Angenehme 18 Grad Celsius sind am Dienstagabend in West Palm Beach vorhergesagt, ideale Bedingungen also für eine Runde Golf unter der Sonne Floridas - und trotzdem werden sich einige der besten Spieler der Welt am Abend in einer Halle treffen. Das SoFi Center öffnet in dieser Woche seine Tore für die Zukunft des Golfsports, die auf Wunsch von Tiger Woods und Rory McIlroy in Teilen indoor stattfinden wird. Beide spielen normalerweise auch im Freien, gar nicht weit weg sogar von der neu gebauten Golfhalle, in ihren jeweiligen Heimatklubs an der Atlantikküste Floridas. Für ihr Projekt namens TGL allerdings versuchen sie etwas Neues.
Futuristisch und latent größenwahnsinnig klingen die Berichte aus Florida - und das, was die TGL dort vorhat. In Dreierteams treten zahlreiche Spieler der PGA Tour im Verlauf einer Saison gegeneinander an, sie werden Bälle auf eine Videowand schießen, auf der virtuelle Löcher nachgebaut sind. Verzogene Schläge können somit nicht nur auf Gras, Sand oder im Wasser landen, sondern auch in tiefen Lavagräben oder gemeinen Fallen. Wie eine virtuelle Spaßversion sind die fiktiven Golfbahnen erstellt worden - das Ziel bleibt allerdings weiterhin dasselbe: Den Ball in ein Loch zu putten, mit möglichst wenigen Schlägen.
Unterirdische Roboter können die Oberfläche von Putt zu Putt verändern
Das geschieht dann nicht mehr virtuell, sondern wieder im echten Leben. Ein künstliches Grün ist dafür in der Halle errichtet worden, mitsamt Rasen drumherum hat das „Spielfeld“ die Größe von vier Basketballfeldern. Es ist allerdings nicht flach: Mithilfe von unterirdischen Robotern kann die Oberfläche verändert werden, sodass von Putt zu Putt unterschiedliche Szenarien geboten sind - wie im echten Leben also.

Bryson DeChambeau:Der Elon Musk des Golfsports
Wissenschaftler, Muskelprotz, Influencer, Disruptor – und beste Verbindungen in die Familie Trump: Bryson DeChambeau könnte in den kommenden Jahren für den kommenden US-Präsidenten noch eine wichtige Rolle spielen.
Bleibt die Frage: Warum nicht einfach auf echtem Grün und echtem Platz spielen? Oder anders formuliert: Worin liegt das Problem bei der Version des Sports, die seit über zwei Jahrhunderten weltweit gespielt wird?
Die Antwort liegt vor allem in der Aufmerksamkeitsspanne des Fernseh-Publikums (zu sehen ist das ganze übrigens diesen Mittwoch von 18-20 Uhr auf Sky). Golfturniere finden in ihrem klassischen Format über 72 Löcher an vier Tagen statt, es wird den ganzen Tag gespielt und davon werden teils über acht Stunden im Fernsehen gezeigt - was für das junge Internet-Sportpublikum kaum verträglich ist. Die der Tradition verpflichteten PGA Tour allerdings will dieses Format (zu recht) nicht infrage stellen, weshalb nach einer zweiten Tour gefahndet wurde, die schließlich Woods und McIlroy gemeinsam mit Geschäftspartnern gründeten.
TGL soll dabei auch eine Antwort sein auf die saudi-arabische LIV-Tour, wo das Problem mit der Aufmerksamkeit vor einigen Jahren ebenfalls erkannt wurde. Dort werden nur 54 Löcher über drei Tage gespielt, zudem läuft Musik im Hintergrund und Party ist erlaubt. „Golf, but louder“, so lautet das Motto des Saudi-Start-Ups, das allerdings ein kommerzieller Reinfall ist.
Dass die TGL Tour anders als die Saudi-Tour mit dem Versprechen an den Start geht, das etablierte Golfsystem nicht bekämpfen zu wollen, ist ein Teil der Strategie. Die Dienstag- und Mittwochabendveranstaltungen sollen ein Zusatzprodukt sein zu den wöchentlichen Turnieren der PGA Tour, die Spieler werden dafür natürlich in Millionenhöhe entschädigt. Und die Erfolgsaussichten sind allein schon aus einem Grund gut: Tiger Woods ist nicht nur Inhaber, sondern auch Mitspieler, seine Teilnahme garantiert das Interesse am neuen Format.
Der 49-Jährige ist aufgrund zahlreicher Verletzungen nur noch eingeschränkt in der Lage, Turniere zu spielen, vor allem weil die langen Wege zu Fuß auf Golfplätzen sein Knie belasten. Das ist nun kein Problem mehr: Die 25 Meter große Videowand verändert sich für ihn – und Woods muss nur noch schwingen.