zusammenstellen sollte, um den Solheim Cup zu gewinnen. US-Kapitänin Stacy Lewis war es, die nun erstmals einen solchen Plan entwickelte, mit jungen Mathematikern zusammenarbeitete und den Ansatz einer „Number’s person“ wählte, als die sie sich einmal selbst beschrieb.
Lewis etwa wählte am Freitag die Zweier-Paare so aus, dass sie sich statistisch perfekt ergänzten, nicht menschlich – und lag damit goldrichtig: Die 6:2-Führung am Freitagabend war der Grundstein für den US-Sieg. Im starken Kontrast lag sie damit zu den Europäerinnen, wo Kapitänin Suzann Pettersen sich auf ihr Gefühl verließ – und jetzt nach der 12,5:15,5-Niederlage wie die große Verliererin aussieht. Auch wenn der Sonntag noch spannend wurde.
Charley Hull, die gerne kettenrauchend über die Plätze zieht, bringt Nelly Korda völlig aus dem Konzept
Mit Rückstand waren die Europäerinnen in den Finaltag gestartet, doch sie meldeten sich zurück. Vor allem die Britin Charley Hull sorgte für Aufsehen und besiegte im ersten Match die Weltranglistenerste Nelly Korda deutlich. Es war der Moment, in dem der freigeistige Ansatz doch funktionierte: Hull, das enfant terrible des Frauengolfs, die gerne kettenrauchend über die Plätze zieht, brachte die Perfektionistin Korda völlig aus dem Konzept. Ihr Einzelsieg bleibt eine der bemerkenswerten Leistungen der jüngeren Geschichte im Frauengolf, auch wenn es am Ende nur zu einer Aufholjagd reichte – nicht zu einer Umkehrung der Ereignisse.
Die hätten in der Folge andere herbeiführen müssen, auch Esther Henseleit. Auf dem 18. Grün ihres Einzelmatches hatte die deutsche Olympiamedaillen-Gewinnerin die Chance, ihre Gegnerin Andrea Lee zu bezwingen und einen weiteren ganzen Punkt für das europäische Team zu holen, der dringend notwendig gewesen wäre. Henseleits Putt allerdings blieb wenige Zentimeter vor dem Loch liegen, sie teilte ihr Match und beendete ihre Premiere beim Solheim Cup mit insgesamt eineinhalb Punkten aus drei Partien. Ein sehr respektables Ergebnis war das, Henseleit gehört mit ihren 25 Jahren die Zukunft im europäischen Team – das sich allerdings neu erfinden muss.
Die Amerikanerinnen haben den Solheim Cup nach den schmachvollen Jahren voller großer Euro-Triumphe zuletzt zur Chefsache erklärt, den Frauen stehen inzwischen die Erkenntnisse aus dem Ryder Cup der Männer zur Verfügung. Das war spürbar in Virginia, wo von der statistischen Analyse bis zur Auswahl des Soundtracks nichts dem Zufall überlassen wurde: Lewis’ Team war auf eine Revanche aus, während die Europäerinnen sich auf ihre alten Tugenden aus Zusammenhalt und Sportsgeist verlassen wollten. Das reichte diesmal nicht aus, als Antwort auf Whitney Houston.