Zumindest einer war sich bezüglich der Saisonbilanz relativ sicher. "Ich glaube, LIV ist eine tolle Sache für Saudi-Arabien, für das Image von Saudi-Arabien", sagte Donald Trump Anfang November in Miami. Auf einem der Golfplätze des ehemaligen US-Präsidenten in Doral ging damals gerade die erste Saison der saudi-arabischen LIV-Tour zu Ende, Trump selber spielte beim Pro-Am-Turnier unter anderem mit dem US-Amerikaner Bryson DeChambeau, der später sagte, Trump habe einen wirklich guten Schwung.
Es klang ganz danach, als wäre alles bestens verlaufen beim derzeit ambitioniertesten Sportswashing-Produkt weltweit, bei dem die Saudis die Golfwelt mit ihren Milliarden in Aufruhr versetzt hatten. Im knappen Zeitraum von Februar bis November 2022 hat LIV Golf den Sport aus kommerzieller Sicht drastischer verändert als das in den zwei Jahrhunderten davor der Fall war, darin sind sich die meisten Beteiligten einig. Die Hunderte Millionen an Antrittsprämien der Topspieler, das absurd hohe und garantierte Preisgeld, das aggressive Vorgehen gegen historisch gewachsene Strukturen und Verbände, das alles geschieht auf einer neuen Ebene mit mehr Nullen als je zuvor. Nur eigentlich wollten die Saudis noch viel mehr.
Den Veranstaltern fehlen Einnahmen, etwa durch Zuschauer und Fernsehen
Die New York Times veröffentlichte am Sonntag in einer Recherche Informationen über die wahren Pläne des saudi-arabischen Staatsfonds PIF, der als Finanzier der Golfserie auftritt. Unter dem Codenamen "Project Wedge", so heißt es da, habe das Königreich im Jahr 2021 angeblich die Beratungsagentur McKinsey damit beauftragt, die Möglichkeiten einer eigenen Golf-Tour auszuloten. Project Wedge, aus dem später die LIV-Tour hervorging, sollte eine der vielen Antworten auf die PR-Krise sein, in die Saudi-Arabien in den drei Jahren davor geraten war: Unter anderem die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 hatte dazu geführt, dass das Image des arabischen Königreiches in der Welt immer schlechter wurde.
Eine der Antworten also lag auf den Golfplätzen der Welt, wo angeblich laut der Expertise zwar nicht allzu viel Geld zu verdienen sei; aber um schnelle Returns geht es zunächst gar nicht. Sportswashing kostet Geld, das ist eine nicht allzu neue Erkenntnis des ersten LIV-Jahres. In etwa 750 Millionen Dollar habe die erste Saison der Golftour verschlungen, berichtete zuletzt Sports Illustrated. Auf der anderen Seite fehlen Einnahmen, etwa durch Zuschauer und Fernsehen, zwei Kategorien, die im Laufe des Jahres zu Problemen wurden. Tickets nämlich verschenkte LIV zuhauf, um überhaupt sicherzustellen, dass es bei den Turniere nicht allzu leer aussehe. Und die Übertragungen wurden gratis ins Internet gestreamt, mit großteils unterdurchschnittlichen Zugriffszahlen. Einen Übertragungsvertrag mit einem amerikanischen Sender gibt es weiterhin nicht - dabei wäre das der lukrativste Ansatz, um auf dem größten Fernsehmarkt in Konkurrenz zu amerikanischen PGA Tour zu gehen.
DAZN und ServusTV - Haussender des österreichischen Brauseherstellers Red Bull - ließen sich in Europa immerhin als übertragende Sender gewinnen, doch diese B-Kategorie interessiert LIV eigentlich nicht. Auch nicht, was die Spieler angeht: Wie die Analysten laut New York Times angeblich vorab feststellten, bräuchte es die zwölf größten Namen im Golfsport auf einer nicht-amerikanischen Tour, um wirklich etwas zu verändern. Vor allem aber hätte LIV Golf wohl das Trio der beliebten Spieler Phil Mickelson, Tiger Woods und Rory McIlroy benötigt, um die PGA Tour zu Fall zu bringen. Mickelson ging unter viel Getöse (und mit etwa 200 Millionen US-Dollar Handgeld), die anderen beiden allerdings bilden heute die wichtigste Opposition zur Saudi-Tour.
Tiger Woods nutzt fast jede Gelegenheit, um den Sinn der LIV-Tour zu hinterfragen
Nicht einmal ein Angebot von 700 bis 800 Millionen US-Dollar konnte Woods offenbar umstimmen, der jede Gelegenheit nutzt, um die Sinnhaftigkeit des Saudi-Vorgehens zu hinterfragen. Mit ihm als Vorreiter haben sich die Amerikaner längst auf einen sportlichen und juristischen Zweikampf eingestellt, der Jahre andauern könnte: Eine Patt-Situation, wie sie aktuell besteht, dürfte den Saudi-Ansprüchen auf Dauer allerdings kaum genügen.
Im größeren Kontext nämlich sollte Golf nur ein Teil der ambitionierten Strategie namens Vision 2030 werden. Kronprinz Mohammed bin Salman selbst hatte das Vorhaben in Gang gebracht, das mit Sportveranstaltungen wie den Olympischen Winterspielen und in fernerer Zukunft wohl auch mit einer Bewerbung für die Fußball-Weltmeisterschaft Saudi-Arabien als modernen Ausrichter von internationalen Wettkämpfen in der Welt positionieren soll.
Das alles soll in den nächsten Jahren geschehen, in denen die Saudis weiter an ihrer Strategie arbeiten werden - und somit auch der Golfsport kaum zur Ruhe kommen wird. In den ersten Monaten habe es auch "viele Hindernisse" gegeben, sagte LIV-Sprecher Jonathan Grella der New York Times in einem Statement, dafür gebe man aber der PGA Tour die Schuld. Man sei allerdings guter Dinge - 2022 sei schließlich nur ein sogenanntes "Beta-Testjahr" gewesen.