Finale der Golf-Tour:Kurz noch mal die Welt retten

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Strahlender Sieger vor strahlendem Himmel: Rory McIlroy freut sich über seinen nächsten großen Erfolg. (Foto: Kevin C. Cox/AFP)

Der Nordire Rory McIlroy spielt das beste Golf seiner Karriere, obwohl - oder gerade weil - er die Galionsfigur im Kampf gegen die aberwitzig dotierte neue Konkurrenztour geworden ist.

Von Felix Haselsteiner, Atlanta/München

Nur wenige Minuten nach seinem Triumph hatte Rory McIlroy wieder die Rolle eingenommen. Als der Nordire am Sonntagabend im East Lake Golf Club in der Nähe von Atlanta seinen finalen, kurzen Putt ins Loch geschoben hatte, stand offiziell fest, dass er in sportlicher Hinsicht der dominante Spieler des Jahres war. Der Sport ist jedoch nur ein Teil der Erklärung, warum McIlroy derzeit die herausragende Figur im Golfsport ist.

Den FedEx-Cup, die Gesamtsaisonwertung auf der PGA Tour, gewann er mit einem beeindruckenden Schlussspurt, in dem er den favorisierten Amerikaner Scottie Scheffler zwei Bahnen vor dem Ende noch abfing. East Lake bietet die Bühne für solche Aufholjagden, keiner bespielt diese Bühne erfolgreicher als McIlroy, der die prestigeträchtige Saisonwertung zum dritten Mal in seiner Karriere gewann.

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Als er am Sonntag auf der Pressekonferenz Platz nahm, dauerte es trotzdem nicht lange, bis es nicht mehr um seinen sportlichen Erfolg, sondern wieder um Sportpolitik ging. Es sei ein "herausforderndes" Jahr gewesen, sagte McIlroy, in dem er sich nicht immer auf den Sport habe konzentrieren können, weil er seine andere Rolle spielte: die des kritischen Beobachters, der inzwischen aber auch selbst eingreift.

"Wenn man an etwas glaubt, muss man auch darüber sprechen", sagt McIlroy - und kritisiert die LIV-Tour

Kein anderer Spieler tritt so offensiv gegen die neue, saudi-arabische LIV-Tour auf wie McIlroy, keiner benennt so deutlich die entstandenen Probleme - und keine Stimme eines aktiven Spielers hat so viel Gewicht. "Jedes Mal, wenn ich die Chance bekomme, versuche ich den Ort zu verteidigen, an dem man aus meiner Sicht am besten professionelles Golf spielen kann", sagte McIlroy über seine Bemühungen für die PGA Tour gegenüber dem Sportswashing-Tool der Saudis. Ob ihm das nicht auf Dauer zu anstrengend werde, wurde er gefragt: "Nein, ich denke nicht", sagte er: "Wenn man an etwas glaubt, muss man auch darüber sprechen. Ich hasse, was sie ( die LIV-Tour, Anm.) dem Golfsport angetan haben. Ich hasse es. Wirklich."

Die aktivistische Position, die McIlroy im Streit der Golftouren einnimmt, sucht ihresgleichen in der Sportwelt - man stelle sich als Vergleich einen wöchentlichen Pressekonferenz-Kommentar von Lionel Messi gegen die Super League vor. Als im Februar klar wurde, dass Saudi-Arabien bald Ernst machen würde mit ihrer lang geplanten Gründung einer eigenen Golftour, hätte McIlroy die Chance gehabt, mit den Investoren aus dem Nahen Osten einen hohen dreistelligen Millionenbetrag auszuhandeln und die Touren zu wechseln.

Für jedes Problem eine Lösung: Rory McIlroy glänzt derzeit auch mit dem Schläger. (Foto: Kevin C. Cox/AFP)

Er hätte auch den Weg des geringsten Widerstands gehen und sich - wie viele seiner Mitspieler - nicht zu dem Thema äußern können. McIlroy aber entschloss sich zu wortgewaltigen Statements, zu offener Kritik gegenüber den Spielern, die wechselten, und letztendlich zu einer Zusammenarbeit mit Tiger Woods, um Neuerungen auf der PGA Tour umzusetzen.

Von denen, daraus machte McIlroy keinen Hehl, wird auch er selbst finanziell profitieren, aber Geld spiele für ihn ohnehin längst keine bedeutende Rolle mehr: "Von allen, die beim Turnier im Feld waren, habe ich am wenigsten an das Preisgeld gedacht", sagte er nach seinem Sieg. McIlroy zählt ohnehin zu den reichsten Sportlern der Welt, sein Aktivistenstatus wird dazu beitragen, dass sich daran auch nicht so schnell etwas ändert. Die Basis für seine Rolle als Sportpolitiker erarbeitet er sich allerdings nicht auf Pressekonferenzen, sondern auf dem Platz: McIlroy ist in der besten Phase seiner Karriere, es fehlt zur Perfektion allein der seit acht Jahren erhoffte nächste Sieg bei einem Major-Turnier.

Einzigartig waren die Ereignisse in East Lake auch deshalb, weil die Amerikaner in McIlroy einen Europäer auserkoren haben, um die PGA Tour zu verteidigen. Scheffler, der Masters-Sieger, Justin Thomas, der Sieger der PGA Championship, Publikumsliebling Jordan Spieth - sie alle wären patriotische Kandidaten für die Rolle als Verteidiger der alten Welt neben Tiger Woods. Diese nimmt nun allerdings McIlroy ein, der nebenbei auch noch daran arbeitet, das europäische Golf zu retten.

McIlroy versucht, talentierte Europäer wie den Österreicher Sepp Straka davon zu überzeugen, nicht dem Lockruf des Geldes zu folgen

Erstens, indem er in zwei Wochen in der Nähe von London bei einem Heimturnier antritt, während andere nach großen Siegen eher Ferien machen würden. Zweitens, indem er die Hoffnungsträger fördert: Spieler wie Viktor Hovland aus Norwegen, Jon Rahm aus Spanien und Matt Fitzpatrick aus England sollen die europäischen Ryder-Cup-Ambitionen erhalten, McIlroy will daher verhindern, dass auch sie zur Saudi-Tour wechseln.

Neuerdings zählt zu dieser Elite-Gruppe auch der Österreicher Sepp Straka, der mit seinem siebten Platz im Saisonfinale seinen Aufstieg in die Weltspitze krönte: Der 29-Jährige aus Oberwaltersdorf ist als 39. der Weltrangliste aktuell der erfolgreichste deutschsprachige Golfspieler; vor einem Jahr lag er auf Platz 214, nun spielt er in anderen Sphären. McIlroy nennt er als eines seiner europäischen Vorbilder, die Chancen stehen gut, dass beide im kommenden Jahr im Ryder Cup in Rom gegen die USA antreten.

Bis dahin hat Rory McIlroy freilich noch einiges zu tun, in all seinen Rollen: Die Debatten um die LIV-Tour werden nicht abreißen, sondern eher noch schärfer geführt werden. Die nächste Chance auf einen Major-Titel wartet im kommenden April beim Masters, jenem Turnier, das ihm noch fehlt, um den Karriere-Slam zu schaffen. Und neben alldem wird McIlroy auch noch zu Hause gebraucht. Als er nach Turnier und Pressekonferenz seine Rolle als Sieger beziehungsweise als Sportaktivist abgelegt hatte, wurde er zum Vater - immerhin eine Rolle mit angenehm leichten Themen: Seine Ehefrau Erica Stoll und Tochter Poppy berichteten am Telefon, dass es gerade Makkaroni mit Käse zum Abendessen gegeben hätte, während Papa Rory mal wieder den Golfsport rettete.

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