Sportswashing in Saudi-Arabien:Die Haffenlohers sitzen am Hebel

Sportswashing in Saudi-Arabien: Der Schwede Henrik Stenson war als nächster Ryder-Cup-Kapitän Europas auserkoren. Weil auch er offenbar zur Saudi-Tour wechselt, wurde er seines Amtes enthoben.

Der Schwede Henrik Stenson war als nächster Ryder-Cup-Kapitän Europas auserkoren. Weil auch er offenbar zur Saudi-Tour wechselt, wurde er seines Amtes enthoben.

(Foto: Paul Ellis/AFP)

Saudi-Arabiens Strategie, eine Super-Liga im Golf mit Millionen-Ausschüttungen aufzuziehen, lässt sich verurteilen - aber sie geht auf. Sprudelnde Geldquellen verändern längst den Weltsport.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Die Saudi-Tour, mit Milliarden Dollar aus dem Public Investment Fund Saudi-Arabiens finanziert, mag umstritten sein, doch das hindert die Verantwortlichen dieses Mammutprojekts nicht daran, sich immer tiefer ins Golfsystem zu fräsen. Zuerst köderte man Star-Spieler, über die sich die LIV Tour, wie die Serie aus acht Turnieren heißt, vermarkten lässt. Das klappte auf Anhieb. Käuflichkeit im Sport hat lediglich einen Preis, das sieht man wieder bestätigt.

200 Millionen Dollar für Phil Mickelson? 125 Millionen für Bryson DeChambeau? Wer will Nachschlag? Frisch diese Meldung: 90 Millionen für Cameron Smith, der in St Andrews seinen ersten Major-Titel errang. Dafür müsste der Australier, zum Vergleich, nicht einmal wie jüngst die British Open gewinnen - sondern 36-mal! Ein absurdes Missverhältnis. In Schottland bekam Smith ja nur 2,5 Millionen.

Ob all die kolportierten Antrittsgagen exakt stimmen, ist zwar noch unbestätigt, bei der Höhe aber egal. Der saudische Staatsfonds gilt, wie das Wall Street Journal konstatierte, als einer der "am wenigsten transparenten" Vermögensfonds. Wuchtig dafür das Signal: Geld fließt unbegrenzt, und es wird strategisch clever eingesetzt. Wenn auch skrupellos.

Davon zeugt die neueste Personalie. Die Saudi-Tour greift jetzt die Golf-Tradition frontal an und angelte sich den schwedischen Profi Henrik Stenson, der nichts weniger darstellt als den Ryder-Cup-Kapitän Europas für das Duell mit den USA 2023 in Rom. Man stelle sich vor, Bundestrainer Hansi Flick würde vor der WM in Katar die Nationalmannschaft verlassen, weil er sich lieber Öl-Millionen überweisen lassen will - da wäre Alarmstufe Rot in Fußball-Deutschland.

Die Führung von Ryder Cup Europe reagierte und warf Stenson am Mittwoch aus dem Amt, der am gleichen Abend seinen Wechsel zur Saudi-Tour bestätigte. Zwangsläufig stellt sich die Frage: Ist der Ryder Cup, wenn alle flüchten und für diese Veranstaltung gesperrt werden, sportlich noch relevant? Natürlich nicht. Nur, es ist so weit gekommen: LIV Golf sitzt am Hebel der Macht. Die alten Mächte wie US- und Europa-Tour bröckeln.

Niemand muss die Golfer freilich als alleinige Gierhälse abkanzeln, unanständig hohe Alimentierungen haben längst andere Disziplinen erreicht. Der Weltsport, zumindest der in den global funktionierenden Ligen und Serien, ist längst dabei, sich aufgrund sprudelnder Quellen aus dem arabischen Raum zu verändern, auch was Besitz- und Eigentümerstrukturen betrifft. Im Fußball gehört es bei Topklubs regelrecht zum guten Ton, Schulden mit manch fragwürdiger Einlage aus Regionen zu übertünchen, in denen Menschenrechte wenig bis nichts gelten.

Bei der umstrittenen (und gescheiterten) Super League mischte im Hintergrund Saudi-Arabien mit. 900 Millionen Dollar erhält die Formel 1 dafür, dass sie zehn Rennen in zehn Jahren in Saudi-Arabien fährt. Vor dem letzten im vergangenen März schlugen Raketen von Huthi-Rebellen in Treibstofflagern ein, natürlich wurde weitergerast. Von ein paar Enthauptungen hier, ein paar Bürgerkriegen dort lässt man sich nicht von der Bahn drängen. Neuerdings wird gar der Klassiker in Monte-Carlo in Frage gestellt. Woanders lauert, klar, mehr Profit.

Sportswashing in Saudi-Arabien: Eine Rauchwolke steigt im vergangenen März von einem Öllager in der Nähe der F1-Rennstrecke von Dschidda auf, in Brand gesteckt durch eine von jemenitischen Huthi-Rebellen abgefeuerten Rakete. Saudi-Arabien unterstützt im Nachbarland Regierungseinheiten, die die aufständischen Rebellen bekämpfen.

Eine Rauchwolke steigt im vergangenen März von einem Öllager in der Nähe der F1-Rennstrecke von Dschidda auf, in Brand gesteckt durch eine von jemenitischen Huthi-Rebellen abgefeuerten Rakete. Saudi-Arabien unterstützt im Nachbarland Regierungseinheiten, die die aufständischen Rebellen bekämpfen.

(Foto: Hassan Ammar/dpa)

Im Tennis steht Steve Simon, Chef der Frauen-Tour, vor dem Dilemma: Soll er ein Angebot für ein Turnier in Saudi-Arabien annehmen? Und das, nachdem er China für dessen Umgang mit der lange verschwundenen Spielerin Peng Shuai verurteilte und WTA-Turniere dort aussetzte? Noch überlegt Simon offenbar, was viel erzählt. Auch das hat sich bewahrheitet: Sportswashing funktioniert. Nach der Verlockung ist vor der Verlockung.

Wie posaunte Fabrikant Heinrich Haffenloher in der Kultserie Kir Royal den Klatschreporter Baby Schimmerlos an: "Isch scheiß' dich sowat von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast. Und die Versuchung is' so groß, da nimmst's, und dann hab isch dich, dann jehörste mir." Die schwerstreichen Länder oder Herrscherfamilien rennen bei ihren PR-Reinwaschtouren auch deshalb oft genug offene Türen ein, weil der in der westlichen Welt dargebotene populäre Spitzensport jegliche finanzielle Balance und Verhältnismäßigkeit verloren hat. Alle brauchen Geld, um das aus den Fugen geratene System am Laufen zu halten. Oder ist ein Fußball spielender Mensch ernsthaft 120 Millionen plus X wert?

Die Akteure im Golf indes sind besonders leicht zu kaufen, die Profis sind Einzelunternehmer, ihre Agenten steuern sie auch im Eigeninteresse, sie kassieren mit. Turniere sind rasch aufgezogen. Und die Saudi-Tour macht vor, wie man eine sicher vorteilhafte Berichterstattung gewährleistet. Der renommierte Golf-Analyst David Feherty verlässt die NBC und wechselt zur LIV Tour. Ob der Brite im TV auf grundlegende Missachtungen von Menschenrechten im Land seines neuen Arbeitgebers zu sprechen kommen wird? Man ahnt die Antwort. Dafür wird auch er nicht bezahlt.

Zur SZ-Startseite

LIV-Tour und die British Open
:Für ein paar Dollar mehr

Sowohl der Veranstalter der British Open als auch Tiger Woods kritisieren die Spieler, die bei der saudi-arabischen Golf-Tour für leicht verdientes Geld starten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: