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Golf:Nabel der Sportwelt

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In Österreich startet die runtergedimmte europäische Golftour. Da viele Profis lieber um höhere Summen in den USA spielen, eröffnen sich Chancen für Spieler der zweiten Reihe.

Von Felix Haselsteiner, Atzenbrugg/München

Ein bisschen stolz sind die Österreicher dann schon, dass sie für ein paar Tage Nabel der Sportwelt sein dürfen. Die Formel 1 fährt in der Steiermark, in Kitzbühel spielt man wieder Tennis, und die Golfwelt blickt auf den Diamond Country Club im niederösterreichischen Dorf Atzenbrugg. Alles wird live im ORF und bei ServusTV übertragen, sogar Golf: In der Idylle zwischen Wachau und Wien gibt der europäische Golfsport sein Comeback. Vier Monate nach dem Qatar Masters im März findet von Donnerstag bis Sonntag mit der Austrian Open zum ersten Mal wieder ein Turnier der European Tour statt.

Das Turnier in Atzenbrugg ist der Anfang einer merklich verkleinerten Turnierserie, die die Tour zusammengestellt hat. Der eigentliche Kalender musste wegen der Corona-Krise gestrichen werden, nun spielt die European Tour zwei Wochen lang in Österreich, dann bis Ende August in England und Wales und Anfang September in Spanien und Portugal. Das alles findet jedoch in einem Spannungsverhältnis zu den USA statt: Dort wird bereits seit Wochen wieder gespielt, trotz einer Vielzahl an Coronafällen unter den Spielern.

Für die European Tour war die Organisation weitaus schwieriger, Reisebestimmungen zwischen den Ländern allein sorgten für viele Unklarheiten. Viele der europäischen Topspieler haben sich zudem mittlerweile in die USA verabschiedet, um dort zu spielen, wo es mehr Weltranglistenpunkte gibt - und höhere Preisgelder. Die "Rolex Series", Europas höchstbewertete Turnierserie mit sieben Millionen Euro Gesamtpreisgeld pro Event, wurde für den Rest des Jahres komplett abgesagt.

Die European Tour spielt nun um 500 000 Euro in Österreich bzw. eine Million Euro bei den britischen Turnieren, das Ungleichgewicht zwischen den beiden Standorten wird so immer deutlicher - in den USA erhält allein der Sieger über eine Million US-Dollar. "Das ist für uns Europäer bitter, eine ganz schwierige Situation", sagte Deutschlands Top-Golfer Martin Kaymer am Sonntag der Welt. Kaymer hat keine Startberechtigung in den USA mehr und könnte höchstens auf den kleineren europäischen Turnieren spielen - dort gibt es allerdings so wenige Weltranglistenpunkte, dass sich der Aufwand kaum lohnt. Das Sammeln von Weltranglistenpunkten ist aktuell nur möglich, wenn man auf der anderen Seite des Atlantiks bei den großen Turnieren erfolgreich ist - die kleinen Events in Europa haben kaum Einfluss auf die Wertung.

Dass viele Topspieler in die USA geflogen sind, ist auf der anderen Seite eine Chance für die, die aus der zweiten Liga im europäischen Golf, der Challenge Tour, nachrücken dürfen: "Für uns als Challenge-Tour-Spieler ist es eine Richtlinie, um zu sehen, wo wir stehen", sagt Nicolai von Dellingshausen, einer von 14 deutschen Spielern in Atzenbrugg. Von Dellingshausen kann von der Abwesenheit der Topspieler profitieren, doch darauf kommt es im ersten Moment gar nicht mal an: "Wieder auf etwas hin zu trainieren, ohne diese Unsicherheit beim Training zu haben, wie es weitergeht, hat definitiv geholfen", sagt der 27-Jährige: "Es war ein Einschnitt, aber es gab eben wichtigere Sachen als ein Golfturnier."

Nun geht es unter Sicherheitsvorkehrungen weiter, ohne Zuschauer und mit mehrmaligen Tests pro Tag, noch war kein positiver dabei. Die Organisation der European Tour verlaufe so weit reibungslos, sagt von Dellingshausen: "Wir fühlen uns gut beraten - wir bekommen jeden Tag unzählige Mails mit Informationen, wie wir uns verhalten sollen. Da gibt es nichts zu meckern."

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SZ vom 09.07.2020
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