Saudi-Arabien:Jetzt holen sich die Golfer die Millionen ab

Saudi-Arabien: Mann des Volkes? Golfprofi Phil Mickelson.

Mann des Volkes? Golfprofi Phil Mickelson.

(Foto: AP)
  • Am Donnerstag beginnt für die Golfer das "Saudi International" in Saudi-Arabien.
  • Zahlreiche namhafte Spieler nehmen an dem Golfturnier teil.
  • Kritik für seine Teilnahme kassiert vor allem Publikumsliebling Phil Mickelson.

Von Gerald Kleffmann

Unter amerikanischen Golffans, von denen einige Millionen existieren, dürfte in diesen Tagen die Vorfreude groß sein. Scottsdale steht an. Mit der lautesten, trashigsten Atmosphäre, die es auf der US PGA Tour gibt. Das Turnier namens Waste Phoenix Management. Man muss vorsichtig sein mit Superlativen, aber das, was sich von Donnerstag an vier Tage lang allein entlang der 16. Bahn im Tournament Players Club (TPC) in Arizona abspielt, ist einzigartig. 20 000 zumeist beschwipste, teils (oder überwiegend) sturzbetrunkene Fans begleiten jeden Schlag auf der Par-3-Bahn, nur 148 Meter lang, grölend, krakelend. Den "Fan Code of Conduct" liest dort sicher niemand, denn da steht geschrieben, Fans sollten Alkohol "in vernünftiger Weise" konsumieren, wie ulkig.

Das Fairway ist von riesigen Logenboxen wie in einem Amphitheater eingerahmt, und die Spieler lassen sich gern verhöhnen, feiern und abklatschen, vor allem einer wie Phil Mickelson. Dreimal siegte der Publikumsliebling dort. Lefty, wie sie den Linkshänder nennen, versteht es, mit dem Volk zu spielen. Nur: Diesmal hat er sich andere Claqueure ausgesucht. Er wird fehlen, und das nehmen sie ihm etwas krumm.

Jedermanns Liebling Mickelson spielt lieber in Saudi-Arabien. Einen imagemäßig heikleren Ort, um ihrem Beruf nachzugehen, können sich Sportler weltweit gerade wohl kaum aussuchen.

Boxen, Tennis und nun Golf

Die Strategie, mit der das Regime auf der Arabischen Halbinsel sich der Welt neuerdings präsentiert, ist zu offensichtlich. Offener, moderner soll das Land wirken; fähig, global bedeutsame Events auszurichten, wie sie Katar oder Dubai längst beherbergen. Kraft des Ölreichtums wird nun aufs Tempo gedrückt. Das Festival "Riyadh Season" lockte Millionen an, Anthony Joshua erboxte sich in Riad im Dezember PR-wirksam den WM-Gürtel, kurz darauf kamen acht Tennisprofis der Weltspitze, um in einem Showturnier Millionen unter sich aufzuteilen.

Nun sind die Golfer dran. Und sie kommen bereitwillig, auch wenn tatsächlich einige absagten wie der Nordire Rory McIlroy, der in britischen Medien mit den Worten zitiert wurde: "Nein, ich fahre nicht, und es sind zu hundert Prozent moralische Bedenken." Das Vielsagende vor allem an seiner Absage war: McIlroy lässt sich durch und durch vermarkten, aber selbst er kennt Grenzen. Für das "Sportswashing" Saudi-Arabiens will er sich nicht instrumentalisieren lassen.

Die Saudi International, mit 3,5 Millionen Dollar dotiert und zur European Tour zählend, erlebte 2019 in King Abdullah Economic City ihre Premiere. Schon damals gab es Kritik, schließlich fährt man nicht einfach so in ein Land, in dem Menschenrechte missachtet, Kritiker weggesperrt oder gefoltert und manche, wie 2018 der Journalist Jamal Khashoggi, in offiziellem Auftrag ermordet werden.

Mickelsons Sicht: "Ihr kümmert euch um euch, ich um mich!"

Damals siegte Dustin Johnson (USA), und die Verwunderung über seine Teilnahme hielt sich wohl deshalb in Grenzen, weil sich der 35-Jährige selten mit Gedanken zu komplexen Themen verdächtig machte. Mickelson, 49, indes ist eine gestandene Persönlichkeit. Zwar eine, die gerne an der Börse zockt und in die Schlagzeilen geriet wegen angeblichen Insiderhandels.

Aber er ist auch immer der Mann des Volkes gewesen, authentisch, geradeaus, ein Verfechter amerikanischer Werte. Dazu zählt natürlich, den Dollar zu ehren. Anders, als es vielleicht in Deutschland wäre, schlug ihm daheim nie Neid dafür entgegen, dass er auch dank Sponsorenverträgen auf dem Weg ist, unfassbar reich zu werden. Doch nun hat er offenbar einmal zu oft die Hand aufgehalten.

Selbst Medien, die ihre US-Helden sanft anzupacken pflegen, drückten ihre Enttäuschung aus. "Für eine Gage verkauft Phil Mickelson sein Gewissen", titelte die Tagenszeitung USA Today. Golf-Digest, die Bibel der Szene, schrieb: "Es geht nur um Geld." Die Antrittshonorare sollen zwischen 300 000 und drei Millionen Dollar schwanken, und nicht nur das: "Die Spieler kriegen die feinsten Unterkünfte, ihre Frauen werden wie Prinzessinnen gepampert", so Golf-Digest weiter. Mickelson führte an, er werde im Juni 50 und wolle eine neue Region sehen. Der bekannte Sportjournalist Ewan Murray von der englischen Zeitung Guardian spottete via Twitter, wenn er so scharf auf einen Besuch sei, könne er ja auch privat mal hinfahren.

Daraufhin passierte Erstaunliches: Mickelson verlor die Fassung, bezeichnete den Rat als "dumm" und meinte: "Ihr kümmert euch um euch, ich um mich!" Eine Replik, die Mickelson, sonst stets von Sympathien begleitet, teils beleidigende Kritik einbrachte. Tiger Woods (nicht am Start) sah sich genötigt, seinem Freund beizuspringen. Er verstehe die Politik hinter allem, sagte der 15-malige Majorsieger bei ESPN: "Aber Golf kann auch vieles heilen helfen." Darüber hinaus würden auch andere mitspielen (wie Martin Kaymer). Es war der Versuch, dieses Turnier alltäglicher erscheinen zu lassen. Aber angesichts der Begleitumstände ist es noch ein weiter Weg dorthin.

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