Brooks Koepka ist ein außergewöhnlich schneller Golfspieler, doch nun ließ er sich Zeit. Sekundenlang lag er seinem Caddie Ricky Elliott in den Armen auf dem 18. Grün des Oak Hill Country Clubs in Rochester, New York, wo er soeben die PGA Championship gewonnen hatte. Eigentlich ein recht normales Bild, Woche für Woche zu sehen bei Golfturnieren: eine emotionale Umarmung nach einem großen Sieg, vielleicht ein Ansatz von Tränen in den Augen. Besonders wurde es dadurch, dass es der Mann mit dem Pokerface war, der auf einmal von seinen Gefühlen eingeholt wurde.
Der fünfte Major-Sieg des Brooks Koepka erzählt viele Geschichten, emotionale, sportliche, sogar höchst politische. Aber auf einer ganz persönlichen Ebene berichtet er vor allem von der Entwicklung eines Athleten, der sich einst zu cool fand für solche Emotionen - und der in den vergangenen Jahren auf dem härtest möglichen Weg lernen musste, dass sie der Antrieb sind für alle Erfolge.
Im Nachgang, auf der Pressekonferenz, entschuldigte Koepka sich für seine Wortwahl, als er seinen Gemütszustand beschrieb. Der sei entstanden, weil er sich an all den "fucking shit" erinnert hatte, der seine Karriere in den vergangenen drei Jahren bestimmt hatte, in diesem Siegesmoment: "Niemand weiß von all dem Schmerz ... es hat sich jetzt einfach gut angefühlt."
Ein banaler Ausrutscher zuhause hatte im Frühjahr 2021 die Karriere des großen, muskulösen Koepka, der seine Karriere auch in jedem Kontaktsport hätte verbringen können, gefährdet. Eine Kniescheibe sprang ihm damals raus, er wollte sie selbst wieder einrenken, brach sie dabei allerdings, ruinierte sein Knie und musste operiert werden. Koepka wollte schnell wieder weitermachen und verzichtete auf eine angemessene Reha, doch auf einmal hatte er sein Körpergefühl verloren: Aus dem selbstsicheren Koepka, der in den Jahren 2018 und 2019 vier Majors gewonnen hatte und zu den besten Spielern der Welt zählte, wurde innerhalb von einem halben Jahr eine tieftraurige, unsichere Persönlichkeit.
Man weiß das alles deshalb so genau, weil ihn in dieser Phase Kameras von Netflix begleiteten, für eine Dokumentation über den Profigolfsport, die nun im Rückblick vor allem Koepka dabei zeigt, wie er nicht mehr wusste, was er mit seiner Karriere anstellen sollte. Die Unsicherheit wurde mit der Zeit so groß, dass er im vergangenen Jahr eine bedeutende Karriereentscheidung traf und zur saudi-arabischen LIV-Tour wechselte. Das passte eigentlich gar nicht zu ihm, weil Koepka jung ist und nicht wegen des Geldes Golf spielt, sondern wegen der Aussicht auf Ruhm. Nur schien dieser zu diesem Zeitpunkt so weit weg zu sein, dass das viele saudische Geld eben doch reizvoller wirkte.
Schnell, druckvoll und ohne Fehler: Er hat sein überlegenes Spiel wiedergefunden
"Es war wesentlich schlimmer, als ich öffentlich zugegeben habe. Nur fünf oder sechs Menschen wissen, wie schwierig es wirklich gewesen ist", sagte der 33-Jährige nun in Oak Hill über diese Phase, in der er sich in seiner Wahlheimat Florida verkroch. Er habe sich "wie Glas gefühlt", er sei immer wieder zerbrochen, sagte er bei Netflix. Und doch begann er langsam, mit seinem Trainerteam an der Rückkehr zu arbeiten, um zu altem Selbstvertrauen zu kommen: Koepka war bekannt als Killer, ein hochprofessioneller Athlet, ein gnadenlos kompetitiver Spieler - und er ist es inzwischen wieder, die Dämonen hat er besiegt. Sein Trainer Claude Harmon nannte das die Erschaffung von "Koepka 2.0".
Die Qualitäten, mit denen er in Rochester in einem Duell mit dem Norweger Viktor Hovland das Turnier gewann, waren die gleichen wie damals: Koepka spielte schnell und druckvoll, er zwang den Mitspielern sein Tempo auf. Er machte kaum Fehler in den vier Runden und wenn doch etwas nicht funktionierte, vermied er das Desaster, in das andere reinliefen auf einem höchst schwierigen Platz unter kalten, regnerischen Bedingungen. In der vierten Runde schließlich spielte er seine Erfahrung aus, die er bei seinen Siegen gesammelt hatte - und bei seinen Niederlagen: Einst bei der PGA Championship gegen Phil Mickelson, im April dieses Jahres dann beim Masters, als Jon Rahm ihn in der Finalrunde besiegte.
"Es geht in diesen Momenten nicht ums Schlägerschwingen, es geht um die Mentalität", sagte Koepka. Diesmal ließ er den Weltranglistenersten Scottie Scheffler hinter sich, genauso wie den Rest des Feldes mitsamt der zwei Deutschen Yannik Paul (69.) und Stephan Jäger (50.) sowie dem Österreicher Sepp Straka, der am Ende sensationell Siebter wurde.
Streit der Golftouren:Die Champagnerzeiten enden
Die namhaften Ryder-Cup-Spieler Sergio Garcia, Lee Westwood und Ian Poulter verlassen die europäische Tour mit scharfen Worten. Sie weigern sich, für den Wechsel zur saudischen LIV-Tour Strafen zu bezahlen - und spitzen den Konflikt zu.
Die saudi-arabische Tour, zu der auch Koepka gehört, erhofft sich nun einen Image-Gewinn
Sie alle scheiterten auch daran, den historischen ersten Sieg eines LIV-Spielers bei einem Major-Turnier zu verhindern. Die saudi-arabische Tour wird darin einen großen Erfolg für ihr weiterhin bescheidendes Image erkennen, nur ist Koepka der falsche Repräsentant für die große Sportswashing-Saga. "Es ist eine große Sache für LIV, aber ich bin für mich selbst hier", sagte er, angesprochen auf den Erfolg für die Saudis, den er allerdings nicht mit ihnen teilen wollte, weil er sich immer schon als höchst individueller Sportler gesehen hat, als eine Ich-AG im besten Sinne.
Koepka ist kein Überzeugungstäter, was die LIV Tour angeht. Er hat kein strategisches Interesse daran, auf die Zerstörung der amerikanischen PGA Tour einzuwirken, so wie etwa Mickelson, der in den Saudis tatsächlich die Zukunft des Sports sieht, weshalb der Erfolg bei der PGA Championship zwar für die Marketingabteilung von LIV praktisch ist - aber keine umstürzenden Folgen haben dürfte.
Über Koepka kursieren stattdessen seit Monaten Gerüchte, dass er sogar wieder einen Wechsel zurück auf die PGA Tour anstreben könnte, Indizien dafür lieferte er höchstselbst. Beim Masters im April etwa gab er offen zu, dass er es vermisst, sich Woche für Woche mit den besten Spielern der Welt zu messen - weil sich Koepka 2.0 wieder so fühlt wie einst Koepka 1.0, vielleicht sogar noch stärker, mit all den Emotionen. Weil er weiß, dass er wieder jeden schlagen kann.