Golf:Reed und sein Rudel

Erstmals seit 2008 triumphiert das Ryder-Cup-Team der USA gegen Europas Golfer. Aus der zerstrittenen Gruppe ist binnen zwei Jahren eine Familie geworden.

Von Gerald Kleffmann, Chaska/München

Er blickte zur Seite, er sah, dass Lee Westwood die Kappe abgenommen hatte. Obwohl sein Ball vor dem Loch gestoppt war, wusste Ryan Moore: Es war geschafft. Der letzte Putt wurde ihm geschenkt vom Engländer, eine Sitte beim berühmtesten Lochspielwettbewerb der Welt. Von den zig Geschichten, Dramen, Momenten voller Adrenalin, Freude und Frust war Moores Sieg (1 auf) jenes Kapitel, in dem die Entscheidung fiel. Die USA führten dank seines Punktes 15:10 und konnten von Europa nicht mehr eingeholt werden. Auch wenn noch andere Duelle liefen; 14,5 Punkte hätte der Gastgeber im Hazeltine National Golf Club in Minnesota benötigt von den an drei Tagen zu vergebenden 28 Punkten.

"Vor einer Woche wusste ich nicht einmal, dass ich hier sein werde", sagte Moore nach einigen Champagnerduschen. Er war als Letzter per Wildcard für seine Auswahl nominiert worden. Jetzt war der knuffige 33-Jährige aus Tacoma, Washington, vom Aufrücker zum Erlöser aufgestiegen. Wie Martin Kaymer 2012. Nach drei Pleiten in Serie hatten die USA den Ryder Cup 17:11 gewonnen. "Ich bin stolz, dass unsere Jungs die Trophäe wieder nach Hause gebracht haben", twitterte US-Präsident Barack Obama, womit die Bedeutung des Triumphes höchstoffiziell wurde. Für den Zeremonienmeister des Erfolgs aber war anderes wichtiger. "Am meisten stolz bin ich auf die Art, wie alle als Familie zusammenstanden", sprach Kapitän Davis Love III.

2016 Ryder Cup - Singles Matches

Amerikas Team, aufgepeitscht von Patrick Reed (rechts), bedient auch bei der Siegerehrung (bis auf Rickie Fowler, Mitte) alle Klischees eines sehnlich erwarteten Happy-Ends.

(Foto: Andrew Redington/AFP)

Dieser 41. Ryder Cup stellt tatsächlich eine Zäsur dar. Die Amerikaner haben die Europäer erstmals mit deren Stärke bezwungen: Teamgeist. Wiederholt hatten die USA in diesem Jahrtausend diesen vermissen lassen, Tiefpunkt war Gleneagles vor zwei Jahren, als Phil Mickelson Teamchef Tom Watson wie einen weltfremden Greis dastehen ließ und Zerwürfnisse publik machte. Getroffen in ihrem Stolz erkor die zuständige PGA of America das Heimduell 2016 panikartig zu einer Mission, als ginge es darum, den Mars bewohnbar zu machen. Fast alle Kräfte, die etwas zu sagen haben im US-Golf, waren seitdem involviert. Die Idee, eine elfköpfige Task Force ein neues Team bauen zu lassen, um die verdammte Dominanz Europas zu stoppen, ging auf. Klärungsbedarf haben diesmal die Europäer.

Love verteilte seine Macht auf Dutzende Personen, holte Tiger Woods als Vize, Bubba Watson, der sich nicht qualifizierte, durfte als Helfer mitwirken und schwärmte von seinem größtem Erlebnis im Golf - obwohl er außen vor war. Love hat viel dirigiert, wenig diktiert, er bündelte die Meinungen seiner zwölf Spieler in die bestmöglichen Zweier-Aufstellungen, riss in den Vierer-und Vierball-Matches keine funktionierenden Duos auseinander. Als zu entscheiden war, ob Patrick Reed und Jordan Spieth letztmals zusammen auflaufen, fragte Love Woods um Rat. "Du musst sie rausschicken", sagte Woods. Der 14-malige Majorchampion, dessen eigene Karriere am Ausdörren ist, weiß wie kein Zweiter, was ein Momentum ist. Love hat dem US-Team Zusammenhalt gegeben - und Reed, 26, aus San Antonio das Wissen, dass die USA wieder einen Siegertypen haben; dass er ein emotional leader ist, wie ihn der Engländer Ian Poulter in Bestform vor Jahren verkörperte und der einst charismatische Kampfgolfer Seve Ballesteros auch.

Ryder Cup 2016

Patrick Reed hat sich im Ryder Cup eine Sonderrolle erkämpft. Er holte als bester Amerikaner 3,5 Punkte und triumphierte im Einzel gegen McIlroy.

(Foto: Erik S. Lesser/dpa)

Als Reed vor einer Woche aus dem Haus ging, sagte er, wie seine Frau Justine erzählte: "Ich muss meinen Job machen." Im Hazeltine National Golf Club sagte er bei einem Meeting jedem im Team: Er spiele fünfmal! Also die maximal mögliche Anzahl an Einsätzen. Das Erstaunliche: In einem Team voller Major-Gewinner widersprach ihm keiner. Reed, noch ohne ganz großen Titel, früher wegen schlechten Benehmens aus dem Uni-Team geworfen, hat sich im Ryder Cup eine Sonderrolle erkämpft. "Er ist Captain America für uns", sagte Spieth, der die Show seines Dauerpartners genoss, der aufgepumpt schwierigste Balllagen meisterte. Lange Putts lochte. Aus dem Fairway den Ball versenkte. Hüpfte, jubelte, schrie, als würden ihn Stromstöße durchfluten. Bei täglich 60 000 Fans, die meisten im biergeschwängerten "Ju-Es-Äy"-Brüllmodus, kochte die Stimmung über. Dass Love ihn am Sonntag als Ersten ins Einzel schickte, sagte alles über seine Stellung, die auch den Gegnern höchsten Respekt abverlangte. "Wir sind in ein Einmann-Wolfsrudel geraten", sagte der Brite Justin Rose. Reed holte als bester Amerikaner 3,5 Punkte; das Einzel gegen Rory McIlroy gewann er.

Der Nordire hatte seinerseits Europas Führungsrolle übernommen, weil er aber sein Einzel gegen Reed verlor, war Thomas Pieters, sein Partner an den ersten zwei Tagen, mit vier Punkten besser als er (drei). Teamchef Darren Clarke hatte dem Belgier eine Wildcard gegeben, eine gute Wahl. Angreifbar machte sich der Nordire bei anderen Entscheidungen. Er riss starke Duos wie Sergio Garcia/Rafa Cabrero Bello auseinander, Wildcard-Pick Lee Westwood, sein Spezl, war ein Flop. Auch Masters-Sieger Danny Willett, dessen Bruder mit einem Artikel Stimmung gegen die USA gemacht hatte, enttäuschte und wurde im englischsprachigen Netz ebenso vernichtet wie Kaymer, der immerhin das Einzel gegen Matt Kuchar ohne Bogey gewann; nur stand der Sieg der USA da schon fest.

Pieters holt vier Punkte

Ryder-Cups im 21. Jahrhundert

2002 Europa - USA 15,5:12,5

2004 USA - Europa 9,5:18,5

2006 Europa - USA 18,5: 9,5

2008 USA - Europa 16,5:11,5

2010 Europa - USA 14,5:13,5

2012 USA - Europa 13,5:14,5

2014 Europa - USA 16,5:11,5

2016 USA - Europa 17:11

Die erfolgreichsten Spieler in Hazeltine

USA: Reed (3,5 Punkte), Snedeker (3)

Europa: Pieters (4 Punkte), McIlroy (3)

Die erfolglosesten Spieler in Hazeltine

USA: Walker, Holmes (je 1 Punkt)

Europa: Willett, Westwood (je 0 bei 3 Einsätzen),

Sullivan, Fitzpatrick (je 0 bei 2 Einsätzen)

Wie immer bleiben aber Aktionen für die Ewigkeit. Mickelson und Garcia lieferten sich ein Duell, das ESPN an Boxschlachten zwischen Ali und Frazier erinnerte. Es fielen 19 Birdies, ehe das Remis feststand. Weniger rühmlich waren "einige wenige Idioten", wie McIlroy jene Pöbler meinte, die über die patriotischen Rufe hinaus Obszönitäten vor allem ihm an den Kopf warfen; einen Fan ließ McIlroy vom Platz werfen. Trotzdem, betonte er, sei es fair abgelaufen, man sei nicht auf Vergeltung aus und werde beim nächsten Showdown 2018 in Paris das europäische Publikum nicht aus Trotz aufwiegeln. Er äußerte sogar Verständnis für die Fans, die schon um 7.30 Uhr mit den Bechern begannen. " Wir spielen bis 17 Uhr", sagte McIlroy lächelnd: "Ich weiß, dass ich auch fertig wäre. Und ich weiß nicht, was ich dann alles sagen würde."

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