Ryder Cup:Plötzlich ein Herz und eine Seele

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Beste Unterhaltung beim Mannschaftsfoto: Die Gäste-Auswahl aus Europa hat vor dem Ryder-Cup-Duell mit den USA schon mal viel Spaß. Die Frage ist natürlich: Wer lacht am Ende? (Foto: Patrick Smith/AFP)

Außenpolitik mit anderen Mitteln: Die USA wollen sich im Ryder Cup für die vielen deftigen Niederlagen rehabilitieren. Doch Europas Golfauswahl wirkt mal wieder wie eine verschworene Truppe.

Von Gerald Kleffmann, Sheboygan/München

Es gibt jetzt schon ikonische Bilder. Obwohl nicht mal ein offizieller Golfschlag stattfand. Wie etwa Ian Poulter, der ultimative Mr. Ryder Cup, bei einer Proberunde einen Eisenschläger querlegt und entlang des Schaftes Richtung Fahne blickt, wie ein Jäger im Unterholz. Wie Amerikas Kapitän Steve Stricker und Europas Kapitän Padraig Harrington mit dem Pokal posieren, dem heiligen Gral. Stolz und Sehnsucht strahlen sie aus. Wie die Fans zu Tausenden bei den Proberunden zusehen. Wie sich Justin Thomas die Schuhe anmalen ließ, die er trägt. Die Freiheitsstatue links, Uncle Sam rechts, mit diesen Motiven wird er über den schweren Whistling Straits Golf Course schreiten, nördlich von Milwaukee am Lake Michigan gelegen. Auf seinem zweiten Paar steht: "We the people". Ist das nicht der Beginn der amerikanischen Verfassung? Genau.

Wer das für übertrieben hält, einen Wettkampf derart politisch aufzuladen, hat den Ryder Cup wohl noch nicht erlebt. Er ist politisch. War er immer. Auch wenn sich die meisten Profis bestens kennen, weil sie sich ständig auf den großen Turnieren begegnen: Beim Ryder Cup erinnern sie sich ihres eigenen Kulturkreises, ihrer Herkunft, ihres Heimatkontinents. Und noch mehr leben die Fans: alte Welt gegen neue Welt. Der Umstand, dass Geld mal nicht an erster Stelle steht, zumindest bei den Spielern, nährt zusätzlich das Bestreben nach Ehre und Ruhm. Preisgeld-Millionen in Dollar oder Euro sind ja nicht ausgeschrieben.

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An der Rollenverteilung vor der 43. Ausgabe jenes Wettbewerbes, der 1927 erstmals stattfand und nach dem Preisstifter benannt wurde - dem britischen Saatgut-Händler Samuel Ryder -, hat auch Corona nichts geändert. Nun, von Freitag bis Sonntag, stehen sie sich also wieder gegenüber, mit einem Jahr Verzögerung: Hier die oft genialen Einzelkönner aus den USA. Dort die geschlossene Truppe der Europäer. Fast jedes Mal war das US-Team Favorit, doch nur drei der letzten zwölf Treffen gewann es. Ein Desaster.

Nur 5780 Menschen seien auf dem Mount Everest gewesen, macht Harrington klar

Das nun folglich korrigiert werden soll. Vor allem wollen die Amerikaner dem ewigen Vorwurf begegnen, reine Ich-AGs zu sein, unfähig zum Teamgeist. Exakt das unterstrichen sie oft. Beispielhaft 2014, im schottischen Gleneagles. Noch auf dem Podium nach der Klatsche demontierte Phil Mickelson den angeschlagenen Kapitän, die alternde Legende Tom Watson. Krisenstäbe im US-Verband wurden daraufhin ins Leben gerufen, Komitees gegründet, das Bild: Der Ryder Cup ist US-Außenpolitik mit anderen Mitteln. Wobei die Zeiten des kalten Krieges, immerhin, überwunden sind. 1991 in Kiawah Island standen sich die golfenden Lager gar derart feindlich gegenüber, dass vom War on the Shore gesprochen wird. Bernhard Langer dürfte ob seines entscheidenden Zweimeter-Putts, den er rechts am Loch vorbei schob, noch immer schweißgebadet aufwachen.

Heute beschimpfen sich die Spieler zwar nicht mehr, aber dieses uramerikanische Selbstverständnis, the greatest nation an earth zu sein, schwingt noch immer in den Auftritten des US-Teams mit. Zu ihrer Verteidigung: Gut, dass sie so sind, die europäischen Golfer hätten sonst stets nur halb so viel Freude gehabt, als sie mal wieder als vermeintlicher Außenseiter den Favoriten zerrupften. Das letzte Mal 2018 in Paris. Auch damals folgte in der US-Auswahl die übliche Debatte um Egoismen und Eitelkeiten.

Befreiungsschlag mit links: Rechtshänder Bryson DeChambeau übt auf einer Proberunde eine Rettungsaktion mit der falschen Führhand. Der Platz am Lake Michigan dürfte den Spielern in diesem Ryder Cup noch viele Aufgaben stellen. (Foto: Charlie Neibergall/AP)

Die letzten Tage, ehe es losgeht, sind fast so spannend wie die Wettkämpfe selbst. Die Teams definieren in diesen Momenten ihre Haltung, mit der sie dem Gegner entgegentreten. Sämtliche Psychotricks werden ausgepackt, um sich stark zu reden. Die Europäer, angeführt vom Weltranglisten-Ersten Jon Rahm aus Spanien und den Veteranen Poulter, Lee Westwood und Sergio Garcia, bekamen diesmal ein Video vorgesetzt, nur 2:33 Minuten lang, in dem der ganz große Pathos angerührt wurde, schlicht mittels Zahlen, unterlegt mit Sequenzen früherer Erfolge. 5780 Menschen nur seien auf dem Mount Everest gewesen, erfuhren die Spieler, 570 im Weltall, 445 wurden Fußball-Weltmeister. Und gerade 164 Europäer hatten die Ehre, im Ryder Cup zu spielen. Wem schwillt da nicht die Brust?

Bernhard Langer kam als Nr. 92 im Video vor, Martin Kaymers Siegputt in Medinah wurde ebenfalls reingeschnitten; in Whistling Straits darf der zweimalige Major-Sieger als einer der Vize-Kapitäne dabei sein, als Dank für seine Verdienste. USA Today schrieb ob dieser Video-Motivationsmethode, Team Europe erhalte bereits vorab "den ersten Punkt auf der Anzeige".

Die Amerikaner müssen teaminterne Spannungen korrigieren - und warten mit einer Überraschung auf

Auch die Stimmung im US-Team wirkt gut, kein Wunder, acht der besten zehn Spieler in der Weltrangliste sind Amerikaner. Wobei es doch Spannungen zu korrigieren gilt. Vor wenigen Tagen hatte Brooks Koepka mit einem Interview die Gemüter erhitzt, als er darin meinte, sich im Ryder Cup unterzuordnen, sei für die Selfmade-Akteure der PGA Tour schwer. Eine Steilvorlage für Paul Azinger, der 2008 das US-Team zum Sieg als Kapitän geführt hatte und damals das "Pod"-System erfand.

Er unterteilte seinen 12er Kader in drei Töpfe, nur die vier Spieler in ihren jeweiligen Töpfen wurden miteinander für die Wettbewerbsformate Vierball (jeder der zwei Teammitglieder schlägt einen eigenen Ball) und Vierer (zwei Teammitglieder schlagen abwechselnd einen Ball) kombiniert. Azinger sprach Koepka die Ryder-Cup-Tauglichkeit ab. Der ließ prompt Bilder folgen. Auf der Driving Range gaben sich Koepka und Bryson DeChambeau, seit Monaten öffentlich im Clinch, überraschend wie ein Herz und eine Seele, wenn auch nur kurz. Aber der Kurs ist klar: Die Amerikaner versuchen es diesmal auf die europäische Art.

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