Süddeutsche Zeitung

Phil Mickelson im Golf:Der alte Mann zeigt es seinen Jüngern

Viele hatten ihn längst abgeschrieben: Mit 50 Jahren ist Phil Mickelson der älteste Sieger eines Major-Turniers im Golf - und baut seinen Legendenstatus aus.

Von Felix Haselsteiner

Erst auf dem Weg zum 17. Grün des Kiawah Island Ocean Course bekam Phil Mickelsons rechter Daumen eine kurze Pause. "Thumbs up", Daumen hoch, dafür ist Mickelson seit Jahrzehnten bekannt, genauso wie für sein dezentes, freundliches Kopfnicken in Richtung der Fans, wenn er über den Platz marschiert. Mit jedem Daumen, mit jedem Nicken scheint Mickelson seine Freude darüber auszudrücken, dass die Fans da sind. Ungewöhnlich für Golfprofis: Mickelson interagiert auch während der Runde - und warum sollte das auf dem Weg zum vielleicht größten Triumph seiner einzigartigen Karriere anders sein?

Mickelson verteilte im Verlauf der Finalrunde unzählige gehobene Daumen an die 10 000 Zuschauer, die ihn mit Sprechchören über den Platz verfolgten, nur eben an der Bahn 17, da wurde Mickelson noch einmal kurz ernst: Sein Abschlag war im dichten Gras gelandet, ein schwieriger Schlag lag also noch vor ihm, und erst als Mickelson diesen hinter sich gebracht hatte, da hob er seinen Daumen endgültig. Ein Loch vor Schluss war ihm der Titel als ältester Major-Sieger im Golfsport quasi nicht mehr zu nehmen.

Nur wenige Spieler haben im Golf derartige Begeisterung bei den Massen ausgelöst

Die Szene, die sich aus dem fast sicheren Sieg ergab, dürfte genauso in die Geschichte des Sports eingehen wie der sportliche Erfolg an sich. Mickelson führte ein Heer an Fans das 18. Loch entlang in Richtung Grün, sie grölten und jubelten, manche fielen ihm fast um den Hals, die Sicherheitsleute hatten Mühe, die Anhänger im Zaum zu halten. Es herrschte eine Stimmung, wie sie auf Golfplätzen nur äußerst selten vorkommt und wie sie im vergangenen Jahr unter Pandemie-Einschränkungen in der Sportwelt nicht zu sehen war. Nur wenige Spieler haben im Golfsport derartige Begeisterung bei den Massen ausgelöst: Arnold Palmer und Jack Nicklaus einst bei ihren großen Siegen, Tiger Woods insbesondere im Jahr 2018, als er nach ewig langer Zeit wieder ein Turnier gewann.

Man könnte nun sagen, dass Mickelson in einer Reihe mit all diesen Spielern steht, doch: Das tat er auch schon, bevor er am Donnerstag den ersten Schlag auf dem langen, unnachgiebigen und schwer präparierten Platz in South Carolina machte. Mickelson, nun sechsmaliger Major-Champion, hat seit dem Jahr 1991 45 Turniere auf der PGA Tour gewonnen, er hat zahlreiche Ryder-Cups gespielt und mit seiner Spielweise - wilde, weite Abschläge, präzise kurze Schläge - das Spiel geprägt. Er wird bald 51 Jahre alt, ist Mitglied in der Ruhmeshalle seiner Sportart und hat in diesem Jahr begonnen, Turniere auf der Senioren-Tour zu spielen. In gewisser Weise steht Mickelson damit gar über mancher Legende, sogar über seinem ewigen Konkurrenten Woods, weil: Über eine Zeitspanne von 30 Jahren zu gewinnen, ist eine unvorstellbare Leistung. Wie Woods genießt Mickelson das Privileg, seinen eigenen Legendenstatus nicht mehr nur im Rückblick zu erleben, sondern bei vollem Bewusstsein weiter auszubauen.

"Ich habe daran geglaubt, dass es möglich ist", sagte Mickelson bei der Siegerehrung. Sicher gewesen, noch einmal an diesen Punkt zu kommen, sei er sich nicht. Er dankte seiner Frau Amy, seinem Trainer und insbesondere seinem Bruder Tim, der ihn seit einigen Jahren als Caddie begleitet. Die harte Arbeit habe sich ausgezahlt.

Seine Nahbarkeit und kalifornische Lässigkeit stehen im Kontrast zu Tiger Woods' gnadenloser Perfektion

Mickelsons Triumph bei der PGA Championship ist nicht nur die Geschichte eines 50-Jährigen, der eine perfekte Woche auf einem schwierigen Golfplatz erwischte, sondern auch die eines disziplinierten Arbeiters - und eines beeindruckenden Comebacks. Nach seinem Sieg bei der British Open 2013 hatte Mickelson fünf Jahre lang kein Turnier gewonnen, viele hatten ihn längst abgeschrieben als einen, der mit den Jungen nicht mehr mithalten könne. "Lefty", der Linkshänder aus Kalifornien, schien satt zu sein: Das Magazin Forbes schätzte seine jährlichen Einnahmen auf 51 Millionen Euro, die Familie schien ihm wichtiger zu sein als die sportlichen Erfolge. Doch Mickelson war noch nicht fertig.

Er trennte sich von seinem ewig treuen Caddie Jim "Bones" McKay, begann mit einem neuen Trainer zu arbeiten - und wurde fitter als je zuvor. Eineinhalb Tage jeder Woche fastet Mickelson heute, den Rest der Zeit trainiert er, nach eigener Aussage, so viel wie noch nie. "Hitting bombs", extrem lange Abschläge zu schlagen, macht Mickelson am meisten Spaß: Er spielt mit der Wucht und dem Mut eines Spielers, der nichts mehr beweisen muss, und der Raffinesse eines Routiniers, der jede Situation, die man im Golf erleben kann, schon einmal erlebt hat. Mickelson ist an guten Tagen fähig, jedes Turnier zu gewinnen. Er sei "nicht seines Talentes wegen" der älteste Major-Sieger, sondern weil er immer weitergemacht habe, schrieb Autor Michael Bamberger treffend bei Golf.com.

All die Titel und der Weg dahin sind der Stoff für Biografien, die gerade geschrieben werden. Was wirklich zählt bei Mickelson ist aber das, was ihn immer von Woods unterschieden hat: Seine menschliche, nahbare Aura und seine kalifornische Lässigkeit, die Woods' gnadenlose Perfektion immer konterkarierte, haben ihn zu dem Liebling der Fans gemacht, der er heute ist. Mickelsons Bedeutung für den Golfsport ist daher auch nicht allein messbar an Titeln. Wem die Massen so begeistert folgen wie am Sonntagnachmittag Mickelson auf Kiawah Island, der darf sich auch mal als Prophet seiner Sportart verstehen.

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