Golf:Augusta versucht den Spagat

Golf: Versammlung vor dem traditionsreichsten Clubhaus des Golfsports: Tiger Woods, Joaquin Niemann und Louis Oosthuizen vor ihrer ersten Runde in Augusta.

Versammlung vor dem traditionsreichsten Clubhaus des Golfsports: Tiger Woods, Joaquin Niemann und Louis Oosthuizen vor ihrer ersten Runde in Augusta.

(Foto: Jamie Squire/AFP)

Der National Golf Club ist die traditionsreichste Institution seines Sports - und entwickelt nicht nur jedes Jahr den Platz weiter, sondern ebenso sein Image. Das liegt auch an einem Revolutionär im grünen Jackett.

Von Felix Haselsteiner

In diesem Jahr ist es das elfte Loch, an dem man am besten ablesen kann, was den Augusta National Golf Club einzigartig macht. Für die meisten Menschen ist die Nachricht, dass auf einem Golfplatz ein gutes Dutzend Bäume gefällt wurde, nichts allzu Aufregendes, für Experten und Spieler beim Masters hingegen ist es eine kleine Sensation: Auf dem elften Loch kann man nun den Ball vom Abschlag weg weiter nach rechts schlagen, ohne dass er in den Bäumen landet, was die Spieltaktik auf einer der schwersten Bahnen des Platzes verändert - und die Spieler wieder zum Nachdenken bringt, womit das primäre Ziel der Turnier-Verantwortlichen erreicht wäre.

Chairman Fred Ridley jedenfalls dürfte es gefallen haben, dass die besten Golfer der Welt in den Proberunden dabei zu beobachten waren, wie sie auf Loch elf unzählige Schläge probierten, zumeist beim ersten Versuch scheiterten und sich daraufhin teils entrüstet am Kopf kratzten ob der neuen Tücken. Das Masters ist das einzige Major-Turnier, das jedes Jahr auf demselben Platz stattfindet - daher muss sich dieser auch jedes Jahr anpassen.

In Augusta, im Bundesstaat Georgia, war man immer schon meisterhaft gut darin, die Trends des Spiels zu erkennen und den Platz dementsprechend zu entwickeln. "Tiger-sicher" musste er einst 2003 werden, nachdem Woods zweimal hintereinander gewonnen hatte - also verlängerte man die Löcher, baute um und sorgte so immerhin dafür, dass Woods erst 2005 wieder gewann. (Diesmal begann der US-Amerikaner das Turnier am Donnerstag nach langer Zwangspause mit einer grundsoliden 71er-Runde.)

Die wuchtigen Schläge der jungen Generation kontert man nun mit der Fokussierung auf die schwierigen Grüns und ihre Umgebung, nach dem Motto: Nur weil ihr weit schlagt, heißt das nicht, dass ihr das Turnier gewinnen werdet. Jahr für Jahr geht das so, der GolfDigest hat dazu eine grafische Aufschlüsselung erstellt, die die Veränderungen dokumentiert.

Die heutige Generation will das Masters digital verfolgen, fordert mehr Offenheit und weniger Geschichten aus den Sechzigern

Doch geht es für die Organisatoren beim Masters längst um mehr als nur Anpassungen des Platzes. Augusta ist voll von Traditionen und Eigenheiten, trifft aber auf ein Publikum, das eine andere Vorstellung vom Golfsport hat als noch vor 20 Jahren. Die heutige Generation will das Masters digital verfolgen, fordert mehr Offenheit ein und erwartet mehr als die erneute Wiederholung der schönsten Geschichten aus den 1960er-Jahren, in denen die ehrenwerten Spieler wie Jack Nicklaus und der verstorbene Arnold Palmer zwar den Sport groß machten, in Augusta allerdings noch rassistische Traditionen Gang und Gäbe waren. Schwarze durften erst ab 1975 als Spieler teilnehmen, davor waren sie nur als Caddies auf der Anlage zugelassen, es dauerte lange, bis der weiße Elite-Club damals die Zeichen der Zeit erkannte.

Golf: Ehrenhalber immer noch dabei: Gary Player, Jack Nicklaus und Tom Watson (von links) bei ihrer Runde über den Platz von Augusta.

Ehrenhalber immer noch dabei: Gary Player, Jack Nicklaus und Tom Watson (von links) bei ihrer Runde über den Platz von Augusta.

(Foto: Johnny Angelillo/UPI Photo/Imago)

Diese Tage liegen in der Vergangenheit des ANGC, der die Traditionen in den vergangenen Jahren immer mehr aufgeweicht hat. Frauen sind mittlerweile nicht nur Mitglieder, auch das Amateur-Turnier der besten jungen Golferinnen in der Woche vor dem Masters ist ein großer Erfolg: Die Nachwuchsspielerinnen finden seit 2019 in Augusta die größtmögliche Bühne ihrer Sportart vor, um sich früh in ihren Karrieren einen Namen zu machen.

Das Masters besticht zudem durch eine umfangreiche Digitalisierung: Auf der Website kann man jeden einzelnen Schlag auf der Anlage im Video nachverfolgen. Eine Art der Golf-Übertragung, die zwar aufwendig ist, sich aber langsam auch bei anderen Turnieren durchsetzt, nach dem Vorbild Augusta. Vor dem diesjährigen Masters durfte nun sogar die Youtuber-Gruppe "Dude Perfect" auf dem heiligen Rasen Videos drehen - bis vor einigen Jahren war eine derartige Show-Einlage noch unvorstellbar. Er habe die Gruppe auch nicht gekannt, sagte Chairman Ridley, der mit Dudes sonst eher wenig zu tun hat, aber offen zugab: "Als ich erfahren habe, dass ihnen 57 Millionen Menschen auf YouTube folgen, hatten sie meine Aufmerksamkeit."

Vergleichbar ist der Status des Turniers am besten mit Wimbledon im Tennissport

Viele solcher Neuerungen gehen auf Ridley zurück, der seit 2017 den Club anführt. Nach außen wirkt er oft genauso dezent und förmlich wie seine Vorgänger, doch hinter dem grünen Jackett verbirgt sich fast schon ein Revolutionär, gemessen an der traditionellen Ausrichtung der Institution, der er vorsteht. Auf der Pressekonferenz am Donnerstag wurde Ridley daher gefragt, was wohl der Club-Mitbegründer Sir Bobby Jones zum heutigen Masters sagen würde. "Ich glaube, er wäre stolz", sagte Ridley: "Wenn Sie sich alte Fotos von diesem Platz anschauen, ist alles äußerliche ziemlich gleich geblieben. Aber sonst nicht allzu viel."

Augusta versucht den Spagat, mit der Zeit zu gehen und ein modernes Event voller Tradition zu bleiben. Vergleichbar ist der Status des Turniers am besten mit Wimbledon im Tennissport: In Großbritannien, wo weiterhin in weiß gespielt wird, sind es die kleinen Traditionen, die man beibehalten will, ohne im großen Ganzen altbacken zu wirken. Zum Masters erhalten Spieler weiterhin Briefe mit einer offiziellen Einladung, Handys sind während des Turniers am Platz verboten, Sandwiches für Zuschauer sind betont günstig, Caddies tragen weiße Overalls - es ist eine lange Liste lieblicher Tradition, die man weiterführen könnte. Eröffnet wurde das Turnier auch 2022 von den "Honorary Starters": Die alten Granden Nicklaus, Gary Player und Tom Watson übernahmen die ersten Schläge. In der immer moderner werdenden Welt des Augusta National Golf Club sind sie die Zeitzeugen.

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