Golf:Sogar die Schwiegermutter pöbelt

Golf: Patrick Reed isolierte sich mit Klagen übers eigene US-Team. Kollegen gaben ihm nun den Namen "a table for one", weil keiner mit Reed speisen wolle.

Patrick Reed isolierte sich mit Klagen übers eigene US-Team. Kollegen gaben ihm nun den Namen "a table for one", weil keiner mit Reed speisen wolle.

(Foto: Alastair Grant/AP)

Wehklagen, anonyme Beschimpfungen, ein Fast-Handgemenge - das US-Team gibt in der Woche nach der Ryder-Cup-Pleite ein erschreckendes Bild ab.

Von Gerald Kleffmann

Es ist noch nicht lange her, keine zehn Tage, da sagten die Golfspieler des amerikanischen Teams kitschig-schöne Sätze übereinander. "Wir hatten eine spezielle Woche zusammen", sprach Phil Mickelson und kam zu der Erkenntnis: "Dies ist eine wunderbare Mannschaft." Justin Thomas versicherte: "Wir kamen und gewinnen und verlieren als Team." Bryson DeChambeau meinte: "Wir haben als Familie gekämpft." Jim Furyk, der Kapitän, der die zwölf Profis im 42. Ryder Cup, ausgetragen auf der Anlage Le Golf National bei Paris, dirigiert hatte, betonte, wie stolz er auf alle sei. Was die Öffentlichkeit damals wusste: Die USA hatte diesen alle zwei Jahre stattfindenden kontinentalen Kampf gegen Europa mit 10,5:17,5 Punkten verloren. Was die Öffentlichkeit nicht wusste: Wie sehr alle diese anständigen Worte im Rückblick als Farce und Schauspiel zu deuten sind. Denn noch am selben Abend, bei der abschließenden Feierlichkeit mit den Europäern, begann im US-Team die Suche nach Schuld und Sühne.

Zarte Hinweise, dass es um den Zusammenhalt dieser Elite-Auswahl doch nicht allzu rosig bestellt war, waren immerhin schon während der letzten gespielten Einzel am Sonntagnachmittag aufgetaucht. Da hatte sich die Gattin von Patrick Reed, einem der leidenschaftlichsten, aber auch einem extrem polarisierenden Ryder-Cup-Akteur, per Twitter eingeschaltet und sich darüber beklagt, dass ihr Mann nicht mit Jordan Spieth in den Vierer-Formaten am Freitag und Samstag aufgestellt worden war. Spieth und Reed waren bei zwei Ryder Cups eine Macht als Duo gewesen. Angeblich wollte Spieth jetzt nicht mehr mit Reed spielen. "Fragen Sie Jordan", warum es die Trennung gab, hatte Justine Reed, eine frühere Krankenschwester, schnippisch in den Internetkosmos gerufen. Bei der letzten Pressekonferenz brachten beide Betroffenen ihren Bruch nicht zur Sprache. Noch hatte sich offenbar der Wille durchgesetzt, sich mit - wenn auch wohl gespieltem - Anstand aus Frankreich zu verabschieden. Aber schon am Montag, eine Nacht aufgewühlten Schlafs später, begann die interne Schlammschlacht, die selbst bis ins vergangene Turnier in Napa, Kalifornien hineinreichte und immer noch die amerikanische Golfnation beschäftigt. Elemente einer typischen Seifenoper sind enthalten.

Als Erster teilte Reed aus. Der 28 Jahre alte Texaner aus San Antonio beklagte ein "Buddy-System", Vetternwirtschaft, die Furyk gepflegt habe. Es sei verwerflich gewesen, ihn aus heiterem Himmel nicht mit Spieth aufzustellen. Seine Tirade, in der New York Times platziert, wirkte wie ein Fehdehandschuh. Umgehend meldete sich - auch vielsagend: anonym - ein Mitspieler in der knackigeren New York Post zu Wort. Reed sei "full of s ...", ließ dieser wissen. Reed hätte auch Tiger Woods, mit dem er in zwei Vierern agiert hatte, hängenlassen; die beiden holten keinen Punkt zusammen. Prompt kartete Reeds Schwiegermutter zurück; mit seinen eigenen Eltern hat Reed ja vor Jahren gebrochen, ein Familiendrama für sich. "Ein einziges Chaos" habe Furyk erzeugt, pöbelte Janet Kessler Karain im Internet. Spätestens jetzt hätte es das US-Team so darstellen können, dass es eben einen Stinkstiefel gebe. Den passenden Spitznamen soll Reed ohnehin weghaben. "A table for one" heiße er bei Kollegen. Weil Reed keinen mehr zum gemeinsamen Speisen finde. Doch just in diesem Moment wurde ein anderer Graben publik.

Dustin Johnson und Brooks Koepka, der Weltranglisten-Erste und -Dritte, seien bei der Feier der Europäer am Sonntag aneinandergeraten. Man hätte sie trennen müssen. Die US-Golfbibel Golfdigest und die französische Sportzeitung L'Équipe berichteten gar, es gebe eine Vorgeschichte. Beim Hinflug hätte es fast schon ein Handgemenge gegeben, offenbar ging es auch um die Frauen der beiden. Während Johnson das tat, was er am besten kann, nämlich nichts sagen, betonte Koepka, nichts stimme an der kolportierten Version. L'Équipe versicherte, die Atmosphäre im Flieger sei, so ihr Informant, "schrecklich" gewesen. Unter diesen Vorzeichen trat das US-Team an.

Die wahre Tragödie erlitt eine Zuschauerin: Ein Ball traf ihr Auge, sie erblindete auf diesem

An diesem Montag bröckelte jedenfalls Koepkas Darstellung, Furyk bestätigte, ja, es habe eine Auseinandersetzung zwischen Johnson und Koepka gegeben, wenn auch eine "kurze". Aber sie seien wie zuvor beste Freunde, es sei nur ein Gewitter gewesen. Der Eindruck indes erhärtete sich: Längst geht es nicht mehr nur um Schuld und Sühne. Es geht um Wahrheit und Unwahrheit. Darum, den eigenen Kopf zu retten nach der Niederlage.

Mickelson, der fünfmalige Major-Champion, der in Paris völlig außer Form war, hatte noch vor Ort von der Schönheit und Eignung des anspruchsvollen Platzes wie ein Lyriker geschwärmt. Beim US-PGA-Turnier in Napa befand er nun auf einmal, der Kurs sei aufgrund des Roughs, des hohen Grases am Rand der Bahnen, "unspielbar" gewesen. Er werde sich so etwas nie mehr antun. Das war eine 180-Grad-Wende. Auch der loyale Furyk, der zuvor keinen seiner Spieler gebrandmarkt hatte, konterkarierte jetzt sein Verhalten - und versicherte im Golfchannel, Reed habe seit langem gewusst, er und Spieth würden nicht zusammen spielen. Reed wurde entblößt.

Das schlimmste Los freilich traf eine französische Zuschauerin; diese wahre Tragödie ereignete sich am Rande. Corine Remande, 49, war beim Ryder Cup von einem Ball im Auge getroffen worden, sie verlor auf diesem ihre Sehkraft und will den Veranstalter verklagen. Nach einem Abschlag über 300 Meter waren Warnrufe offenbar unerhört geblieben (was wohl gerichtlich zu klären sein wird). Theoretisch hätte auch den Europäern dieses folgenreiche Missgeschick passieren können. Die Fans standen dicht gedrängt zu Tausenden umher. Aber es war Koepka, der, ohne Absicht natürlich, das Unglück bewirkte: "Mein Herz ist gebrochen", sagte er, "sie wird nie wieder auf dem Auge sehen können. Alles nur, weil ich einen Golfball schlug."

Dieser 42. Ryder Cup war für die Europäer, die vereint wie so oft in diesem Wettbewerb auftraten, ein Ereignis, an das sie sich gerne erinnern dürften. Für das US-Team nimmt die Veranstaltung schon jetzt die Form eines Traumas an, das sie zu verarbeiten haben.

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