Spätestens, als Scottie Schefflers Ball auf dem Inselgrün des 17. Lochs im Tournament Players Club in Sawgrass landete, musste man sich mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Langeweile noch zum Problem werden könnte in der Karriere der früheren und neuen Nummer eins im Golfsport. Tausende Geschichten hat dieses Golfloch geschrieben. Die Bahn ist gerade einmal 120 Meter lang, aber das kleine Grün umgibt ein See, hinzu kommt ein gemeiner Wind, der sich immer erst dann zeigt, wenn der Ball in der Luft ist. In diesen Momenten steht schon fest, ob ein Schlag in die Geschichte der Players Championship eingehen wird.
An Drama mangelte es auch im Jahr 2023 nicht. Drei Asse gab es verteilt über die vier Turniertage, am Sonntag allerdings zeigten sich die Schwierigkeiten so deutlich, dass man selbst Scheffler mit seinem großen Vorsprung noch zutrauen musste, dieses Turnier kurz vor Schluss aus der Hand zu geben. Er stand nur ein paar Meter entfernt auf Loch 16, als seine Konkurrenten aus der Gruppe davor, Tommy Fleetwood und Cameron Davis, ihre Bälle ins Wasser schlugen, so wie ein großer Teil des Feldes am Sonntag.
Golfer Jon Rahm:Mit göttlicher Sanftmut
Zum zweiten Mal in Serie tritt der Spanier Jon Rahm als Weltranglistenerster bei der Players Championship an. Über einen Spieler, der zu allem fähig ist - und dabei nie seine Wurzeln vergisst.
Scheffler allerdings schätzte den Wind perfekt ein, ließ sich keine Nervosität anmerken, traf das kleine Ziel, und weil er sich zu diesem Zeitpunkt einen Vorsprung von fünf Schlägen erarbeitet hatte, wusste man bereits da: Der Sieg beim Players würde ihm nicht mehr zu nehmen sein.
Scheffler fällt mir einer zurückhaltenden Einschätzung seiner Fähigkeiten auf
Dass Golfturniere im besten Sinne langweilig sein können, ist kein allzu neues Phänomen. Tiger Woods hat Anfang der Zweitausender eine Phase geprägt, in der Zuschauer bei aller Faszination für die Eiseskälte und Genialität des Spielers wussten: Die finalen eineinhalb Stunden am Sonntag werden keine Achterbahn-, sondern eine Autobahnfahrt der Gefühle. Vor und nach Woods haben Spieler es immer wieder geschafft, über Monate zu dominieren, Dustin Johnson etwa oder Brooks Koepka, beide inzwischen auf der LIV Tour, wirkten an manchen Wochenenden schlichtweg unschlagbar - egal, was die Konkurrenz versuchte. Genau wie heute Scheffler, der zwar weniger spektakulär, dafür aber fehlerlos spielt. Der Vorwurf der sportlichen Langweile ist also durchaus gerechtfertigt.
Es wäre allerdings ungerecht, Scheffler mit Woods, Johnson oder Koepka zu vergleichen - allein schon wegen seines Lächelns. Nach seinem sechsten Sieg innerhalb von 13 Monaten ist es zu einer gewissen Routine geworden, dem 26-Jährigen beim Gewinnen zuzuschauen: Eine Umarmung mit seinem engsten Vertrauten, Caddie Ted Scott, ist Teil des Prozederes, genauso wie einige Tränen in den Armen seiner Frau Meredith. Doch die initiale Reaktion im Moment des Sieges ist bei Scheffler stets ein ehrliches, glückliches Auflachen.
Schefflers Art und Weise, mit seinem unbestreitbaren Talent für große Siege umzugehen, ist durchaus besonders. Im Kontrast zu Spielern wie Woods oder Koepka, die nicht einmal in den großen Momenten ihrer Karrieren ihre Aura der einhundertprozentigen Selbstgewissheit ablegen konnten, strahlt Scheffler eine nahbare Unsicherheit aus, eine überaus zurückhaltende Einschätzung seiner Fähigkeiten. "Alles, was ich tun kann, ist zu versuchen, einen guten Schlag zu machen, der Rest liegt nicht in meiner Hand", sagte er nach seinem Sieg. Es ist Teil seiner religiösen Überzeugung, nicht alles bestimmen zu können, was ihm im Leben - und auf dem Golfplatz - widerfährt.
Nicht nur große Siege, sondern auch knappe Niederlagen definieren Schefflers Weg an die Weltspitze
"Ich war stets davon überzeugt, dass ich sehr gut bin, aber ich war mir auch nicht ganz sicher", hat der große Jack Nicklaus einmal gesagt - ähnlich könnte Schefflers Herangehensweise an den Golfsport eingeordnet werden, der selbst die Besten auf den Boden der Tatsachen zurückholt.
In den vergangenen Monaten waren es nicht nur große Siege, sondern auch knappe Niederlagen, die Schefflers Weg an die Weltspitze definierten: Bei der US Open 2022 scheiterte er mit einem Schlag Rückstand, das Finale um die Gesamtwertung der Saison, den FedEx-Cup, verlor er auf dem finalen Loch. "Es war nicht leicht für mich, damit umzugehen", sagte Scheffler. Er sei ausgelaugt gewesen und habe sich das Selbstvertrauen wieder zurück erarbeiten müssen, um gewinnen zu können: "Jetzt fühlt es sich dafür umso besser an", sagte er lächelnd.
Bleibt die Frage nach der Langeweile, die sich in den kommenden Wochen weiterhin stellen könnte: In zwei Wochen wartet das Match-Play-Turnier in Austin/Texas, Schefflers Heimatstadt, das er im vergangenen Jahr gewann. Danach folgt das Masters, das er 2022 ebenfalls in überragender Manier für sich entscheiden konnte. Indizien genug, um die These zu stützen, dass er für eine gewisse erzählerische Monotonie sorgen könnte - wären da nicht die feinen, netten Geschichten, die Scheffler immer wieder mit seinen Siegen mitliefert.
Am Sonntag etwa spazierte seine 88-jährige Großmutter Mary, die unweit des Golfplatzes wohnt, fünf Stunden lang mit einem Rollator neben ihrem Enkel her über den Platz. "Sie hatte ein schwieriges Jahr mit Opas Tod", erzählte Scheffler, es sei daher schön gewesen, diese Woche Zeit mit ihr zu verbringen. Und nebenbei war eine innige Umarmung mit Oma ein netter Zusatz zu der Routine, die Scottie Schefflers Siegen inzwischen innewohnt.