Qualifikationsturniere im Golf:Mondays for Future

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Hoffen auf den großen Schwung: Andres Gonzales bestritt über 15 Jahre lang rund 100 Qualifikationsturniere - durchschlagenden Erfolg hatte er nie. (Foto: Eric Bolte/USA Today Network/Imago)

Bei Qualifikationsturnieren darf jeder Golfer versuchen, es ins Hauptevent zu schaffen. Für die weniger begabten Profis ist die Ausscheidung purer Existenzkampf, für Spitzentalente die Chance auf eine große Karriere. Ein Ortsbesuch.

Von Felix Haselsteiner, San Antonio

Bereits nach neun Löchern reift bei Brian Davis die Erkenntnis, dass der große Traum an diesem Montag nicht in Erfüllung gehen wird. 36 Schläge hat er auf der ersten Hälfte seiner Golfrunde gebraucht, das ist "nur" der Platzstandard. Der allerdings wird nicht reichen, um einen der ersten vier Plätze zu ergattern, die jeder der 56 Spieler an diesem Montag gerne erreichen möchte. Gerade als die texanische Vormittagssonne über dem Fair Oaks Ranch Golf & Country Club außerhalb von San Antonio herauskommt, steht daher schon fest, was in den kommenden zwei Wochen nicht passieren wird: Davis wird von Donnerstag bis Sonntag nicht bei der Valero Texas Open auf der PGA Tour spielen. Er wird dort nicht überraschend gewinnen, auf einen Schlag mehrere Millionen verdienen und in der kommenden Woche beim Masters in Augusta antreten.

Brian Davis' Karriere und sein Leben werden sich also nicht schlagartig verändern bei diesem unscheinbaren Qualifikationsturnier an einem Montag zwei Wochen vor dem Masters, auf einem Golfplatz, auf dem normalerweise pensionierte Air-Force-Piloten ihre Runden spielen, die umliegend wohnen - und nicht eine Reihe von Golfspielern, die ihrem großen Traum hinterherjagen.

Wie ein Spieler hierher gekommen ist, zählt nicht. Sondern nur, was er auf den 18 Löchern leistet

Monday Qualifiers nennen sich diese Turniere, die die Professional Golfers Association der USA (PGA) an den meisten Montagen der Saison ausrichtet. Vier Startplätze werden dort ausgespielt für das große Turnier von Donnerstag bis Sonntag, das mit den tausenden Zuschauern und den Millionenpreisgeldern. Montage gehören im Golf also nicht den weltbekannten Spielern, sondern denen, die um ihre Existenz kämpfen: Die Qualifikationsturniere sind auf der PGA Tour eine Institution, weil sie den Charakter von Golf als offener Sport unterstreichen - das Turnier, bei dem alle mitspielen wollen, heißt nicht umsonst Texas Open. Der Weg nach oben ist also in der Theorie für jeden möglich, es braucht 500 Euro Antrittsgeld, verdammt gutes Golf und vor allem: Durchhaltevermögen.

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"Es sind überwiegend frustrierende Tage", sagt Davis nach seiner Runde. 48 Jahre alt ist der gebürtige Engländer, der in den 90er-Jahren schon einmal ganz vorne mit dabei war: Auf der European Tour gewann er damals mehrfach, beinahe sogar einmal in den USA, im Jahr 2010. Dann folgten die schweren Jahre: Davis musste mehrere Rückenoperationen überstehen, bekam in der Halswirbelsäule eine Bandscheibenprothese eingesetzt und findet sich nun auf Platz 3331 der Weltrangliste wieder. "Vor drei Jahren hätte ich gar nicht geglaubt, dass ich hier noch einmal mitspielen werde", sagt Davis, der sich sein Geld als Trainer in seiner Wahlheimat Orlando in Florida verdient. Hoffnung setzt er darauf, in zwei Jahren auf der Tour der Senioren antreten zu können - und auf die Montage: "Für jeden, der hier spielt, ist das die Chance seines Lebens. Wie du hierher gekommen bist, zählt nicht - es zählt nur das, was du auf 18 Löchern leistest."

Es ist ein typisch buntes Feld in San Antonio, nur etwas kleiner als üblich: 56 Spieler treten an, jeder spielt gut genug, um eine Chance zu haben - und fast jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Der Schwede Jonas Blixt und der Amerikaner Matt Every waren vor einigen Jahren Kandidaten für die Ryder-Cup-Mannschaften, nun spielen sie mit jungen College-Absolventen und Haudegen wie Davis um einen Startplatz, der alles verändern kann. Immer wieder hört man unter den etwa 30 Zuschauern auf der Anlage den Namen des Kanadiers Corey Conners, der 2019 an derselben Stelle antrat und danach die Valero Texas Open gewann. Seitdem hat Conners knapp 14 Millionen US-Dollar an Preisgeld verdient.

"Golfprofis sind in gewisser Weise Zocker, die auf sich selbst wetten, immer und immer wieder", sagt Andres Gonzales. Nur, wie beim Lotto gilt: "Meistens verlieren sie die Wette." Der 39-Jährige ist eine Art Gegenstück zu Conners: Über 100 Monday Qualifiers hat Gonzales gespielt, 15 Jahre lang war er auf unterklassigen Touren unterwegs, mit bescheidenen finanziellen Mitteln. Durchdringenden Erfolg hatte er nie. Vor einem Jahr entschied er, seinen Traum erst einmal aufzugeben, inzwischen arbeitet er fürs Fernsehen und fürs Radio - unter Montagsqualifikanten hat er weiterhin Legendenstatus.

Ein Tag, der alles veränderte: Seit der Kanadier Corey Conners sich 2019 über ein Qualifikationsturnier den Weg auf die Profitour bahnte, hat er knapp 14 Millionen Dollar an Preisgeld verdient. (Foto: Mike Mulholland/Getty Images)

"Ich habe nie zur Weltspitze gehört, aber mondaying konnte ich ganz gut", sagt er am Telefon. Das Spiel an sich sei nicht das Problem, sondern die Einstellung: "Normalerweise hat man bei einem Turnier vier Tage Zeit, da gewinnt man mit Geduld. Am Montag zählt hingegen jeder einzelne Schlag. Das ist wie Schach und Schnellschach." Gonzales hatte mit der Zeit seine Tricks, so buchte er nie vorab den Rückflug am selben Tag: "So macht man sich die Einstellung kaputt." Das Gefühl, nach 18 Löchern abzureisen, meist allein, weil man sich die Kosten für den Caddie spart, kennt Gonzales: "Bei acht von zehn Versuchen scheitert man mit hängendem Kopf."

Dass Bart Wilson sich am Ende seiner Runde mit seiner Familie in den Armen liegt, ist daher besonders. Wie Davis scheitert auch er an diesem Montag deutlich. Nur traurig will er nicht sein, genauso wenig wie Vater Doug, der ihn als Caddie begleitet hat und ihm trotz einer Runde mit fünf Schlägen über Par sagt, wie stolz er auf ihn sei.

Ein paar mal im Jahr jagt er den Traum vom Top-Golfer, ansonsten ist er Kieferorthopäde

"Es ist ein absoluter Traum, hier spielen zu dürfen", sagt Wilson, der als Amateur angetreten ist - und sich morgen wieder um seine Patienten kümmern wird. Im normalen Leben ist der 35-Jährige Kieferorthopäde und nur nebenbei ein verdammt guter Hobbygolfer. Ein paar Mal im Jahr versucht er, die Qualifikation für eines der Turniere zu schaffen, die Texas Open sind das Hauptziel: "Der Platz, wo das Turnier stattfindet, ist in der Freizeit mein Heimatplatz - ich würde dort einfach gerne mal gegen die Besten antreten."

Die Qualifikationsturniere im Golf sind fast einzigartig (im Triathlon etwa gehen Breitensportler regelmäßig mit den Profis ins Rennen). Ranglisten-Tennisspieler aber haben so wenig Zugang zu Turnieren der ATP-Tour wie talentierte Skifahrer zu Weltcuprennen. Im Golf jedoch gibt es eine Möglichkeit, wenngleich selten. "Irgendwann wird es klappen", sagt Wilson, der nun für sich und seinen Vater Tickets fürs Wochenende besorgen will - immerhin zuschauen wollen die beiden. Den Traum erfüllen sich vier andere Spieler: der talentierte Ire David Carey gewinnt das Turnier vor drei Amerikanern. Einen Pokal gibt es nicht, dafür Applaus von den Air-Force-Rentnern, die kurz darauf mit ihren Golfcarts ausschwärmen: Der Fair Oaks Ranch Golf & Country Club gehört ihnen wieder.

Brian Davis ist längst auf dem Weg zum Flughafen, wie die Mehrheit seiner 50 Mitspieler. In vier Wochen steht der nächste Monday Qualifier an, dann für das PGA-Tour-Turnier in Mexiko City. Immerhin kann er in dieser Woche damit leben, dass es nicht gereicht hat, sagt Davis, der in seinem Alter die Weisheit hat, auch in schlechten Tagen auf dem Golfplatz das Gute zu sehen.

Hätte er die Qualifikation geschafft und hätte er tatsächlich am Wochenende auf wundersame Art auch das große Turnier gewonnen und sich damit für das Masters qualifiziert - es hätte ohnehin nur für Probleme gesorgt. Am Masters-Samstag nämlich heiratet Davis zum zweiten Mal: "Kein Problem also, da nicht Golf zu spielen."

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