Golf:Ein Milchshake für die neue Nummer eins

Rahm gewinnt Memorial Tournament

Jon Rahm gewinnt das renommierte Turnier von Jack Nicklaus

(Foto: dpa)

Der Spanier Jon Rahm steigt zum weltbesten Golfer auf, weil er gelernt hat, seine Nerven beisammen zu halten. Ganz oben angekommen denkt er auch an seine verstorbene Oma.

Von Gerald Kleffmann

Am späten Sonntagnachmittag ging in Dublin, im US-Bundesstaat Ohio, das "Memorial Tournament" zu Ende; seit der Fortsetzung der US-Golftour vor fünf Wochen hat es kein Turnier gegeben, das derart vielschichtige Geschichten hervorgebracht hat wie die Veranstaltung der Golf-Ikone Jack Nicklaus. Da war die Rückkehr von Tiger Woods, 44, der nach fünf Monaten teils freiwilliger Pause seinen anfälligen Körper mühsam über den schweren Platz im Muirfield Village GC schleppte. Rundenergebnisse von 71, 76, 71 und 76 Schlägen gaben wieder, dass Woods' Leistungen tagesabhängig geworden sind. Er spüre das Alter, sagte er. In sechs Jahren kann er, so rast die Zeit, auf der Champions Tour der Senioren spielen.

Da war aber auch das Geständnis von Jack Nicklaus, dem großen alten Mann der Golfhistorie. Zu Beginn der Pandemie hatten sich seine Frau Barbara und er mit dem Coronavirus infiziert, verriet er nun dem Sender CBS beiläufig. Der 80-Jährige, mit 18 Majortiteln der erfolgreichste Profi jemals, war immer bescheiden im Auftreten, auch wenn sein eigenes Turnier dem Zeitgeist entspricht und unfassbare 9,3 Millionen Dollar Preisgeld ausschüttet. In den US-Golfmedien zeigte man sich nachträglich besorgt um das Wohl Nicklaus', doch der beruhigte: Seine Frau hätte keine Symptome gehabt, er nur leichte grippeähnliche, "wir hatten Glück", sagte er.

Und dann war da noch Jon Rahm.

Rahm, 25, stammt aus dem Baskenland, er war einst Bester der Amateur-Weltrangliste, golferisch sozialisiert wurde er überwiegend in den USA, in der renommierten Golfabteilung der Arizona State University. In seinem erst fünften Jahr als Profi schaffte er nun Erstaunliches: Rahm gewann nicht nur das bedeutsame Memorial, nach einer Unwetter-Unterbrechung und einer Zwei-Schläge-Strafe; es war sein vierter Erfolg auf der US-Tour. Er ist jetzt auch die neue Nummer eins der Weltrangliste - als erster Spanier seit dem 2011 an Krebs verstorbenen Severiano Ballesteros. "Ich kann das alles noch nicht umschreiben", sagte Rahm über diesen speziellen Tag. Es war wahrlich viel zusammengekommen für ihn, nicht nur monetär mit dem Scheck über 1,67 Millionen Dollar.

Am Sonntag sah es zunächst noch so aus, als könne er mit verbundenen Augen dem Triumph entgegenspielen, nach der Hälfte der 18 Bahnen. Er schien in einer anderen Sphäre zu sein, mit acht Schlägen Vorsprung auf den späteren Zweiten Ryan Palmer (USA). Aber nach einem Bogey und Doppelbogey büßte er drei Schläge ein, bald folgte noch ein Bogey. Die Nerven beisammenzuhalten, das war für den impulsiven Kerl immer eine Aufgabe gewesen; es hat ja seine Gründe, warum er, von der Fachwelt seit Jahren als potenzieller Major-Gewinner gehandelt, noch keines gewann. So manches Mal brachte ihn ein Vulkanausbruch um greifbare Siege. Aber er sei "gereift", betonte Rahm. Er nehme sich noch mehr vor, aus Fehlern zu lernen. "Keine Chance, dass ich dieses Turnier vor vier Jahren gewonnen hätte", meinte er nun. Taktisch habe er sich auch verbessert. "Wann habt ihr mich mal gesehen, dass ich so oft mit dem 3er- und 5er-Holz vom Tee abschlage", sprach er zu den US-Reportern über eine Schalte. Er lässt den Driver, den Golfschläger mit dem größten Kopf, nun tatsächlich mal in der Tasche stecken.

Dank nunmehr kontrollierterer Offensive hielt er die Führung, wobei es einen letzten heiklen Moment zu überstehen galt. Und das, obwohl ihm mit dem eingelochten Chip zum Birdie an der 16. Bahn einer der "besten Schläge meiner Karriere" gelang, wie er fand - doch auf der Scorecard tauchte später eine 4 statt einer 2 auf. Da sich in der Zeitlupe zeigte, dass sich der Ball vor seinem bravourösen Schlag leicht bewegt hatte, als er den Schläger kurz hinter dem Ball zum Testen der Lage aufgesetzt hatte, kassierte er zwei Strafschläge. So sind manche Golfregeln, die Rahm in dem Fall auch akzeptierte - am Ort hatte er sein Vergehen nicht mal bemerkt, wie er später versicherte. Dass sein Kunstschlag aus dem hohen Gras somit einen Makel besaß, hinterließ "ein bittersüßes Gefühl". Aber Rahm rettete drei Schläge Vorsprung ins Ziel, und ohnehin, da brachen gar existenzialistische Gedanken in ihm durch, wusste er das alles richtig einzuordnen.

Zwei Verwandte Rahms waren kürzlich gestorben, eine Tante seiner Mutter und seine Großmutter, der er nahestand. Sie hatten nicht direkt an Covid-19 gelitten, aber an den mentalen Folgen, wie Rahm schilderte - beide hatten in Pflegeheimen gelebt. Am Samstag sei die Asche seiner Oma nach Madrid zur Familie gebracht worden. Um solche Themen ging es tatsächlich auch. "Golf ist nur das, was ich mache, aber nicht das, was ich bin", sagte Rahm fast poetisch. Er wolle sich jedenfalls immer treu bleiben, Familie sei eben das Wichtigste: "Wenn ich die Wahl hätte, ein guter Ehemann und guter Vater zu sein oder ein guter Golfer", so würde er sich immer für Ersteres entscheiden.

Den Titel und vor allem das Erobern der Nummer eins, von der er schon als 13-Jähriger unter Zeugen gesprochen hatte, feierte er dementsprechend auf seine bodenständige Art: "Ich gehe heim und sehe mir mit meiner Frau wohl einen Kinderfilm wie ,Drachenzähmen leicht gemacht' an", kündigte er heiter an. Und er wolle sich jetzt doch mal einen Milchshake gönnen. Die liebe er.

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